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Entscheide Erbrecht (Auszug)
Rechtsanwalt
08/24
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_37/2024
Soweit sich die Eröffnungsbehörde dazu äussert, ob eine bestimmte Person als Willensvollstrecker eingesetzt wurde oder nicht, liegt dieser Einschätzung eine bloss vorläufige und unpräjudizielle Auslegung der fraglichen letztwilligen Verfügungen zugrunde, die weder verbindlich ist noch materiellrechtliche Wirkung hat. Es ist nicht Sache der Eröffnungsbehörde, sondern allein des ordentlichen Zivilgerichts, die materielle Rechtslage zu beurteilen. Der entsprechende Entscheid der Eröffnungsbehörde hat den Charakter einer vorsorglichen Massnahme im Sinne von Art. 98 BGG.
Das Testament stellt eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung dar. Bei seiner Auslegung ist der wirkliche Wille des Erblassers zu ermitteln. Auszugehen ist vom Wortlaut. Ergibt dieser für sich selbst betrachtet eine klare Aussage, entfallen weitere Abklärungen. Sind dagegen die testamentarischen Anordnungen so formuliert, dass sie ebenso gut im einen wie im andern Sinn verstanden werden können, oder lassen sich mit guten Gründen mehrere Auslegungen vertreten, darf das Gericht das Geschriebene unter Berücksichtigung des Testaments als Ganzes auslegen und kann es auch ausserhalb der Testamentsurkunde liegende Elemente zur Auslegung heranziehen, soweit sie den im Text unklar oder unvollständig ausgedrückten Willen erhellen. Die Auslegung einer Willenserklärung setzt aber voraus, dass ein animus testandi aus der Verfügung hervorgeht. Daher darf durch die Auslegung "nichts in die Verfügung hineingelegt werden, was nicht darin enthalten ist". In diesem Sinn ist die erwähnte Rechtsprechung zu verstehen, wonach das Gericht sogenannte Externa nur insoweit zur Auslegung heranziehen darf, als sie ihm erlauben, eine im Text enthaltene Angabe zu klären oder zu erhärten und den Willen zu erhellen, der in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zum Ausdruck kommt. Dabei ist gemäss Art. 18 Abs. 1 OR, der bei der Auslegung letztwilliger Verfügungen Anwendung findet (Art. 7 ZGB), der wirkliche Wille beachtlich, nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise. In gleicher Weise kann sich das Gericht auf die allgemeine Lebenserfahrung abstützen oder die Verfügung in favorem testamenti auslegen. Stets hat es jedoch bei der willensorientierten Auslegung zu bleiben; eine Auslegung nach dem am Erklärungsempfänger orientierten Vertrauensprinzip fällt ausser Betracht. Die Erben oder andere Betroffene haben keinen Anspruch auf Schutz ihres Verständnisses der letztwilligen Verfügung; es kommt mit andern Worten nicht darauf an, wie sie die Erklärung des Erblassers verstehen durften und mussten, sondern einzig darauf, was der Erblasser mit seiner Äusserung sagen wollte. Wer sich auf einen vom objektiv verstandenen Sinn und Wortlaut abweichenden Willen des Erblassers beruft, ist beweispflichtig und hat entsprechende Anhaltspunkte konkret nachzuweisen. as Bundesgericht prüft die Auslegung einer letztwilligen Verfügung durch die kantonale Instanz als Rechtsfrage. Es ist indessen an die tatsächlichen Feststellungen gebunden, aus denen sich der innere Wille des Erblassers ergibt.
08/24
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_691/2023 (BGE folgt)
Ein Erbe, der dem Wert nach weniger als seinen Pflichtteil erhält, kann die Herabsetzung von bestimmten Erwerbungen und Zuwendungen verlangen (Art. 522 Abs. 1 ZGB). Die Herabsetzungsklage verjährt mit Ablauf eines Jahres von dem Zeitpunkt an gerechnet, da die Erben von der Verletzung ihrer Rechte Kenntnis erhalten haben, und in jedem Fall mit Ablauf von zehn Jahren, die bei den letztwilligen Verfügungen von dem Zeitpunkte der Eröffnung, bei den andern Zuwendungen aber vom Tode des Erblassers an gerechnet werden (Art. 533 Abs. 1 ZGB). Die Frist wird mit dem Einreichen eines Schlichtungsbegehrens gewahrt (Art. 62 Abs. 1 i.V.m. Art. 197 ZPO). Kommt es im Schlichtungsverfahren zu keiner Einigung, so hält die Schlichtungsbehörde dies im Protokoll fest und erteilt die Klagebewilligung (Art. 209 Abs. 1 ZPO). Nach Eröffnung berechtigt diese während dreier Monate zur Einreichung der Klage beim Gericht (Art. 209 Abs. 3 ZPO). Bei dieser Frist handelt es sich um eine prozessrechtliche Verwirkungsfrist (nicht zu verwechseln mit Verwirkungsfristen des materiellen Rechts, bspw. Art. 533 ZGB). Sie beginnt mit der Eröffnung bzw. Zustellung der Klagebewilligung im Sinn von Art. 209 Abs. 2 ZPO zu laufen. Wird die Klage nach Fristablauf eingereicht, tritt das Gericht auf diese nicht ein (Art. 59 Abs. 1 ZPO). Während den Gerichtsferien steht die Frist zur Klageeinreichung beim Gericht still.
Art. 142 Abs. 2 ZPO ist in dem Sinn auszulegen, als der "Tag, an dem die Frist zu laufen begann", sich nicht nach Art. 142 Abs. 1 ZPO richtet, sondern auf den Tag des fristauslösenden Ereignisses Bezug nimmt.
07/24
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5_911/2022
Die Aufgabe der Behörde nach Art. 609 Abs. 1 ZGB erschöpft sich in der Teilnahme an der Teilung, die sie selbst weder durchführen noch leiten kann. Sie oder der von ihr ernannte Vertreter nimmt bei der Teilung den Platz des betroffenen Erben als offizieller Verwalter seines Anteils ein. Sie handelt unter Ausschluss des Erben, den sie ersetzt, in im Erbteilungsprozess oder bei der Annahme eines Erbteilungsvertrags. Die an der Teilung beteiligte Behörde ist in ihren Entscheidungen unabhängig vom Willen des Erbenschuldners, der nicht berechtigt ist, an den Teilungsverhandlungen teilzunehmen, berücksichtigt aber, soweit möglich, dessen Wünsche, insbesondere was die Zuweisung bestimmter Vermögenswerte in der Teilung betrifft. Der Zweck von Art. 609 Abs. 1 ZGB besteht darin, den Schutz der Interessen des Gläubigers im Rahmen der Teilung zu gewährleisten, indem insbesondere die Gefahr einer Kollusion zwischen dem Schuldner und seinen Miterben vermieden wird. Durch dieses Institut soll verhindert werden, dass der betroffene Erbe - ob im Einvernehmen mit seinen Miterben oder nicht - auf die Geltendmachung aller oder eines Teils seiner Erbschaftsrechte verzichtet, was für den Gläubiger nachteilig wäre. Indem die Behörde die Rechte des betroffenen Erben vertritt, gewährleistet sie die Interessen des Gläubigers. Sie versucht, in Zusammenarbeit mit den anderen Erben die Aufteilung des Nachlasses im wohlverstandenen Interesse des betroffenen Erben durchzuführen, und zwar mit dem Endziel, den Gläubiger zu befriedigen. Selbst wenn die Behörde an die Stelle des betroffenen Erben tritt, muss sie also in erster Linie die Interessen des Gläubigers wahren, damit dieser befriedigt werden kann. Gläubiger des betroffenen Erben dürfen der Behörde i.S.v. Art. 609 Abs. 1 ZGB jedoch keine Weisungen erteilen.
Bei einem Entscheid, mittels welchem im Rahmen eines hängigen Erbteilungsverfahrens durch die zuständige Behörde i.S.v. Art. 609 Abs. 1 ZGB ein Vertreter bestellt wird, handelt es sich um einen Zwischenentscheid (Art. 93 BGG). Weil die nach Art. 609 Abs. 1 ZGB bezeichnete Behörde (bzw. deren Vertreter) anstelle des betroffenen Erben an der Erbteilung teilnimmt und in ihren Entscheidungen vom Willen des betroffenen Erben unabhängig ist (sie hat insb. die Möglichkeit, eine Teilungsvereinbarung zu unterzeichnen und im Teilungsprozess Anträge zu stellen), besteht die Gefahr, dass die getroffene Entscheidung dem betroffenen Erben einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zufügt. Sie ist nämlich geeignet, den Verlauf des Teilungsprozesses und dessen Ergebnis zu beeinflussen, da der Behördenvertreter zwar die Interessen des betroffenen Erben berücksichtigen, aber auch und in erster Linie die Interessen der Gläubiger des Erbenschuldners wahren muss, damit diese befriedigt werden können. Die Tatsache, dass der betroffene Erbe die Möglichkeit hat, sich bei der Aufsichtsbehörde über Pflichtverletzungen der Behörde (oder ihres Vertreters) zu beschweren, insb. wenn diese ihn ungenügend informiert, reicht nicht aus, um dieses Risiko zu beheben.
Entscheide über vorsorgliche Massnahmen sind insbesondere sind insb. der Entscheid zur Anordnung der Erbschaftsverwaltung (Art. 554 ZGB; als Sicherungsmassnahme zur Erhaltung des Nachlassvermögens), die Ernennung eines Erbenvertreters (Art. 602 Abs. 3 ZGB; als Massnahme zur Bewahrung der Substanz der Erbschaft für einen begrenzten Zeitraum), dessen Aufsicht sowie eine Anordnung i.S.v. Art. 609 Abs. 2 ZGB.
Die Mitwirkung der Behörde nach Art. 609 Abs. 1 ZGB hat keinen vorübergehenden Charakter und ist nicht konservatorischer Natur. Sie hat zur Folge, dass dem betroffenen Erben das Recht, zur Teilung Stellung zu nehmen, endgültig entzogen wird und er nur noch die Möglichkeit hat, sich bei der Aufsichtsbehörde darüber zu beschweren, dass der Vertreter seine Aufgaben nicht korrekt erfüllt habe. Wird die Mitwirkung der Behörde im Rahmen eines hängigen Erbteilungsverfahrens angeordnet, sind die Beschwerdegründe nicht i.S.v. Art. 98 BGG limitiert.
07/24
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_886/2023
Zur Erhebung einer Herabsetzungsklage ist aktivlegitimiert, wer dem Werte nach weniger als seinen Pflichtteil erhalten hat. Dies setzt die Ermittlung der Pflichtteile und damit auch die Bestimmung der Pflichtteilsberechnungsmasse voraus. Hierzu sind zum reinen Nachlass erstens die vom Erblasser zu dessen Lebzeiten getätigten Zuwendungen, soweit sie der Herabsetzung unterliegen (Art. 475 und Art. 527 ZGB), und zweitens die der Ausgleichung (Art. 626 ZGB) unterliegenden Zuwendungen hinzuzurechnen. Dies betrifft sowohl die Zuwendungen i.S.v. Art. 626 Abs. 1 ZGB (gewillkürte Ausgleichung) als auch diejenigen gemäss Art. 626 Abs. 2 ZGB (gesetzliche Ausgleichung) und gilt auch dann, wenn dem Ausgleichungsschuldner kein Ausgleichungsgläubiger gegenübersteht. Relevant ist einzig, dass die Zuwendungen an sich ausgleichungspflichtig wären. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die Pflichtteilsberechnungsmasse eine rein rechnerische, gesetzlich bestimmte Grösse darstellt, die nicht unterschiedlich ausfallen kann, je nach dem wer gegen wen einen Herabsetzungsanspruch geltend macht.
Die Hinzurechnung von der Ausgleichung unterliegenden Zuwendungen setzt zwar grundsätzlich voraus, dass diese auch tatsächlich zur Ausgleichung gelangen, was beispielsweise nicht der Fall ist, wenn der Ausgleichungsschuldner das Erbe ausschlägt. Dass die Vorbezüge tatsächlich zur Ausgleichung gelangen bedeutet dabei jedoch nur, dass sie zur Anrechnung an das Erbbetreffnis des Empfängers gelangen. Eben diese Anrechnung hat im Rahmen der konkreten Berechnung, ob der einen Herabsetzungsanspruch geltend machende Pflichtteilserbe dem Werte nach seinen Pflichtteil erhalten hat, zu erfolgen.
06/24
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_597/2023
Ein Zwischenentscheid, mit welchem eine Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses (Art. 98 ZPO) angesetzt wird, kann vor Bundesgericht gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nur angefochten werden, wenn der Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirkt. Ein wirtschaftlicher Schaden oder ein rein tatsächlicher Nachteil wird nicht als "nicht wieder gutzumachender Nachteil" betrachtet. Zwischenentscheide, die einen Kostenvorschuss oder eine Sicherheitsleistung verlangen, können einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil verursachen, wenn im Falle eines Verzugs, d.h., falls der geforderte Betrag nicht rechtzeitig bezahlt wird, ein Nichteintretensentscheid droht. Der Beschwerdeführer muss detailliert nachweisen, dass ihm dieser Nachteil tatsächlich droht, weil er finanziell nicht in der Lage ist, den Vorschuss oder die Sicherheitsleistung zu erbringen. Entsprechend muss nachgewiesen werden, dass die Konsequenz des Nichteintretens (und damit der rechtliche Nachteil) tatsächlich unmittelbar bevorsteht.
06/24
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_969/2023
Das geltende Privatrecht kennt keinen allgemeinen Informationsanspruch, der Platz greift, wo immer Informationen geeignet wären, Rechtsansprüche zu verwirklichen. Stattdessen ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine - und welche - rechtliche Grundlage für den geltend gemachten Informationsanspruch besteht. Ein solcher kann sich für Erben einerseits aus dem Vertragsrecht (ererbter, vertraglicher Informationsanspruch), andererseits aus dem Erbrecht ergeben (erbrechtlicher Informationsanspruch); die Ansprüche können nebeneinander bestehen.
Nach dem Prinzip der Universalsukzession gemäss Art. 560 ZGB gehen nicht nur sämtliche Vermögensrechte, sondern insbesondere auch die vertraglichen Auskunftsansprüche auf die Erben über, soweit sie nicht höchstpersönliche Rechte des Erblassers beschlagen, wobei diese Ansprüche jedem Erben einzeln zustehen. Gegenüber einer Bank, mit der der Erblasser in einer vertraglichen Beziehung stand, ergibt sich das Auskunftsrecht der Erben aus Art. 400 Abs. 1 OR.
Die erbrechtlichen Informationsansprüche ergeben sich aus Art. 607 Abs. 3 und Art. 610 Abs. 2 ZGB. Demgemäss haben die Erben einander jede Auskunft zu erteilen, die für die korrekte Teilung des Nachlasses nach Gesetz oder letztwilliger Verfügung erforderlich ist. Gemeint sind damit alle Angaben, die bei einer objektiven Betrachtungsweise möglicherweise geeignet erscheinen, die Teilung in irgendeiner Weise zu beeinflussen. Obschon die Art. 607 Abs. 3 und 610 Abs. 2 ZGB gemäss ihrem Wortlaut nur zwischen den Erben gelten, hat die Rechtsprechung diese Bestimmungen analog auch auf Dritte ausgedehnt. Gegenüber einer Bank steht den Erben - je einzeln - daher ein erbrechtlicher Informationsanspruch betreffend Vermögenswerte zu, die von der Bank gehalten werden und potenziell Teil des Nachlasses sind. Diese Rechte stehen den Erben jedoch nicht voraussetzungslos zu, sondern erfordern ein besonderes Rechtsschutzinteresse, das der auskunftersuchende Erbe glaubhaft - die Lehre spricht von Plausibilität - zu machen hat, sei es mit Blick auf eine Herabsetzungs- oder Erbschaftsklage oder aber im Rahmen einer Ausgleichungs- und Teilungsklage.
Bei einem Auskunftsbegehren ist für den Streitwert von einem Bruchteil des vermögenswerten Interesses des Klägers auszugehen. Dem Gericht kommt bei der Festlegung des Streitwerts Ermessen zu.
06/24
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF240053
Mit dem Tod des Erblassers erwerben die Erben die Erbschaft als Ganzes kraft Gesetz (Art. 560 ZGB). Gemäss Art. 566 Abs. 1 ZGB sind die Erben befugt, die ihnen zugefallene Erbschaft auszuschlagen. Die Frist für die Ausschlagung beträgt drei Monate. Sie beginnt für die gesetzlichen Erben – soweit sie nicht nachweisbar erst später von dem Erbfall Kenntnis erhalten haben – mit dem Zeitpunkt, da ihnen der Tod des Erblassers bekannt geworden ist (Art. 567 ZGB). Die Ausschlagung ist ein Gestaltungsrecht und muss als solches eindeutig, unmissverständlich und unbedingt abgegeben werden. Geht bei der zuständigen Behörde – welche (wie gesehen) im Kanton Zürich das Einzelgericht am Bezirksgericht ist – eine Ausschlagungserklärung ein, so hat sie diese entgegenzunehmen und zu protokollieren (Art. 570 ZGB). Das Protokoll dient dem Beweis für die Abgabe und den Zeitpunkt der Ausschlagungserklärung.
Die Ausschlagung der Erbschaft hat zivilrechtlich zur Folge, dass die Erbberufung des Ausschlagenden rückwirkend beseitigt wird und der Anspruch des Erben als nicht entstanden gilt. Das Schicksal des ausgeschlagenen Erbteils oder der Erbschaft regeln die Art. 572 bis Art. 575 ZGB. Art. 572 Abs. 1 ZGB besagt, dass, wenn der Erblasser keine Verfügung von Todes wegen hinterlässt und einer unter mehreren Erben die Erbschaft ausschlägt, sich sein Anteil vererbt, wie wenn er den Erbfall nicht erlebt hätte. Das heisst bei Fehlen einer Ersatzverfügung des Erblassers (Art. 487 ZGB) gilt die sukzessive gesetzliche Erbberufung gemäss Art. 457 bis Art. 460 ZGB; das ausgeschlagene Erbe resp. der Erbteil gelangt an die Nachkommen bzw. wächst bei deren Fehlen den anderen Angehörigen der gleichen Parentel an (Eintritts- und Anwachsungsprinzip). Art. 573 Abs. 1 ZGB regelt den Fall, in welchem die Erbschaft von allen nächsten gesetzlichen Erben (das kann auch der überlebende Ehegatte sein) – ohne dass daneben wenigstens ein eingesetzter Erbe erbt – ausgeschlagen wird. Diesfalls gelangt die Erbschaft zur Liquidation durch das Konkursamt. Die Bestimmung spricht in der Mehrzahl von "allen nächsten gesetzlichen Erben". Das Gleiche muss aber auch gelten, wenn nur ein einziger (gemäss Art. 457 ff. ZGB in erster Linie gesetzlich berufener) Erbe vorhanden ist und dieser ausschlägt. Bei Ausschlagung aller oder des einzigen nächsten gesetzlichen Erben erfolgt weder ein Eintritt nachfolgender Erben noch ein Anwachsen des ausgeschlagenen Erbteils oder der Erbschaft an Miterben. Die Regelung von Art. 573 Abs. 1 ZGB beruht auf der Vermutung, dass die Ausschlagung aller (nächsten) gesetzlichen Erben ihren Grund in der Überschuldung der Erbschaft hat und eine Liquidation deshalb angezeigt ist. Die Rechtsfolge der konkursamtlichen Liquidation tritt jedoch unabhängig davon ein, ob tatsächlich eine Überschuldung vorgelegen hat resp. aus welchen (anderen) Gründen die Erben ausgeschlagen haben. Die Anordnung der konkursamtlichen Liquidation des Nachlasses ist Sache des Konkursgerichts (Art. 193 Abs. 2 SchKG). Das Einzelgericht am Bezirksgericht trifft nach Art. 573 ZGB (nur) die Pflicht zur Benachrichtigung des Konkursgerichts.
Art. 575 ZGB statuiert eine Ausnahme von Art. 573 ZGB: Schlägt der einzige oder schlagen alle nächsten gesetzlichen Erbe aus, so kann er resp. (auch nur) einer von ihnen zugleich mit der Ausschlagung oder noch innert der Ausschlagungsfrist verlangen, dass die Erbschaft den nachfolgenden gesetzlichen Erben (Nachkommen oder bei deren Fehlen den Personen einer nächsten Parentel) angeboten werden soll (Art. 575 Abs. 1 ZGB). Das Verlangen bzw. die Erklärung nach Art. 575 ZGB muss immer zugunsten aller nachberufenen Erben erfolgen. Sie bewirkt, dass die zuständige Behörde (das Einzelgericht am Bezirksgericht) den nachfolgenden Erben von der Ausschlagung und dem Begehren um ihre Anfrage Kenntnis gibt und ihnen eine einmonatige Frist zur Annahme der Erbschaft setzt. Wird (auch nur) eine rechtzeitige Annahmeerklärung abgegeben, hat dies den Erhalt der Erbschaft durch den oder die annehmenden nachberufenen Erben zur Folge. Eine Ausschlagung oder fehlende Reaktion führt zur endgültigen konkursamtlichen Liquidation (Art. 575 Abs. 2 ZGB). Im Gesetz und auch in der Lehre sowie Rechtsprechung findet sich nichts Näheres dazu, in welcher Form und insbesondere mit welchem Inhalt die Erklärung nach Art. 575 Abs. 1 ZGB abzugeben ist. Die Erklärung muss beinhalten, dass vor der konkursamtlichen Liquidation den nachfolgenden Erben Gelegenheit zur Annahme der Erbschaft zu geben sei. Missverständliche Formulierungen sind möglichst in diesem Sinne auszulegen und nicht als unzulässige (weil unter Vorbehalt ausgesprochene) Ausschlagungen zu betrachten. Es kann (insbesondere von einem juristischen Laien) nicht verlangt werden, dass exakt eine Erklärung nach dem Wortlaut von Art. 575 ZGB abgegeben oder auf die Gesetzesbestimmung verwiesen wird. Vielmehr genügt, wenn sich der Wille, die nachfolgenden Erben anzufragen, durch Auslegung der abgegebenen Willenserklärungen nach Treu und Glauben ergibt. Allerdings muss bei der Formulierung darauf geachtet werden, dass diese nicht dahingehend verstanden werden kann, dass die Ausschlagung nur erfolgt, wenn die nachberufenen Erben annehmen bzw. sie die Erbschaft erwerben. Denn dies würde eine verpönte bedingte Ausschlagung darstellen. In Anwendung der Untersuchungsmaxime nach Art. 255 lit. b ZPO kann die zuständige Behörde gestützt auf Art. 56 ZPO gehalten sein, die Partei zur Klarstellung aufzufordern.
Die Protokollierung der Erbausschlagung gehört zur sogenannten freiwilligen Gerichtsbarkeit. Im Verfahren auf einseitiges Vorbringen hat der Kläger oder Antragssteller, mithin der ausschlagende Erbe, die Kosten zu tragen. Dass das Gericht, welches die Ausschlagung zu Protokoll nimmt, dafür eine Gebühr und den Ersatz seiner Auslagen vom ausschlagenden Erben verlangen kann (§ 8 Abs. 3 GebV OG), erscheint durchaus gerechtfertigt. Schliesslich hat dieser die Behörden im eigenen Interesse angerufen und zum Handeln veranlasst.
06/24
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF240039
Die gesetzlichen und die eingesetzten Erben haben die Befugnis, die Erbschaft, die ihnen zugefallen ist, auszuschlagen (Art. 566 Abs. 1 ZGB). Ist die Zahlungsunfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes amtlich festgestellt oder offenkundig, so wird die Ausschlagung durch die Erben vermutet (Art. 566 Abs. 2 ZGB). Die Vermutung der Ausschlagung kann durch ausdrückliche Annahmeerklärung oder Einmischung im Sinne von Art. 571 Abs. 2 ZGB während der Ausschlagungsfrist umgestossen werden. Somit bedarf bei der überschuldeten Erbschaft nicht die Ausschlagung, sondern die Annahme einer ausdrücklicher Erklärung des Erben. Mit der Annahmeerklärung beendet der Erbe seine provisorische Erbenstellung und wird zum definitiven Erben. Die Annahmeerklärung ist gleich der Ausschlagung ein Gestaltungsrecht, somit bedingungsfeindlich, unwiderruflich, aber wegen Willensmängeln anfechtbar. Da das Gesetz die Annahmeerklärung nicht regelt, sind die Bestimmungen über die Ausschlagung (z.B. Art. 570, 576 ZGB) analog anzuwenden. Dies gilt auch für die dreimonatige Frist gemäss Art. 567 Abs. 1 ZGB. Die dreimonatige Frist beginnt für die gesetzlichen Erben, soweit sie nicht nachweisbar erst später von dem Erbfall Kenntnis erhalten haben, mit dem Zeitpunkt, da ihnen der Tod des Erblassers bekannt geworden ist (Art. 567 Abs. 2 ZGB). Umstritten ist in der Lehre indessen, ob die Annahmeerklärung an die zuständige Behörde nach Art. 570 Abs. 1 ZGB gerichtet werden muss oder auch jeder interessierten Person (wie Gläubiger, Miterben) gegenüber gültig abgegeben werden kann. Jedenfalls hat die Erklärung ausdrücklich zu erfolgen. Greift die Vermutung nach Art. 566 Abs. 2 ZGB, benachrichtigt die zuständige kantonale Behörde das Konkursgericht, welches die konkursamtliche Liquidation anordnet.
06/24
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich PF240018
Die Kosten der (Prüfung und/oder Anordnung von) erbgangsichernden Massnahmen (Art. 551 ff. ZGB) sowie jene der Erbenfeststellung sind Erbgangsschulden und als solche vom Nachlass zu tragen. Sämtliche gesetzlichen Erben haften dafür solidarisch (vgl. Art. 603 Abs. 1 ZGB, ferner Art. 639 Abs. 1 ZGB). Dies bedeutet, dass jeder einzelne Erbe für die Erfüllung der ganzen Schuld haftet (vgl. Art. 143 Abs. 1 OR). Der Gläubiger kann dabei nach seiner Wahl von allen Solidarschuldnern nur einen Teil oder das Ganze fordern (Art. 144 Abs. 1 OR). Der Staat kann als Gläubiger die Bezahlung dieser Kosten nach Art. 144 Abs. 1 OR vollumfänglich von einem Solidarschuldner seiner Wahl (d.h. von einem Erben) verlangen. Dem über seinen Anteil an den Kosten hinaus in Anspruch genommenen Erben steht der Rückgriff auf die Miterben offen. Vorbehalten sind allfällige rechtsgültige Ausschlagungserklärungen der Erben. Eine Ausschlagung hat binnen der gesetzlichen dreimonatigen Frist unbedingt und vorbehaltlos zu erfolgen, wobei bei gesetzlichen Erben die Frist beginnt, sobald sie vom Erbfall Kenntnis erhalten haben, soweit sie nachweisbar nicht erst später vom Erbfall Kenntnis erhalten haben (Art. 566, Art. 567, Art. 570 Abs. 2 ZGB).
05/24
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_790/2023
Nach Art. 607 Abs. 3 ZGB sind Erben, die Erbschaftssachen besitzen oder Schuldner des Erblassers sind, ihre Miterben genau darüber zu informieren. Art. 610 Abs. 2 ZGB verpflichtet die Miterben weitergehend dazu, einander alle Informationen über ihr persönliches Verhältnis zum Erblasser mitzuteilen, die eine gleichmässige und gerechte Erbteilung ermöglichen. Das Wesen des Auskunftsrechts besteht darin, dass der Berechtigte nicht beweisen muss, was er sucht, um es geltend zu machen. Indizien reichen aus. Der Auskunftsanspruch setzt voraus, dass der Erbe wahrscheinlich ein rechtliches Interesse an der Herausgabe der potentiell zum Nachlass gehörenden Vermögenswerte hat. Die genannten Artikel erfassen alle Informationen, die bei objektiver Betrachtung potentiell geeignet sind, die Teilung in irgendeiner Weise zu beeinflussen, sei es durch die Herabsetzungsklage oder durch die Ausgleichungs- und Teilungsklage. Mögliche Schwierigkeiten, die Informationen zu finden, ändern nichts an der Pflicht, die den Erben obliegt. Die Erben müssen die Auskunftspflicht so gut wie möglich erfüllen. Die Tatsache, dass der Wissensstand der Erben regelmässig niedriger ist als der des Erblassers, hat allenfalls einen Einfluss auf den Inhalt, nicht aber auf das Bestehen der Auskunftspflicht. Die Erben schulden die Auskunft nur im Rahmen ihrer eigenen Fähigkeit, verantwortungsvoll Auskunft zu erteilen. Die Auskunftspflicht erlischt, wenn die Erben mangels der erforderlichen Kenntnisse oder aus anderen Gründen nicht in der Lage sind, die Auskunft auch nur fragmentarisch zu erfüllen.
05/24
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_281/2023
Wenn das ZGB auf die "zuständige Behörde" verweist, wie dies bei den erbrechtlichen Sicherungsmassnahmen (Art. 551 ff. ZGB) der Fall ist, bestimmen die Kantone die zuständige Behörde (Art. 54 Abs. 1 SchlT ZGB). Dabei regelt der Kanton auch das Verfahren, selbst wenn es er ein Gericht (und nicht eine Verwaltungsbehörde) bestimmt. Art. 1 lit. b ZPO findet nur Anwendung, wenn das Bundesrecht selbst eine richterliche Behörde vorsieht. Wenn der Kanton die ZPO für anwendbar erklärt, stellen diese Bestimmungen kein Bundesrecht, sondern kantonales Recht dar. Das Bundesgericht kann die Anwendung des kantonalen Rechts nur auf die Verletzung verfassungsmässiger Rechte, insb. auf Willkür, überprüfen.
05/24
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich PS240087
Eine mittels Erbteilungsurteil angeordnete Versteigerung einer Nachlassliegenschaft stellt keine auf eine Geldzahlung oder Sicherheitsleistung gerichtete Zwangsvollstreckung dar. Sie wird nicht auf dem Weg der Schuldbetreibung durchgeführt und hat trotz der Mitwirkung des Gemeindeammanns keine SchKG-Angelegenheit zum Gegenstand (Art. 38 SchKG, Art. 335 ZPO). Damit stellt die der Erbteilung nachfolgende Vollstreckungsmassnahme keine Handlung dar, welche mittels SchKG-Beschwerde beanstandet werden kann.
Soweit die Handlungen den Anordnungen des Vollstreckungsgerichts entsprechen, können sie nicht mehr angefochten werden, zumal der Entscheid des Vollstreckungsgerichts mit einem Rechtsmittel angefochten werden kann. Weichen die Gemeinde- und Stadtammannämter des Kantons Zürich in der Realvollstreckung von den Anordnungen des Vollstreckungsgerichts ab oder machen sie Ermessensfehler, kommen nicht (mehr) die prozessrechtlichen Rechtsmittel zum Zug, sondern nur noch die Aufsichtsbeschwerde an die Aufsichtsbehörde.
Die Gemeindeammann- und Betreibungsämter sind im Kanton Zürich in aufsichtsrechtlicher Hinsicht den Bezirksgerichten unterstellt, welche wiederum der Aufsicht der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich unterstehen. Ausserhalb der SchK-Beschwerde ist für Aufsichtsbeschwerden gegen Beschwerdeentscheide der Bezirksgerichte die Verwaltungskommission des Obergerichts zuständig. Entsprechende aufsichtsrechtliche Beanstandungen sind somit mittels Aufsichtsbeschwerde auf zweitinstanzlicher Ebene bei der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich geltend zu machen.
04/24
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_769/2023
Die Frage nach einem ausdrücklichen Ausgleichungsdispens (Art. 626 Abs. 2 ZGB) stellt sich nur bei der gesetzlichen Erbfolge oder bei einer gewillkürten Erbfolge mit gleichen bzw. proportionalen Erbteilen. Der Anwendungsbereich von Art. 626 Abs. 2 ZGB wird auf Fälle reduziert, in welchen der Erblasser seinen Willen nicht geäussert oder zumindest das gesetzlich vorgesehene System in irgendeiner Weise bestätigt hat.
Gemäss Art. 617 ZGB sind Grundstücke den Erben zum Verkehrswert (Marktwert, d.h. dem objektiven Wert, den ein Dritter für das Grundstück bieten würde, abzgl. allfälliger Steuern, Gebühren und Kosten), der ihnen im Zeitpunkt der Teilung zukommt, anzurechnen. Wertminderungen und Wertsteigerungen, die zwischen der Erbgangseröffnung und der Teilung eingetreten sind, müssen proportional unter den Miterben aufgeteilt werden. Diese Bestimmung ist dispositiver Natur. Gemäss Art. 607 Abs. 2 ZGB ist es Sache der Erben, die übergehenden Vermögenswerte im Hinblick auf die Teilung zu bewerten, und sie können zu diesem Zweck einen Zeitpunkt und einen Wert festlegen, der von der gesetzlichen Regel abweicht, sofern sie sich alle einig sind. Wenn sich die Erben nicht über den Preis einigen können, wird er vom amtlich bestellten Sachverständigen endgültig festgelegt (Art. 618 ZGB).
Das Bundesrecht legt fest, nach welchen Grundsätzen (Methode, Kriterien) die Schätzung zu erfolgen hat, während die Schätzung des Werts nach diesen Kriterien eine Tatsachenfrage darstellt, die vom kantonalen Gericht endgültig entschieden wird. Die Bestimmung des Verkehrswerts ist eine Tatsachenfrage, die das Bundesgericht nur korrigiert, wenn sie auf einer willkürlichen Beurteilung beruht.
Die aus Art. 617 ZGB abgeleiteten Regeln gelten auch bei einer gerichtlichen Teilung. Die Bewertung des Vermögens erfolgt zum Zeitpunkt des Urteils. Die Gerichtsbehörde ist nicht verpflichtet, eine neue Bewertung zu erstellen, wenn sich das Verfahren in die Länge zieht; es ist Sache der Erben, eine Aktualisierung der Bewertung zu beantragen, da es möglich ist, dass der Wert der Immobilie erheblich gestiegen oder gesunken ist, beispielsweise aufgrund einer Änderung des Marktes, des Zonenplans oder der tatsächlichen Umstände. Eine Neuschätzung kann insbesondere dann verlangt werden, wenn das Verfahren sehr lange dauert, weil dann eine Wertveränderung der Immobilie möglich ist, oder wenn die Möglichkeit einer Wertveränderung nachgewiesen wird, obwohl das Verfahren nur kurze Zeit gedauert hat. In diesen beiden Fällen muss die ursprüngliche Bewertung grob fehlerhaft geworden sein.
04/24
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_601/2023
Die bundesgerichtliche Beschwerde gegen die Festsetzung der Parteikosten im Verfahren vor der ersten und zweiten Instanz (als Nebenpunkt) richtet sich nach der Hauptsache. Dort ist der auf Rechtsmittel hin ergangene Endentscheid eines oberen kantonalen Gerichts (Art. 75 und 90 BGG) betreffend die Aufsicht über einen Willensvollstrecker und damit eine nach Art. 72 Abs. 2 Bst. b Ziff. 5 BGG der Beschwerde in Zivilsachen unterliegende Angelegenheit vermögensrechtlicher Natur angefochten. Der Streitwert bemisst sich, auch wenn vor Bundesgericht nur noch die Parteikosten des kantonalen Verfahrens in Frage stehen, nach den Begehren, die vor der Vorinstanz strittig geblieben sind.
Die Beschwerde eines Erben und anderer an der Erbschaft materiell Berechtigter gegen einen Willensvollstrecker beschlägt keine Zivilsache im Sinne von Art. 1 Bst. a ZPO. Sie betrifft vielmehr die staatliche Aufsicht gegenüber dem Willensvollstrecker und dient nicht der Beantwortung materiellrechtlicher Fragen des Erbrechts. Zuständig zur Regelung des entsprechenden Verfahrens sind die Kantone. Soweit das einschlägige kantonale Recht auf die Zivilprozessordnung verweist, gelangt diese als (subsidiäres) kantonales Recht zur Anwendung.
04/24
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF240001
Eine nichtstreitige Erbschaftssache vor erster Instanz wandelt sich in zweiter Instanz in eine vermögensrechtliche streitige Angelegenheit, wenn das Rechtsmittel nicht ohne Anhörung einer Gegenpartei gutgeheissen werden könnte, weil diese dadurch beschwert wäre.
04/24
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LB230033
Konkret geht es vorliegend nur um die Frage, ob der Kläger einen Streitwert von exakt Fr. 30'000.-- oder einen solchen über Fr. 30'000.-- geltend machen wollte und ob entsprechend das vereinfachte oder das ordentliche Verfahren anwendbar ist. Auch im Anwendungsbereich der unbezifferten Forderungsklage muss die klagende Partei einen Mindeststreitwert als vorläufigen Streitwert angeben, nach dem sich dann die sachliche Zuständigkeit sowie das anwendbare Verfahren bestimmen (Art. 85 Abs. 1 ZPO). Bei der Bezifferung handelt es sich um eine Präzisierung des Rechtsbegehrens. Rechtsbegehren sind im Lichte der Klagebegründung auszulegen. Es ist deshalb von einem Mindeststreitwert auszugehen, der mit der Klagebegründung zu vereinbaren ist. Ist dies nicht gegeben, wird das Gericht im Rahmen seines Ermessens eine Korrektur vornehmen. Vorliegend hat der Kläger zwar einen vorläufigen Streitwert von Fr. 30'000.-- deklariert. Im Kontext seiner Vorbringen können seine Ausführungen nach Treu und Glauben aber nur dahingehend ausgelegt werden, dass er von einem klar über Fr. 30'000.-- liegenden Streitwert ausging. Die Formulierung, wonach er aufgrund der gesetzlichen Vorschrift von Art. 85 Abs. 1 ZPO, letzter Satz, daher einen Mindestwert von Fr. 30'000.-- als vorläufigen Streitwert angegeben habe, kann deshalb nur dahingehend verstanden werden, als er damit zum Ausdruck bringen wollte, dass der Streitwert vorliegend jedenfalls höher sei, als dass das vereinfachte Verfahren zur Anwendung gelangen könnte. Demgemäss ist davon auszugehen, dass der Streitwert vorliegend jedenfalls mehr als Fr. 30'000.-- beträgt und somit das ordentliche Verfahren vor Kollegialgericht zur Anwendung kommt. Nur vermögensrechtliche Streitigkeiten mit einem Streitwert von weniger als oder genau Fr. 30'000.-- sind im vereinfachten Verfahren zu beurteilen.
Beim Nichteintretensentscheid handelt es sich um einen Prozessentscheid (Art. 236 Abs. 1 ZPO). Ein Prozessentscheid ist dann ein Endentscheid, wenn eine Prozessvoraussetzung (Art. 59 ZPO) fehlt und das Gericht deshalb einen Nichteintretensentscheid fällt, ohne dass es eine materielle Beurteilung des eingeklagten Anspruchs vornimmt. Ein Prozessentscheid hat bezüglich der Verneinung der entsprechenden Prozessvoraussetzung materielle Rechtskraft, nicht jedoch bezüglich des eingeklagten materiellen Anspruchs. Deshalb hat ein Nichteintretensentscheid betreffend Zuständigkeit nur bezüglich der beurteilten Zuständigkeit, welche gemäss Art. 59 Abs. 1 und lit. b eine Prozessvoraussetzung ist, materielle Rechtskraft. Die betroffene Partei kann die Klage mit einem Streitwert in anderer Höhe jederzeit wieder einbringen.
Verzichtet die Gegenpartei auf eine Stellungnahme im Rechtsmittelverfahren, so verliert sie ihre Parteistellung nicht und kann bei Unterliegen kostenpflichtig werden. In Anwendung von Art. 107 Abs. 2 ZPO kann nur anders entschieden werden, wenn der korrigierte erstinstanzliche Entscheid allein auf einen Fehler des Gerichts im Sinne einer eigentlichen Justizpanne zurückgeht und sich der Rechtsmittelbeklagte nicht mit diesem Entscheid identifiziert.
04/24
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich PF240001
Für die Entgegennahme von Ausschlagungserklärungen ist das Einzelgericht zuständig. Die Protokollierung der Ausschlagungserklärung ist ein Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Es ist das summarische Verfahren als kantonales Recht anwendbar. Erbrechtliche Angelegenheiten wie die Ausschlagung sind grundsätzlich vermögensrechtliche Streitigkeiten. Daher ist die Berufung nur zulässig, wenn der Streitwert der zuletzt aufrecht erhaltenen Rechtsbegehren mindestens Fr. 10'000.– beträgt. Auf die tatsächliche Höhe der Schulden kommt es freilich nicht an. Wenn ein Erbe die Erbschaft ausschlägt, weil er nicht für Schulden haften will, mag er einzelne solcher Schulden kennen; es liegt aber in der Natur der Sache, dass er die genaue Situation des Erblassers nicht kennt. Es ist nicht ungewöhnlich, oder es ist sogar der Normalfall, dass eine überschuldete Person Verbindlichkeiten von mehr als Fr. 10'000.-- und auch von mehr als Fr. 30'000.-- hat, oder dass das jedenfalls ernsthaft zu befürchten ist. In aller Regel ist daher das kantonale Rechtsmittel im Streit über das Protokollieren einer Ausschlagung die Berufung, und auch für den Weiterzug an das Bundesgericht darf von einem Streitwert von über Fr. 30'000.-- ausgegangen werden.
Da die Ausschlagungserklärung Eingang in das Protokoll im Sinne von Art. 570 Abs. 3 ZGB findet, kommt dem schriftlich ausgefertigten Protokoll als einer öffentlichen Urkunde verstärkte Beweiskraft zu.
Zur Frage, ob der Behörde, die eine Ausschlagung zu protokollieren hat, Prüfungsbefugnisse zukommt, hielt das Bundesgericht jüngst fest, die Behörde habe auch Erklärungen zu protokollieren, die wegen Fristablaufs oder Verwirkung keine Wirkung entfalten könnten. Eine beschränkte Kognition hinsichtlich der Gültigkeit einer Ausschlagungserklärung komme der Behörde aber insofern zu, als sie davon abhängige Massnahmen zu treffen habe, wie die Anordnung der konkursamtlichen Liquidation oder die Ausstellung der Erbbescheinigung. Vorliegend war dies nicht der Fall, weshalb der Vorinstanz hinsichtlich der Gültigkeit der Ausschlagungserklärung keine Prüfungsbefugnis zukam. Dies auch hinsichtlich der umstrittenen Frage, ab welchem Zeitpunkt die dreimonatige Ausschlagungsfrist zu laufen beginnt, wenn die gesetzliche Erbenstellung und die Erbeinsetzung zusammentreffen.
04/24
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF240002
Wird eine Willensvollstreckereinsetzung durch eine nachträglich eröffnete Verfügung von Todes wegen widerrufen, entbindet das Gericht den Willensvollstrecker von seinem Amt. Mit der Entbindung des Willensvollstreckers von seinem Amt wird das bereits ausgestellte Willensvollstreckerzeugnis ohne Weiteres widerrufen. Praxisgemäss wird der ehemalige Willensvollstrecker zur Rückgabe sämtlicher Exemplare des Willensvollstreckerzeugnisses verpflichtet.
Gemäss Praxis des Obergerichts kann eine öffentliche Behörde dann zur Zahlung einer Parteientschädigung verpflichtet werden, wenn eine formelle Gegenpartei fehlt bzw. sich diese mit dem angefochtenen Entscheid nicht identifiziert, die Behörde materiell Parteistellung hat und sich der angefochtene Entscheid zudem als qualifiziert unrichtig erweist.
03/24
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 2C_164/2023 (BGE folgt)
Hat der Erblasser einen Willensvollstrecker bezeichnet, ist diesem gemäss Art. 554 Abs. 2 ZGB die Erbschaftsverwaltung zu übergeben. Nach der Rechtsprechung erfolgt die Ernennung des Willensvollstreckers zum Erbschaftsverwalter nicht automatisch; vielmehr bedarf es seiner formellen Berufung durch die Behörde. Dieser Berufung geht - entgegen dem insoweit zu absoluten Gesetzeswortlaut - eine Eignungsbeurteilung voraus; der Willensvollstrecker muss zur Ausübung des Amtes geeignet sein und darf sich namentlich nicht in einem objektiven Interessenkonflikt befinden.
Der Willensvollstrecker hat gemäss Art. 518 Abs. 2 ZGB die Schulden des Erblassers zu bezahlen. Zu den Schulden des Erblassers zählen unter anderem die Erbgangsschulden. Die Kosten der Erbgangseröffnung stellen eine Erbgangsschuld dar und sind vom Nachlass zu tragen.
Ein als Willensvollstrecker eingesetzter Rechtsanwalt ist jederzeit auf Verlangen und nicht erst nach Beendigung des Mandats dazu verpflichtet, eine detaillierte Rechnung vorzulegen.
Eine monatelange Inaktivität (z.B. die Weigerung, Nachlassschulden zu bezahlen) kann den Pflichten des Willensvollstreckers, die Tätigkeit unverzüglich aufzunehmen und sie zügig und ohne Unterbrechung durchzuführen, widersprechen.
Der Willensvollstrecker ist verpflichtet, Angaben über die Vermögenswerte des Nachlasses beizubringen.
03/24
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_803/2023 + 5A_804/2023
Als Teilentscheid behandelt das Bundesgericht im Bereich des Erbrechts etwa das Urteil über die Ungültigkeitsklage im Rahmen des Ungültigkeits- und Herabsetzungsprozesses oder der Erbteilung. Auch den Entscheid über als Stufenklage gestellte Auskunfts- und Editionsbegehren, über den Anspruch auf Zuweisung eines landwirtschaftlichen Grundstücks gemäss Art. 21 BGBB und über den Anspruch auf Zuweisung eines landwirtschaftlichen Gewerbes gemäss Art. 11 BGBB qualifizierte das Bundesgericht als Teilentscheid. Gewissermassen als Auffangtatbestand geht das Bundesgericht sodann von einem anfechtbaren Teilentscheid aus, wenn zwar die Erbteilung mit dem angefochtenen Entscheid nicht abgeschlossen ist, die Parteien sich aber über sämtliche anderen Aspekte der Erbteilung geeinigt haben oder mindestens davon auszugehen ist, dass sie sich nach dem Urteil über den im angefochtenen Entscheid entschiedenen Teilaspekt in den übrigen Streitpunkten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einigen vermöchten. Entscheide über blosse Grundsatzfragen sind demgegenüber - auch im Erbrecht - nicht als Teilentscheide zu qualifizieren. In diesem Sinne wurde etwa der Entscheid, ob bestimmte Nachlassgegenstände in analoger Anwendung von Art. 608 Abs. 2 ZGB dem Werte nach auszugleichen sind, als Zwischenentscheid angesehen.
03/24
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_852/2023
Die Testamentseröffnung ist eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Da Art. 557 Abs. 1 ZGB nicht verlangt, dass eine gerichtliche Behörde letztwillige Verfügungen eröffnet, handelt es sich nicht um eine gerichtliche Anordnung der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Sinn von Art. 1 Bst. b ZPO und findet folglich die ZPO keine Anwendung, jedenfalls nicht von Bundesrechts wegen. Daran ändert nichts, dass in einem Kanton das Einzelgericht des Bezirksgerichts und damit eine richterliche Behörde für die Testamentseröffnung zuständig ist.
Einzuliefern (Art. 556 Abs. 1 ZGB) und zu eröffnen (Art. 557 Abs. 1 ZGB) sind Schriftstücke, die selbst, das heisst für sich genommen, eine letztwillige Verfügung verkörpern könnten, nicht aber irgendwelche Unterlagen, mit denen eine mutmassliche, bloss gedachte letztwillige Verfügung bewiesen werden soll, von der unbekannt ist, ob sie (im Original) noch existiert oder überhaupt je existierte.
03/24
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_238/2023 (BGE folgt)
Nach der Konzeption des Schweizerischen Erbrechts sind die Nachkommen (Kinder oder, wenn sie vorverstorben sind, Kindeskinder) sowie ein überlebender Ehegatte oder eingetragener Partner bzw. eine eingetragene Partnerin die nächsten gesetzlichen Erben eines Erblassers (Art. 457 Abs. 1 und Art. 462 ZGB). Mehrere Kinder erben zu gleichen Teilen (Art. 457 Abs. 2 ZGB). Hinterlässt der Erblasser keine Nachkommen, gelangt die Erbschaft an den Stamm der Eltern (Art. 458 ZGB). Hinterlässt der Erblasser auch keine Erben des elterlichen Stamms, gelangt die Erbschaft an den Stamm der Grosseltern (Art. 459 ZGB). Mit dem Stamm der Grosseltern hört die gesetzliche Erbberechtigung der Verwandten auf (Art. 460 ZGB). Hinterlässt der Erblasser keine gesetzlichen Erben und setzt er keine Erben ein (Art. 483 ZGB), fällt die Erbschaft an das im Gesetz hierfür vorgesehene Gemeinwesen (Art. 466 ZGB).
In den Schranken der Verfügungsfreiheit kann ein Erblasser mit letztwilliger Verfügung oder mit Erbvertrag ganz oder teilweise über sein Vermögen verfügen (Art. 481 Abs. 1 ZGB). Der Teil, über den er nicht verfügt hat, fällt an die gesetzlichen Erben (Art. 481 Abs. 2 ZGB). Wer Nachkommen, den Ehegatten, die eingetragene Partnerin oder den eingetragenen Partner hinterlässt, kann - unter Vorbehalt von sog. Enterbungsgründen (Art. 477 ZGB) - nur bis zu deren sog. Pflichtteil über sein Vermögen von Todes wegen verfügen (Art. 470 Abs. 1 ZGB). Andere gesetzliche Erben (d.h. Erben des elterlichen oder des grosselterlichen Stamms) geniessen diesen Schutz nicht (Art. 470 Abs. 2 ZGB).
Erhält ein pflichtteilsgeschützter Erbe dem Wert nach weniger als seinen Pflichtteil - oder ist er gar (implizit) gänzlich von der Erbschaft ausgeschlossen oder sonstwie einfach übergangen worden - kann er mittels einer Herabsetzungsklage die Herstellung seines Pflichtteils erwirken (Art. 522 ZGB). Weil es bei der Herabsetzungsklage um die Herstellung des Pflichtteils geht, kann nur ein pflichtteilsgeschützter Erbe klagen. Als solcher gilt auch ein vollständig übergangener Pflichtteilserbe, der seine Erbenstellung erst mit einem zu seinen Gunsten lautenden Herabsetzungs- oder Ungültigkeitsurteil erlangt und dem bis dahin eine bloss virtuelle Erbenstellung zukommt. Obsiegt der klagende (virtuelle) Erbe, mündet das Herabsetzungsverfahren in ein Gestaltungsurteil, das ihm die Erbenstellung verschafft. Auf dieser Basis ist er alsdann zur Erhebung einer Erbteilungsklage legitimiert.
Die Frage, wer Nachkomme ist, entscheidet das Familienrecht. Nachkommen sind Personen, die zum Erblasser in einem direkten Kindesverhältnis standen; ebenfalls als Nachkomme gilt, wenn einer seiner Vorfahren zum Erblasser in einem direkten Kindesverhältnis stand (bspw. Grosskinder oder Urgrosskinder). Vorausgesetzt ist ein rechtliches Kindesverhältnis, denn das gesetzliche Erbrecht stellt ausschliesslich auf formelle familienrechtliche Beziehungen ab; ohne formelle familienrechtliche Bande gibt es keine gesetzliche Erbberechtigung. Diese Regelung findet ihren Grund in der Rechtssicherheit. Nicht von Bedeutung ist hingegen, ob das Kindesverhältnis ein eheliches oder aussereheliches ist. Eine unterschiedliche Behandlung ist einzig von gemeinsamen und nicht gemeinsamen Kindern im Rahmen von Art. 473 Abs. 1 ZGB zu Gunsten des überlebenden Ehegatten möglich.
Bis zum 01.01.1978 unterschied das ZGB zwischen ehelichen (Art. 252 bis Art. 301 aZGB) und ausserehelichen Kindesverhältnissen (Art. 302 bis Art. 327 aZGB). Das aussereheliche Kindesverhältnis zwischen dem Kind und der Mutter entstand - wie heute (Art. 252 Abs. 1 ZGB) - mit der Geburt (Art. 302 Abs. 1 aZGB). Das aussereheliche - rechtliche bzw. mit Standesfolge verbundene - Kindesverhältnis zwischen dem Kind und dem Vater konnte nur durch Anerkennung durch den Vater (Art. 303 i.V.m. Art. 325 aZGB) oder auf Klage der Mutter oder des Kindes auf Zusprechung mit Standesfolge (Art. 307 i.V.m. Art. 309 Abs. 1 und Art. 323 aZGB) durch Urteil begründet werden (Art. 302 Abs. 2 aZGB). Bestand ein solches rechtliches Kindesverhältnis, begründete dieses ein sog. aussereheliches Verwandtschaftsverhältnis. Damit war das Kind gegenüber seinem Vater auch erbberechtigt (Art. 461 Abs. 2 aZGB) und pflichtteilsgeschützt (Art. 461 i.V.m. Art. 471 Ziff. 1 aZGB). Die Vaterschaftsklage ging jedoch in erster Linie auf blosse Vermögensleistungen (Art. 309 Abs. 1 aZGB), namentlich auf Zuspruch von Unterhalt (Art. 319 aZGB). Die familienrechtlichen Pflichten des Vaters waren damit rein vermögensrechtlicher Natur; das Urteil schuf keine weitergehende familiäre oder rechtliche Bindung zwischen dem Erzeuger und dem Kind bzw. begründete kein (rechtliches) Kindesverhältnis, weswegen das Kind auch kein Erbrecht hatte. Mit Zustimmung des Beistands (vgl. Art. 311 aZGB) und der Vormundschaftsbehörde (Art. 421 Ziff. 8 aZGB) konnten die Mutter und der Vater auch einen Unterhaltsvertrag abschliessen. Der Abschluss eines Unterhaltsvertrags war - wie auch das Urteil, das den Vater nur zu Vermögensleistungen verpflichtete - ohne Standesfolge bzw. begründete kein Kindesverhältnis im Sinn von Art. 302 Abs. 2 aZGB. Rechtsprechung und Lehre verwendeten für den Fall, dass der Vater aufgrund eines Urteils oder eines Unterhaltsvertrags zu Vermögensleistungen verpflichtet war, den Begriff der Zahlvaterschaft. Mutter und Kind konnten indes auch auf Anerkennung des Kindesverhältnisses mit Standesfolge klagen, aber nur, wenn der Vater "der Mutter die Ehe versprochen, oder sich mit der Beiwohnung an ihr eines Verbrechens schuldig gemacht oder die ihm über sie zustehende Gewalt missbraucht hat" (Art. 323 aZGB). Aufgrund dieser einschränkenden Vorgaben war die Zahlvaterschaft tatsächlich die häufigste Regelung eines ausserehelichen Kindesverhältnisses.
Mit der Inkraftsetzung des neuen Kindesrechts am 01.01.1978 hat der Gesetzgeber den Dualismus zwischen Zahlvaterschaft und Vaterschaft mit Standesfolge abgeschafft. An dessen Stelle trat der Grundsatz der Einheit des Kindesverhältnisses. Seither ist die Entstehung des Kindesverhältnisses in den Art. 252 ff. ZGB geregelt. Es ist ein Rechtsverhältnis, das zwar in der Regel entweder mit der genetischen bzw. biologischen Abstammung oder mit der sozialen oder intentionalen Elternschaft übereinstimmt. Diese Eigenschaften sind jedoch weder notwendige noch hinreichende Bedingung für seine Entstehung. Das Kindesverhältnis zur Mutter entsteht von Gesetzes wegen mit der Geburt (Art. 252 Abs. 1 ZGB). Zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil wird das Kindesverhältnis kraft der Ehe mit der Mutter begründet (Art. 255 und Art. 255a ZGB; pater est quem nuptiae demonstrant). Sind die Eltern nicht miteinander verheiratet und besteht kein anderes gesetzliches Kindesverhältnis (zum Ehemann der Mutter, der aber nicht der biologische Vater ist), kann der Vater das Kind anerkennen (Art. 260 Abs. 1 ZGB). Die Anerkennung erfolgt durch Erklärung vor dem Zivilstandsbeamten oder durch letztwillige Verfügung oder, wenn eine Klage auf Feststellung der Vaterschaft hängig ist, vor dem Gericht (Art. 260 Abs. 3 ZGB). Besteht das Kindesverhältnis nur zur Mutter und anerkennt der Vater das Kind nicht, können sowohl die Mutter als auch das Kind auf Feststellung des Kindesverhältnisses zwischen dem Kind und dem Vater klagen (Art. 261 ff. ZGB). Schliesslich kann ein Kindesverhältnis durch Adoption entstehen (Art. 252 Abs. 3 i.V.m. Art. 264 ff. ZGB). Die Vaterschaftsklage nach Art. 261 ff. ZGB ist eine Gestaltungsklage. Mit ihr wird das Rechtsverhältnis zwischen Vater und Kind verbindlich gestaltet und rückwirkend auf die Geburt des Kindes hin begründet, und zwar erst mit dem Urteil, das insofern konstitutive Wirkung hat. Die Klage kann vor oder nach der Niederkunft erhoben werden. Wenn die Mutter klagt, muss sie dies vor Ablauf eines Jahres seit der Geburt tun (Art. 263 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB). Das Kind muss demgegenüber erst vor Ablauf eines Jahres nach Erreichen der Volljährigkeit klagen (Art. 263 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB). Nach Ablauf der Frist wird eine Klage zugelassen, wenn die Verspätung mit wichtigen Gründen entschuldigt wird (Art. 263 Abs. 3 ZGB).
Zufolge des Inkrafttretens des neuen Kindesrechts stellte sich unter anderem die Frage, wie mit den bisher bestehenden Zahlvaterschaften umzugehen sei. Zu diesem Zweck änderte oder erliess der Gesetzgeber mehrere Übergangsbestimmungen. Die Grundregel ist dabei im Art. 12 Abs. 1 Satz 1 SchlT ZGB zu sehen, wonach Entstehung und Wirkungen des Kindesverhältnisses im Grundsatz dem neuen Recht unterstehen. Konkret im Zusammenhang mit Zahlvaterschaften steht Art. 13a Abs. 1 SchlT ZGB. Diese Bestimmung enthält folgende Regelung: Ist vor Inkrafttreten des neuen Rechts durch gerichtliche Entscheidung oder durch Vertrag eine Verpflichtung des Vaters zu Vermögensleistungen begründet worden (bestand also eine Zahlvaterschaft) und hat das Kind beim Inkrafttreten des neuen Rechts das zehnte Altersjahr noch nicht vollendet (war also nach dem 31.12.1967 geboren), so kann es binnen zwei Jahren (also bis zum 31.12.1979) nach den Bestimmungen des neuen Rechts auf Feststellung des Kindesverhältnisses klagen. Für den Fall einer Vaterschaftsklage ging das Gesetz von der Vermutung aus, dass der Zahlvater der biologische Vater des Kindes war. In diesem Sinn oblag nicht dem Kind der Beweis der Vaterschaft, sondern es war der Zahlvater, der beweisen musste, dass seine Vaterschaft ausgeschlossen oder weniger wahrscheinlich ist als diejenige eines Dritten (Art. 13a Abs. 2 SchlT ZGB). Damit wurden die altrechtlich begründeten Zahlvaterschaften nicht ipso iure in Vaterschaften mit Standesfolge oder neurechtliche Kindesverhältnisse übergeleitet. Hat das Kind nicht auf Feststellung des (neurechtlichen) Kindesverhältnisses geklagt, bleibt das Rechtsverhältnis zwischen Vater und Kind auf die Wirkungen der Zahlvaterschaft beschränkt, besteht folglich kein (rechtliches) Kindesverhältnis, gilt das Kind demzufolge rechtlich gesehen nicht als Nachkomme und hat dementsprechend kein (pflichtteilsgeschütztes) Erbrecht.
Jedes Eltern-Kind-Verhältnis war damals und ist heute im Personenstandsregister einzutragen (Art. 7 Abs. 2 lit. l und Art. 8 lit. l ZStV. Dem Eintrag kommt indes keine konstitutive, sondern rein deklaratorische Wirkung zu.
Bei der Vaterschaftsklage handelt es sich um eine Gestaltungsklage, die im Fall der Gutheissung das Rechtsverhältnis zwischen Vater und Kind verbindlich gestaltet und dieses rückwirkend auf die Geburt des Kindes hin begründet; insofern kommt dem Urteil im Vaterschaftsprozess konstitutive Wirkung zu. Die Wirkung eines gestaltenden Urteils kann - anders etwa als die Feststellung der biologischen Vaterschaft - seiner Natur nach nicht im Rahmen der Beantwortung von (rechtlichen) Vorfragen herbeigeführt werden, sondern nur mittels der im Gesetz hierfür vorgesehenen Mittel.
Die jüngere Rechtsprechung hat Vaterschaftsklagen, die von Personen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Kindesrechts (d.h. am 01.01.1978) das zehnte Altersjahr bereits vollendet hatten, nach Ablauf der in Art. 13a Abs. 1 SchlT ZGB genannten zweijährigen Frist erhoben wurden, nicht gestützt auf die genannte Übergangsbestimmung abgewiesen, sondern an die Hand genommen und nach Massgabe des (neurechtlichen) Art. 263 Abs. 3 ZGB geprüft, ob die Verspätung mit wichtigen Gründen entschuldigt wird.
03/24
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_823/2023
Die Frist zur Ausschlagung der Erbschaft beträgt drei Monate und kann von der zuständigen Behörde aus wichtigen Gründen verlängert werden. Durch die Fristverlängerung oder Fristwiederherstellung gemäss Art. 576 ZGB soll eine übermässige Härte vermieden werden und dem Erben ermöglichen, seine Entscheidung sachkundig zu treffen, wenn er innerhalb der ordentlichen Ausschlagungsfrist daran gehindert ist. Art. 576 ZGB kann jedoch nicht angerufen werden, um eine Nachlässigkeit des betroffenen Erben wiedergutzumachen oder eine Annahmeentscheidung, die sich nachträglich als falsch herausstellt, zu korrigieren. Ebenso schliesst eine Einmischungshandlung des Erben (Art. 571 Abs. 2 ZGB) die Anwendbarkeit von Art. 576 ZGB aus. Die Verlängerung oder Wiederherstellung der Frist erfordert den Nachweis eines wichtigen Grunds, der nach Art. 4 ZGB zu beurteilen ist. Ein Erbe kann sich nur dann auf wichtige Gründe berufen, wenn er alle Massnahmen ergriffen hat, die von ihm zur Klärung der Situation erwartet werden konnten. Bei der Interessenabwägung muss die zuständige Behörde die Interessen der Erbschaftsgläubiger berücksichtigen. Ein wichtiger Grund kann z.B. vorliegen, wenn ein Erbe in einem Land mit schwieriger Kommunikation wohnt oder Spannungen innerhalb der Erbengemeinschaft bestehen, die es einem Erben verunmöglichen, einen klaren Überblick über den Nachlass zu erhalten. Zudem kann die persönliche Situation des Erben (Krankheit, hohes Alter), die grosse Komplexität der Erbschaft oder die späte Mitteilung bedeutender Schulden einen wichtigen Grund darstellen. Die Frage, ob ein wichtiger Grund vorliegt, hängt davon ab, was der betroffene Erbe während der ordentlichen Ausschlagungsfrist unternommen hat oder hätte unternehmen können, um den Bestand der Erbschaft zu erkennen. Dabei müssen die räumliche und persönliche Nähe zum Erblasser, die familiären Bindungen, die Komplexität der Vermögenslage des Erblassers sowie die persönlichen Umstände des Erben berücksichtigt werden. Für die Beurteilung spielt die Möglichkeit, die Situation z.B. durch ein öffentliches Inventar besser zu klären, eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, den Stand aller Verbindlichkeiten durch Untersuchungen festzustellen, nicht jedoch, wenn das Ergebnis eines bestimmten Verfahrens abgewartet werden muss.
03/24
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF240022
Die Prozessführung ist von einer generellen Vollmacht in der Regel nicht umfasst. An die Spezifizierung einer Prozessvollmacht werden wegen ihrer Tragweite strenge Anforderungen gestellt; sie muss eine Vollmacht sein, die über den Willen des Auftraggebers, sich in einem bestimmten Prozessverfahren vertreten zu lassen, keinen Zweifel lässt.
03/24
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF230084
Willensvollstrecker stehen, soweit der Erblasser nichts anderes verfügt, in den Rechten und Pflichten des amtlichen Erbschaftsverwalters (Art. 518 Abs. 1 ZGB). Danach ist der Erbschaftsverwalter bzw. Willensvollstrecker der Behördenaufsicht unterworfen (Art. 518 Abs. 1 ZGB in Verbindung mit Art. 595 Abs. 3 ZGB). Die Erben sind befugt, bei dieser Behörde gegen die vom Erbschaftsverwalter bzw. Willensvollstrecker getroffenen oder beabsichtigten Massregeln Beschwerde zu erheben. Spricht das Zivilgesetzbuch von einer Behörde, bestimmen die Kantone, welche Gerichts- oder Verwaltungsbehörde sie als zuständig bezeichnen wollen (Art. 54 Abs. 2 SchlT ZGB). Dabei regeln die Kantone auch das Verfahren, soweit nicht die ZPO anwendbar ist (Art. 54 Abs. 3 SchlT ZGB). Im Kanton Zürich beurteilt das Einzelgericht Beschwerden und Anzeigen gegen Willensvollstreckerinnen und Willensvollstrecker (§ 139 Abs. 2 GOG). Das Einzelgericht eröffnet solche Verfahren nicht von Amtes wegen, sondern nur auf Anstoss von Betroffenen oder Dritten. Das Einzelgericht wendet dabei die Bestimmungen des summarischen Verfahrens analog an (§ 142a in Verbindung mit § 139 Abs. 2 GOG). Das vorliegende Rechtsmittel richtet sich gegen einen erstinstanzlichen Aufsichtsbeschwerdeentscheid. Solche Entscheide können innert zehn Tagen seit ihrer Mitteilung beim Obergericht angefochten werden. Dabei sind die Art. 319 ff. ZPO sinngemäss anwendbar (Art. 54 SchlT ZGB in Verbindung mit § 139 Abs. 2, § 85 und § 84 GOG). Die Bestimmungen von Art. 319 ff. ZPO gelten dabei für das aufsichtsrechtliche Rechtsmittelverfahren als kantonales Recht. Entgegen der vorinstanzlichen Rechtsmittelbelehrung konnte die vorliegend relevante Verfügung somit nicht mit Berufung (Art. 308 ff. ZPO), sondern nur mit Beschwerde (Art. 319 ff. ZPO) angefochten werden. Aus einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung darf einer Partei kein Nachteil erwachsen, soweit sie sich nach Treu und Glauben darauf verlassen durfte. Es gilt in einem solchen Fall grundsätzlich Vertrauensschutz. Keinesfalls vermag allerdings eine falsche Rechtsmittelbelehrung ein vom Gesetzgeber im betreffenden Fall nicht vorgesehenes Rechtsmittel zu schaffen.
Die Willensvollstreckerbeschwerde richtet sich gegen getroffene, unterlassene oder beabsichtigte Handlungen des Willensvollstreckers. Mit der Willensvollstreckerbeschwerde können dabei auch Ermessensentscheide des Willensvollstreckers angefochten werden. Allerdings beschränkt sich die Überprüfungsbefugnis der Aufsichtsbehörde auf das formelle Vorgehen des Willensvollstreckers. Demgegenüber darf die Aufsichtsbehörde materiellrechtliche Fragen nicht behandeln. Dafür ist das Zivilgericht zuständig. Die Aufsicht über Willensvollstrecker ist eine Angelegenheit der sogenannt freiwilligen Gerichtsbarkeit. Das Gericht stellt hier den Sachverhalt von Amtes wegen fest (§ 83 Abs. 3 GOG; Art. 255 lit. b ZPO).
Der Erlass einer vorsorglichen Massnahme setzt gemäss Art. 261 Abs. 1 ZPO einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund voraus. Zudem muss die anzuordnende Massnahme dringlich und verhältnismässig sein. Ein Verfügungsanspruch besteht immer dann, wenn das materielle Recht dem Massnahmegesuchsteller einen Anspruch gegenüber dem -gesuchsgegner verleiht. Entsprechend war vorliegend zu prüfen, ob der Willensvollstrecker gegen seine Pflichten verstossen hat.
Mit dem Tode des Erblassers erwerben die Erben kraft Gesetzes die Erbschaft als Ganzes (Art. 560 Abs. 1 ZGB). Die Forderungen, das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte und der Besitz des Erblassers gehen grundsätzlich ohne weiteres auf die Erben über (Art. 560 Abs. 2 Halbsatz 1 ZGB). Auf diese Weise erlangen die Erben auch das Eigentum an den Gesellschaftsanteilen des Erblassers. Zugleich werden die Schulden des Erblassers zu persönlichen Schulden der Erben (Art. 560 Abs. 2 ZGB). Mehrere Erben werden via Universalsukzession zu Gesamteigentümern und Gesamtbesitzern der Erbschaftsgegenstände (Art. 602 Abs. 2 ZGB). Die Universalsukzession bildet zwingendes Recht und kann durch den Erblasser weder testamentarisch noch erbvertraglich wegbedungen werden. Die Universalsukzession bildet zwingendes Recht und kann durch den Erblasser weder testamentarisch noch erbvertraglich wegbedungen werden. Indessen werden die erbberechtigten Personen nicht erst nach der güterrechtlichen Auseinandersetzung zu Erben.
Eine Aktiengesellschaft ist als juristische Person Trägerin eigener Vermögens-, Forderungs-, Sachen- und Immaterialgüterrechte. Das Gesellschaftsvermögen kann daher rein formell betrachtet nicht direkt mit dem Nachlassvermögen gleichgesetzt werden. Indessen widerspiegelt sich dieses Gesellschaftsvermögen im Aktienwert und bestimmt so wirtschaftlich die Nachlasshöhe. Transaktionen im Gesellschaftsvermögen wirken sich mit anderen Worten indirekt auf den Nachlass aus und sind damit erbrechtlich relevant.
Einem Willensvollstrecker fehlt jede Kompetenz, um einem bestimmten Erben gegen den Willen seiner Miterben verbindlich einzelne Nachlassgegenstände zu übertragen. Nicht einmal der Erblasser selbst kann dem Willensvollstrecker eine solche Teilungsbefugnis zuweisen. Der Willensvollstrecker hat vielmehr für die Erhaltung des Nachlasses zu sorgen. Er darf das Vermögen des Erblassers nicht grundlegend umschichten, sondern muss dieses den Erben soweit möglich in natura überlassen. Die Naturalteilung geht – soweit ohne wesentlichen Wertverlust durchführbar – einer Versilberung stets vor. Bloss zur Abwehr eines drohenden Schadens darf der Willensvollstrecker die nötigen Sicherungsvorkehren treffen und beispielsweise verderbliche Ware oder risikobehaftete Wertpapiere verkaufen.
Soweit vorliegend die Veräusserung bzw. die Belastung von Liegenschaften in Frage steht, fallen diese nicht direkt, sondern bloss über die Aktiengesellschaft (AG) in den Nachlass. Die AG ist eine juristische Person, deren Verwaltungsratspräsident der Beschwerdeführer ist. Wird eine Gesellschaft oder werden Gesellschaftsanteile vererbt, übt der Willensvollstrecker die Mitgliedschaftsrechte aus. Bei Inhaberaktien ergibt sich die Stimmberechtigung des Willensvollstreckers aus dem Besitz, bei Namenaktien aus seiner exklusiven Vertretungs- und Verfügungsmacht.
Der Willensvollstrecker muss bei seinem Wirken Interessenkonflikte vermeiden. Ein solcher Interessenkonflikt ist namentlich dann anzunehmen, wenn der Willensvollstrecker entweder selbst Aktionär und/oder Verwaltungsrat der vererbten Gesellschaft ist. Vorliegend ist der Beschwerdeführer neben seiner Funktion als Willensvollstrecker auch Erbe und Aktionär sowie Verwaltungsratspräsident der AG. Er übt m.a.W. gleich vier Rollen in einer Person aus. Dass sich eine solche Rollenkumulation mit dem Amt eines Willensvollstrecker nur schwer vereinbaren lässt, liegt auf der Hand.
Dauert die Erbteilung voraussichtlich länger, kann der Willensvollstrecker den Erben auf Anrechnung an ihre Erbteile Vorschüsse ausrichten. Diese Abschlagszahlungen dürfen die Erbteilung indessen nicht präjudizieren. Im Sinne einer Gleichbehandlung sind die Vorschüsse an alle Erben gleichzeitig und im Verhältnis zu ihren jeweiligen Erbteilen zu leisten. Überdies muss sichergestellt sein, dass das restliche Nachlassvermögen alle weiteren nachlassbezogenen Kosten, Auslagen und Steuern bis zur definitiven Erbteilung abdeckt.
Willensvollstrecker dürfen nicht frei entscheiden, ob sie Nachlässe schätzen lassen möchten oder nicht. Bei grösseren Nachlässen und wenn bis zu deren Teilung voraussichtlich eine längere Zeit verstreichen wird, muss der Willensvollstrecker stets den Wert der Nachlassgegenstände durch eine fachkundige und unabhängige Person bestimmen lassen. Auf eine solche Schätzung darf der Willensvollstrecker nur mit Zustimmung aller Erben verzichten.
Der Erlass vorsorglicher Massnahme setzt weiter einen Verfügungsgrund voraus. Der gesuchstellenden Partei muss aus der Verletzung ihres Anspruchs ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil drohen. Dies ist immer dann anzunehmen, wenn der Nachteil später möglicherweise nicht mehr ermittelt, bemessen oder ersetzt werden kann. Ob die Störung am Ende mit Geld entschädigt werden kann, spielt keine Rolle. Vielmehr kann auch eine erschwerte Vollstreckung einen nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken.
Willensvollstreckerbeschwerden verfolgen einen wirtschaftlichen Zweck, weshalb ihnen ein Streitwert beizumessen ist. Bei der Bestimmung des Streitwertes einer Willensvollstreckerbeschwerde ist praxisgemäss auf das subjektive Streitinteresse abzustellen.
03/24
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich PF240013
Gemäss Art. 193 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG hat die zuständige Behörde das Konkursgericht zu benachrichtigen, wenn alle nächsten gesetzlichen Erben die Erbschaft ausgeschlagen haben. In diesen Fällen hat das Gericht die konkursamtliche Liquidation anzuordnen (Art. 573 Abs. 1 ZGB und Art. 193 Abs. 2 SchKG). Die Konkurseröffnung über die Erbschaft ist – bei der Ausschlagung durch sämtliche nächsten Erben – selbst dann auszusprechen, wenn keine Überschuldung der Erbschaft vorliegt.
03/24
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich PF230062
Die Ausschlagungserklärung nach Art. 566 Abs. 1 ZGB hat gegenüber der zuständigen Behörde – im Kanton Zürich das Einzelgericht am letzten Wohnsitz des Erblassers zu erfolgen, welche sie zu prüfen und darüber Protokoll zu führen hat. Die Protokollierung der Ausschlagungserklärung ist ein Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit und im Kanton Zürich im summarischen Verfahren laut ZPO zu behandeln. Nach langjähriger, gefestigter Praxis trägt die im Rahmen der Protokollierung der Ausschlagung entstehenden Kosten die Person, welche die Ausschlagung erklärt hat. Dies ist gerechtfertigt, ruft die ausschlagende Person die Behörden doch im eigenen Interesse an, etwa zur Verhinderung der gesetzlichen Haftung für allfällige Schulden des Erblassers. Nach § 8 Abs. 3 GebV OG ist die Gerichtsgebühr nach dem Interessewert und dem Zeitaufwand des Gerichts festzusetzen und bewegt sich in nichtstreitigen Erbschaftsangelegenheiten in der Regel im Rahmen von Fr. 100 bis Fr. 7'000.
03/24
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF240016
Die Willensvollstreckerin ist zur Erhebung von Rechtsmitteln gegen Testamentseröffnungsverfügungen und Erbbescheinigungen indes nur legitimiert, soweit es um ihre Einsetzung, Stellung oder Funktion als Willensvollstrecker geht. Nicht Aufgabe der Willensvollstreckerin ist es, das Erbrecht allfälliger Erbberechtigter geltend zu machen bzw. für die korrekte Umsetzung des Erbrechts besorgt zu sein.
03/24
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF240024
Testamente werden vom Einzelgericht in einem nicht streitigen, summarischen Verfahren eröffnet. Sinn und Zweck der Testamentseröffnung ist, den Verfügungsinhalt bekanntzugeben. Dazu hat das Eröffnungsgericht die Erben zu ermitteln, damit sie von der letztwilligen Verfügung Kenntnis nehmen und in der Folge ihre Rechte wahren können. Dabei hat es eine vorläufige Prüfung und Auslegung des Testaments vorzunehmen und im Hinblick auf die an die eingesetzten Erben auszustellende Erbbescheinigung insbesondere zu bestimmen, wer nach dem Wortlaut des Testaments prima facie als Berechtigter zu gelten hat. Diese Auslegung hat aber immer nur provisorischen Charakter und keine materiell-rechtliche Wirkung. Über die formelle und materielle Rechtsgültigkeit einer letztwilligen Verfügung und die definitive Ordnung der materiellen Rechtsverhältnisse befindet das Eröffnungsgericht somit nicht; dies bleibt im Streitfall dem anzurufenden ordentlichen Zivilgericht vorbehalten. Das Obergericht prüft nach ständiger Praxis lediglich, ob das Einzelgericht bei der Testamentseröffnung im beschriebenen beschränkten Rahmen zutreffend vorgegangen ist.
02/24
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 4A_634/2023
Nach Art. 49 SchKG kann die Erbschaft, solange die Teilung nicht erfolgt, eine vertragliche Gemeinderschaft nicht gebildet oder eine amtliche Liquidation nicht angeordnet ist, in der auf den Verstorbenen anwendbaren Betreibungsart an dem Ort betrieben werden, wo der Erblasser zur Zeit seines Todes betrieben werden konnte. Wenn sich die Betreibung gegen den „ungeteilten Nachlass“ richtet, gilt die Sonderregelung (lex specialis) von Art. 49 SchKG, welche den allgemeinen Regeln des Zivilgesetzbuches vorgeht. Auf dieser Grundlage ist die Erbengemeinschaft, obwohl sie keine Rechtspersönlichkeit besitzt, partei- und prozessfähig und wird in diesem Fall als Partei betrachtet. Wenn die Erbengemeinschaft als solche auf der Grundlage von Art. 49 SchKG betrieben werden kann, muss ihr zwangsläufig auch die Parteistellung im Rechtsöffnungsverfahren zuerkannt werden. Dies gilt auch dann, wenn ein Willensvollstrecker eingesetzt worden ist.
02/24
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF230078
Die Testamentseröffnung gemäss Art. 556 ff. ZGB gehört zu den Sicherungsmassregeln des Erbgangs. Es handelt sich um eine vorsorgliche Massnahme. welche erstinstanzlich vom Einzelgericht in einem nicht streitigen, summarischen Einparteienverfahren und zweitinstanzlich gemäss ständiger Praxis der Kammer kontradiktorisch durchgeführt wird. Der Einlieferungspflicht unterliegen alle Dokumente, die nach ihrem Inhalt als letztwillige Verfügungen erscheinen. Form oder Bezeichnung sind dabei nicht entscheidend, sondern vielmehr der Inhalt als Willenserklärung des Erblassers, durch welche er für den Fall seines Todes Vermögensverfügungen trifft. Im Zweifelsfalle ist die Einlieferungspflicht weit zu fassen und sind alle Willenserklärungen einzureichen. Neben Testamenten können andere Dokumente durchaus auch dieser Einlieferungspflicht unterliegen. Erbverträge sind beispielsweise gemäss herrschender Lehre dann auch einlieferungspflichtig, wenn sie testamentarische, d.h. einseitig widerrufbare Verfügungen der verstorbenen Vertragspartei enthalten. Analog ist grundsätzlich denkbar, dass solche Klauseln auch in einer Generalvollmacht festgehalten wurden.
Wichtiges Kriterium für die Abgrenzung, ob eine Verfügung von Todes wegen vorliegt oder aber ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, ist der Zeitpunkt, auf welchen das Rechtsgeschäft seine Wirkung entfalten soll. Ein Testament ist die einseitige, jederzeit widerrufbare, nicht empfangs- aber formbedürftige Erklärung des letzten Willens. Sie zeichnet sich durch ihre Höchstpersönlichkeit aus. Bei der letztwilligen Verfügung entsteht die Verpflichtung grundsätzlich erst mit dem Tod des Erblassers. Bei einer transmortalen Generalvollmacht hingegen handelt es sich um ein einseitiges, empfangsbedürftiges, vom Grundverhältnis losgelöstes Rechtsgeschäft, das dem Bevollmächtigten die Befugnis verschafft, den Vollmachtgeber Dritten gegenüber in sämtlichen Geschäften zu vertreten, und zwar auch über dessen Tod hinaus. Sie kann grundsätzlich formfrei erteilt werden. Da ihre Wirkung schon zu Lebzeiten des Vollmachtgebers besteht, handelt es sich grundsätzlich um ein Rechtsgeschäft unter Lebenden. Unerlässliche Voraussetzung für das Vorliegen einer letztwilligen Verfügung ist der animus testandi, also der Wille des Erblassers, über sein eigenes Vermögen nach dem Tod zu verfügen. Damit eine Verfügung von Todes wegen überhaupt entstehen kann, muss der Erblasser den Willen haben, auf seinen Todesfall zu verfügen und er muss diesen Willen äussern. Der Verfügungs- bzw. Testierwille stellt eine Erscheinungsform des für die Begründung eines Rechtsgeschäfts notwendigen Geschäftswillens, also des Willens zur Herbeiführung bzw. Gestaltung einer Rechtsfolge dar. Fehlt es an diesem Verfügungswillen überhaupt, weil er beispielsweise gar nie vorhanden war, liegt keine Verfügung von Todes wegen vor.
Der Testierwille muss aus dem Testament selber, d.h. aus seinem Wortlaut, hervorgehen. Ergibt der Wortlaut für sich selber betrachtet kein eindeutiges Ergebnis bzw. sind die testamentarischen Anordnungen unklar und so formuliert, dass sie ebenso gut im einen wie im andern Sinn verstanden werden können, darf das Gericht die vom Erblasser verwendeten Formulierungen unter Berücksichtigung des Testamentes als Ganzes auslegen. Es kann auch ausserhalb der Testamentsurkunde liegende Elemente (Externa) zur Auslegung heranziehen, aber nur soweit, als dadurch eine im Text enthaltene Angabe geklärt oder erhärtet und der in gesetzlicher Form manifestierte Wille des Erblassers dadurch erhellt wird. Durch die Auslegung darf nichts in die Verfügung hineingelesen werden, was gar nicht darin enthalten ist. Es gilt die Vermutung, dass Gewolltes und Gesagtes übereinstimmen. Der Wortlaut ist primäres Auslegungsmittel, zusammen mit dem systematischen Zusammenhang, der "inneren Logik" bzw. der erkennbaren "Leitidee" der Anordnung.
Wer sich auf einen vom objektiv verstandenen Sinn und Wortlaut abweichenden Willen des Erblassers beruft, ist beweispflichtig und hat entsprechende Anhaltspunkte konkret nachzuweisen. Die Erben oder andere Bedachte haben keinen Anspruch auf Schutz ihres Verständnisses der letztwilligen Verfügung; es kommt mit andern Worten nicht darauf an, wie sie die Erklärung des Erblassers verstehen durften und mussten, sondern einzig darauf, was die Erblasserin mit ihrer Äusserung sagen wollte.
Im vorliegenden Fall liess sich aus einer transmortalen Generalvollmacht kein Testierwille ableiten.
01/24
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_529/2023
Die Ernennung eines Erbenvertreters, die Aufsicht über die Erfüllung dessen Auftrags sowie der Widerruf stellen Sicherungsmassnahmen und entsprechend vorsorgliche Massnahmen i.S.v. Art. 98 BGG dar.
01/24
Erbrecht | Urteil des Obergerichts das Kantons Zürich PF230045
Auf Begehren eines Miterben kann die zuständige Behörde für die Erbengemeinschaft eine Erbenvertretung bestellen (Art. 602 Abs. 3 ZGB). Dabei regeln die Kantone die zuständige Behörde und – mangels Regelung in der ZPO – das Verfahren (Art. 54 SchlT ZGB). Im Kanton Zürich ist das Einzelgericht für die Bestellung des Erbenvertreters und die Aufsicht über denselben zuständig (§ 137 lit. h und § 139 Abs. 1 GOG). Zudem setzt das Einzelgericht die Entschädigung des Erbenvertreters fest (§ 139 Abs. 1 GOG). Dabei kann das Einzelgericht auch Kostenvorschüsse für die Leistung der Erbenvertreterin erheben resp. gewähren, sobald diese beigezogen wird. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung handelt es sich bei Anordnungen über die Erbenvertretung um vorsorgliche Massnahmen, welche im summarischen Verfahren zu behandeln sind (Art. 248 lit. d ZPO). Dies gilt auch für Entscheide im Zusammenhang mit diesem Amt, so insbesondere für die Festsetzung des Honorars. Das Einzelgericht entscheidet in seiner Funktion als Aufsichtsbehörde auch über die Entschädigung der Erbenvertretung. Das aufsichtsrechtliche Rechtsmittelverfahren richtet sich nach §§ 83 und 84 GOG (§ 85 GOG). Es gilt, die einfache Untersuchungsmaxime (vgl. § 83 Abs. 3 GOG ZH). Wie bei der Verhandlungsmaxime ist der Prozessstoff von den Parteien selbst zu beschaffen; sie müssen das Gericht über den Sachverhalt informieren und dazu die Beweismittel nennen. Das Gericht ist jedoch einer erhöhen Fragepflicht unterworfen, wobei es sich zurückhalten kann und muss, wenn eine Partei anwaltlich vertreten ist. Die Aufsichtsbehörde ist nicht an die Beschwerdeanträge gebunden.
Wie erwähnt, zählt die Festlegung der Entschädigung zu den Aufgaben der Aufsichtsbehörde der Erbenvertretung. Dazu gehört das Prüfen und Zusprechen von Vorschüssen. Die Aufsichtsbehörde hat dabei die inhaltliche Kontrolle restriktiv vorzunehmen und erst einzuschreiten, wenn die Erbenvertreterin die ihr gesetzten gesetzlichen und verfassungsmässigen Schranken missachtet, insbesondere ihren erheblichen Ermessensspielraum sprengt und damit das Willkürverbot verletzt.
Bei Vorschusszahlungen handelt es sich sodann (im Unterschied zu Akontozahlungen) um eine bedingte Vorauszahlung des Honorars für Leistungen, die noch nicht erbracht wurden. So beinhaltet eine allfällige Vorschussleistung auch keine konkludente Anerkennung späterer Honorarforderungen oder Ansprüche der Beauftragten. Im Umstand, dass die Vorinstanz eine Ermächtigung erteilte, einen Betrag als Vorschuss zu beziehen, ist keine Rechtsverletzung zu erblicken. Die Entschädigung der Erbenvertretung ist grundsätzlich eine Schuld des Nachlasses.
Im Rahmen einer Aufsichtsbeschwerde kann die Aufsichtsbehörde lediglich das formelle Vorgehen des Willensvollstreckers, die persönliche Eignung des Willensvollstreckers sowie die pflichtgemässe Amtsführung und deren Zweckmässigkeit prüfen. Materielle Rechtsfragen können demgegenüber von der Aufsichtsbehörde nicht entschieden werden. Soweit es um die Klärung solcher Fragen geht, haben die Parteien den ordentlichen Prozessweg zu beschreiten. In Bezug auf die Honoraransprüche bedeutet dies, dass die Aufsichtsbehörde keine detaillierte Prüfung vornehmen kann. Sie kann beispielsweise kontrollieren, ob die Erbenvertretung formell richtig abgerechnet hat, ob ihre behaupteten Tätigkeiten für den Nachlass in den Abrechnungen vollständig aufgeführt sind. Sind sich die Erben und Erbenvertretung jedoch in Bezug auf die Höhe des Stundenansatzes oder die Notwendigkeit des verrechneten Aufwandes uneinig, müssen sie ihre Differenzen im Rahmen eines ordentlichen Zivilprozesses klären. Wenn überhaupt, kann die Aufsichtsbehörde lediglich bei krass übersetzten Honorarforderungen eingreifen. Das Aufsichtsverfahren bezweckt nicht, die Grundlage für einen Honorarstreit oder einen Verantwortlichkeitsprozess zu schaffen.
Die Vergütung der Erbenvertreterin muss angemessen sein. Die Höhe des Stundenansatzes kann von der Schwierigkeit der Aufgabe abhängig gemacht werden, welche sich u.a. aus der Kompliziertheit der Verwandtschafts- oder Vermögensverhältnisse ergibt. Zudem kann die Verantwortung der Erbenvertreterin, welche in erster Linie vom Wert des zu verwaltenden Nachlasses abhängt, berücksichtigt werden, indem z.B. ein pauschaler Zuschlag hinzugerechnet oder ein höherer Stundenansatz gewählt wird. Sind schliesslich Spezialkenntnisse, etwa im Bereich Recht oder Vermögensverwaltung erforderlich, dann rechtfertigt sich ebenfalls ein höherer Stundenansatz.
01/24
Erbrecht | Urteil des Obergerichts das Kantons Zürich LF230038
Die Testamentseröffnung gemäss Art. 556 ff. ZGB gehört zu den Sicherungsmassregeln des Erbgangs (Titel vor Art. 551 ZGB). Es handelt sich um eine vorsorgliche Massnahme, welche die Bekanntgabe des Verfügungsinhalts bezweckt. Zudem soll den anwesenden Personen eine Kontrollmöglichkeit eingeräumt werden, sich vom Inhalt und Zustand der Urkunde selbst ein Bild machen zu können, z.B. betreffend Prüfung von Streichungen oder Einschiebungen, Echtheit des Dokuments oder Erfüllung der gesetzlichen Formerfordernisse. Die Testamentseröffnung wird erstinstanzlich vom Einzelgericht in einem nicht streitigen, summarischen Einparteienverfahren durchgeführt. Vor der Rechtsmittelinstanz wird ein solches Verfahren gemäss ständiger Praxis der Kammer kontradiktorisch geführt.
Im Testamentseröffnungsverfahren sind grundsätzlich alle der Einlieferungspflicht unterliegenden Verfügungen zu eröffnen; nach ausdrücklicher Gesetzesvorschrift von Art. 556 Abs. 1 i.V.m. Art. 557 Abs. 3 ZGB auch jene, die von der Behörde als formungültig oder nichtig erachtet werden. Die Behörde hat dabei eine Prüfungspflicht, ob alle eingelieferten Dokumente nach ihrem Inhalt (und nicht nach ihrer Bezeichnung oder Form) als eröffnungsfähige Willenserklärungen des Erblassers von Todes wegen erscheinen und wer prima facie als Berechtigter daraus hervorgeht. Prima facie bedeutet, dass die Verfügung von Todes wegen summarisch geprüft wird und zwar "par simple lecture du texte, en recherchant le sens évident de celui-ci".
Bei dieser Prüfung handelt es sich um eine vorläufige, unpräjudizielle Prüfung ohne materiellrechtliche Wirkung. Im Zweifelsfall sind Dokumente zu eröffnen, damit die am Nachlass Beteiligten die Möglichkeit haben, ihre Rechte vor dem ordentlichen Gericht geltend zu machen. Die eröffnende Behörde hat darüber hinaus eine Pflicht zur Erbenermittlung durch die ihr zur Verfügung stehenden Mittel. In diesem Rahmen hat sie auch über die Zuordnung von Nachträgen zu einem Testament summarisch zu entscheiden, zumal dies für die Erbenermittlung wesentlich sein kann.
Über die formelle und materielle Rechtsgültigkeit einer letztwilligen Verfügung und die definitive Ordnung der materiellen Rechtsverhältnisse befindet das Eröffnungsgericht nicht. Dies bleibt im Streitfall dem anzurufenden ordentlichen Zivilgericht vorbehalten. Die Kammer prüft nach ständiger Praxis lediglich, ob das Einzelgericht bei der Testamentseröffnung im beschriebenen beschränkten Rahmen zutreffend vorgegangen ist.
01/24
Erbrecht | Urteil des Obergerichts das Kantons Zürich LF230081
Bei der Eröffnung letztwilliger Verfügungen handelt es sich um eine erbrechtliche Sicherungsmassregel und das entsprechende Verfahren gehört zu den Angelegenheiten der freiwilligen bzw. nichtstreitigen Gerichtsbarkeit, welche der Kanton Zürich dem Einzelgericht im summarischen Verfahren zugewiesen hat. In zweiter Instanz wandelt sich das Testamentseröffnungsverfahren in eine vermögensrechtliche streitige Angelegenheit.
Bei der vorläufigen Qualifikation einer Partei als Erbin oder Vermächtnisnehmerin geht es nicht um eine Statusklage und ferner sind erbrechtliche Angelegenheiten naturgemäss vermögensrechtlicher Art, was auch für die erbrechtlichen Sicherungsmassregeln gilt.
Die Eröffnung nach Art. 557 ZGB bzw. die Mitteilung nach Art. 558 ZGB hat teilweise unterschiedliche Rechtsfolgen für einen Erben und einen Vermächtnisnehmer. So löst die Mitteilung nach Art. 558 ZGB für einen eingesetzten Erben u.a. die Ausschlagungsfrist nach Art. 567 Abs. 2 ZGB aus. Im Gegensatz dazu ist die Ausschlagungserklärung eines Vermächtnisnehmers an keine Frist gebunden. Eine Partei deshalb ein schutzwürdiges Interesse daran, dass über die Frage, ob sie vorsorglich als eingesetzte Erbin oder als Vermächtnisnehmerin zu qualifizieren ist, entschieden wird. Dies, obwohl dem Entscheid der eröffnenden Behörde keine materiell-rechtliche Wirkung zukommt.
Die Testamentseröffnung gemäss Art. 557 f. ZGB bedeutet, dass die Behörde vom Inhalt einer letztwilligen Verfügung Kenntnis nimmt und deren Inhalt den Betroffenen zur Kenntnis gibt. Ihr Zweck ist die Information über das Vorhandensein sowie den Inhalt des Testaments und die Einräumung einer Kontrollmöglichkeit an die Erben. Hierzu hat die Behörde insbesondere die Erben zu ermitteln, um diese gegebenenfalls vorzuladen. Ebenso sind alle übrigen Beteiligten zu eruieren, denen die Eröffnung gemäss Art. 558 ZGB mitzuteilen ist. Der Zweck dieser Information ist die Ermöglichung der Wahrung ihrer Rechte, ist die Eröffnung doch etwa fristauslösend für die Ungültigkeitsklage (Art. 521 ZGB), die Herabsetzungsklage (Art. 533 ZGB) und die Erbschaftsklage (Art. 600 ZGB) sowie die Mitteilung für die Einsprache (Art. 559 ZGB), die Ausschlagung für eingesetzte Erben (Art. 567 Abs. 2 ZGB) und die Verjährung der Vermächtnisklage (Art. 601 ZGB). Zudem hat die eröffnende Behörde eine vorläufige Prüfung und Auslegung des Testaments vorzunehmen und im Hinblick auf die nach Art. 559 ZGB an die eingesetzten Erben auszustellende Erbbescheinigung insbesondere zu bestimmen, wer prima facie als Berechtigter zu gelten hat. Bei der Auslegung ist in erster Linie zu ermitteln, was der Erblasser unter der im Testament enthaltenen Verfügung nach den konkreten Umständen subjektiv verstand und was er mit ihr wollte. Die eröffnende Behörde kann sich im Wesentlichen auf das Dokument bzw. den Inhalt des Testaments beschränken. Die Berücksichtigung ausserhalb der Testamentsurkunde liegender Beweismittel zur Ermittlung des wirklichen Willens des Erblassers erfolgt grundsätzlich erst durch das (im Streitfall angerufene) ordentliche Zivilgericht. Die Auslegung des Testaments durch die eröffnende Behörde basiert auf einer summarischen Prüfung und hat deshalb auch nur provisorischen Charakter; für das materielle Recht ist sie ohne Präjudiz und hat keine materiell-rechtliche Wirkung. Über die formelle und materielle Rechtsgültigkeit des Testaments und die definitive Ordnung der materiellen Rechtsverhältnisse befindet die eröffnende Behörde somit nicht; dies bleibt im Streitfall dem anzurufenden ordentlichen Zivilgericht vorbehalten. Da im Testamentseröffnungsverfahren somit grundsätzlich nicht über materielles Recht entschieden wird, prüft die Kammer nach ständiger Praxis im Rechtsmittelverfahren auch lediglich, ob das Einzelgericht bei der Testamentseröffnung in diesem beschränkten Rahmen zutreffend vorgegangen ist.
Wer Erbe ist, erbt die ganze Erbschaft oder einen Teil davon mit dem Tod des Erblassers als Universalsukzessor; ein Erbe wird folglich (Mit-)Inhaber der Vermögensrechte und haftet auch für die Schulden des Erblassers. Ein Vermächtnisnehmer hingegen erhält einen Vermögensvorteil nicht in Universal-, sondern in Singularsukzession. Ihm steht nur ein obligatorischer Anspruch gegenüber dem Beschwerten auf Übertragung der vermachten Vermögenswerte zu und er haftet nicht für die Erbschaftsschulden. Ob in einem konkreten Fall eine Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis vorliegt, ist im Einzelfall zu ermitteln. Massgeblich ist der Wille des Erblassers. Dabei ist der Wortlaut das primäre Auslegungsmittel, zusammen mit dem systematischen Zusammenhang, der "inneren Logik" bzw. der erkennbaren "Leitidee" der Anordnung.
Das Gesetz enthält in Art. 483 Abs. 2 ZGB die Vermutung, dass jede Verfügung, nach der ein Bedachter die Erbschaft insgesamt oder zu einem Bruchteil erhalten soll, als Erbeinsetzung zu betrachten ist. Wird allerdings der Reinnachlass nach Abzug der Schulden zugewendet, handelt es sich um ein Vermächtnis, da der Bedachte nicht für die Schulden haften soll. Die Vermutung der Erbeinsetzung kann jedoch widerlegt werden, da auch das Vermächtnis eines Bruchteils des Nachlasses möglich ist. Beim sogenannten Quotenlegat erhält der Bedachte eine bestimmte Quote von den nach Abzug der Schulden verbleibenden Aktiven. Es ist wichtig, das Quotenlegat ausdrücklich als solches zu bezeichnen, um eine Umdeutung nach Art. 483 Abs. 2 ZGB zu verhindern.
Auszugehen ist vom Wortlaut des Testaments, welchem ein Indizcharakter zukommt. Die Laien-Eigenschaft eines Erblassers ist insbesondere bei der Auslegung von juristischen Begriffen zu beachten ist, hat jedoch nicht zur Folge, dass die gesetzliche Vermutung von Art. 483 Abs. 2 ZGB nicht greift.
01/24
Erbrecht | Urteil des Obergerichts das Kantons Zürich LF230088
Findet sich beim Tode des Erblassers eine letztwillige Verfügung , so ist diese der Behörde unverweilt einzuliefern, und zwar auch dann, wenn sie als ungültig erachtet wird (Art. 556 Abs. 1 ZGB). Eingeliefert werden müssen alle Schriftstücke, die aufgrund ihres Inhaltes eine letztwillige Verfügung sein können. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich die Dokumente allenfalls widersprechen, sie ungültig oder nichtig erscheinen oder aufgehoben wurden. Im Zweifelsfall hat die Behörde die Eröffnung vorzunehmen, damit die am Nachlass Beteiligten die Möglichkeit haben, ihre Rechte vor dem ordentlichen Richter geltend zu machen.
Die Eröffnung eines Testaments ist ein Akt der freiwilligen, das heisst nichtstreitigen Gerichtsbarkeit. Es handelt sich dabei um keine "richterliche" Tätigkeit im engeren Sinn, sondern vielmehr um einen Akt administrativer Natur, also eine Art Verwaltungshandlung, deren Ausführung im Kanton Zürich den Einzelgerichten zugewiesen ist. Dabei gelangt das summarische Verfahren zur Anwendung. Die letztwillige Verfügung muss binnen Monatsfrist nach der Einlieferung von der zuständigen Behörde eröffnet werden (Art. 557 Abs. 1 ZPO). Die Testamentseröffnung nach Art. 556 ff. ZGB dient der Bekanntgabe des Testamentsinhaltes an die davon betroffenen Personen und der Einräumung einer Kontrollmöglichkeit an letztere, um sich vom Inhalt und Zustand der Urkunde selbst ein Bild zu machen. Wie das testamentseröffnende Gericht entscheidet auch die anschliessende Rechtsmittelinstanz nicht über den Bestand oder Nichtbestand von materiellen Rechten.
Im Rahmen des Testamentseröffnungsverfahrens ist nicht von Bedeutung, ob ein Schriftstück die formellen Gültigkeitsvoraussetzungen erfüllt.
Die Art. 519 ff. ZGB statuieren den Grundsatz der Anfechtbarkeit einer letztwilligen Verfügung: Eine mangelhafte Verfügung von Todes wegen ist erst dann ungültig, wenn sie auf Klage hin rechtskräftig für ungültig erklärt wurde; vorher ist sie als gültig zu betrachten. Wer der Ansicht ist, die eröffnete Verfügung von Todes wegen leide an einem materiellen oder formellen Mangel, muss eine Ungültigkeitsklage nach Art. 519 ff. ZGB erheben. Testamentsanfechtungen haben durch Einleitung eines Schlichtungsverfahrens beim Friedensrichteramt am letzten Erblasserwohnsitz zu geschehen.
Das Testamentseröffnungsgericht darf sich nicht zur (fehlenden) Gültigkeit einer bei ihm eingereichten letztwilligen Verfügung äussern. Andernfalls würde es sich die Kompetenz des ordentlichen Testamentsanfechtungsgerichts anmassen. Auch hat sich das Testamentseröffnungsgericht nicht mit der Frage zu befassen, welche Rechtswirkung einem Vorsorgeauftrag und einer Generalvollmacht zukommt. Beide stellen keine Testamente dar, weshalb sie nach dem Wortlaut von Art. 557 Abs. 1 ZGB ("[letztwillige] Verfügung des Erblassers") nicht zu eröffnen sind.
01/24
Erbrecht | Urteil des Obergerichts das Kantons Zürich LF230060
Bei einem im summarischen Verfahren ergangenen Entscheid betreffend erbrechtliche Sicherungsmassregeln beträgt die Berufungsfrist zehn Tage. Die Frist beginnt am Tag nach der Zustellung des begründeten Entscheids zu laufen. Wird der Entscheid von der Vorinstanz nachträglich berichtigt, ersetzt der neue Entscheid den ursprünglichen Entscheid im Umfang der Berichtigung. Die Rechtsmittelfrist beginnt mit der Zustellung des berichtigten Entscheids von Neuem zu laufen, dies aber nur in Bezug auf jene Punkte, die Gegenstand der Berichtigung bildeten. Bezüglich der Punkte, die von der Berichtigung nicht betroffen waren, beginnt keine neue Rechtsmittelfrist zu laufen.
12/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 1C_454/2022
Der Erbenvertreter bekleidet nach der Lehre und Rechtsprechung, ähnlich wie der Willensvollstrecker und der Erbschaftsverwalter, ein privatrechtliches und nicht ein staatliches Amt. Daran ändert nichts, dass im Kanton Zürich grundsätzlich die Notarin oder der Notar mit der Vertretung der Erbengemeinschaft beauftragt wird (vgl. § 138 Abs. 1 i.V.m. § 137 lit. h GOG/ZH), zumal auch andere geeignete Personen mit dieser Aufgabe betraut werden können (§ 138 Abs. 2 GOG/ZH).
Den Aufsichtsbehörden über die Erbenvertreter steht bloss eine beschränkte Überprüfungsbefugnis zu. Insbesondere nicht Gegenstand der Aufsichtstätigkeit bildet die Beantwortung materieller Rechtsfragen.
12/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts das Kantons Zürich LF230069
Möchte ein Erbe das Erbe ausschlagen, so ist die Ausschlagung vom Erben bei der zuständigen Behörde mündlich oder schriftlich zu erklären (Art. 570 Abs. 1 ZGB). Die Frist beträgt drei Monate und beginnt für die gesetzlichen Erben – soweit sie nicht nachweisbar erst später vom Erbfall Kenntnis erhalten haben – mit dem Zeitpunkt, da ihnen der Tod des Erblassers bekannt geworden ist (Art. 567 ZGB). Bei verbeiständeten Erben kommt es auf den Zeitpunkt der entsprechenden Kenntnis des gesetzlichen Vertreters an. Die Vorinstanz als zuständige Behörde hatte das Protokoll über die Ausschlagungserklärungen im Sinne von Art. 570 Abs. 3 ZGB zu führen. Dabei hat sie die Ausschlagungserklärungen entgegenzunehmen und zu protokollieren, ohne dass sie befugt wäre, die Gültigkeit – namentlich die Rechtzeitigkeit der eingereichten Ausschlagungserklärungen – zu prüfen. Nur ausnahmsweise, wenn die Verwirkung der Ausschlagungsbefugnis anerkannt oder offenkundig ist, darf die Protokollierung abgewiesen werden.
12/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts das Kantons Zürich PF230058
Die Kosten der (Prüfung und/oder Anordnung von) erbgangsichernden Massnahmen
(Art. 551 ff. ZGB) sowie jene der Erbenfeststellung sind Erbgangsschulden und als solche vom Nachlass zu tragen. Sämtliche gesetzlichen Erben haften dafür solidarisch (vgl. Art. 603 Abs. 1 ZGB, ferner Art. 639 Abs. 1 ZGB). Dies bedeutet, dass jeder einzelne Erbe für die Erfüllung der ganzen Schuld haftet (vgl. Art. 143 Abs. 1 OR). Der Gläubiger kann dabei nach seiner Wahl von allen Solidarschuldnern nur einen Teil oder das Ganze fordern (Art. 144 Abs. 1 OR). Der Staat kann als Gläubiger die Bezahlung dieser Kosten nach Art. 144 Abs. 1 OR vollumfänglich von einem Solidarschuldner seiner Wahl (d.h. von einem Erben) verlangen. Dem über seinen Anteil an den Kosten hinaus in Anspruch genommenen Erben steht der Rückgriff auf die Miterben offen. Vorbehalten sind allfällige rechtsgültige Ausschlagungserklärungen der Erben.
12/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts das Kantons Zürich LF230077
Der Willensvollstrecker ist zur Erhebung von Rechtsmitteln gegen Testamentseröffnungsverfügungen und Erbbescheinigungen nur legitimiert, soweit es um seine Einsetzung, Stellung oder Funktion als Willensvollstrecker geht. Nicht Aufgabe des Willensvollstreckers ist es, das Erbrecht allfälliger Erbberechtigter geltend zu machen bzw. für die korrekte Umsetzung des Erbrechts besorgt zu sein.
Die Erben eines Vorerben sind verpflichtet, beim Tod des Vorerben die Erbschaft den Nacherben herauszugeben. Das Nacherbschaftsinventar dient dazu, die Übergabe der Nacherbschaft zu gewährleisten. Die Nacherben können ihre Stellung als Nacherben bescheinigen lassen. Im Nachlass des Vorerben sind die Nacherben aber nicht berechtigt, so dass ihnen im Nachlass des Vorerben keine Erbbescheinigung ausgestellt werden kann.
12/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts das Kantons Zürich LF230064
Die Testamentseröffnung (Art. 556 ff. ZGB) – in deren Rahmen das Testament ausgelegt wird – gehört zu den Sicherungsmassregeln des Erbgangs. Es handelt sich dabei um eine vorsorgliche Massnahme. Zuständig ist das Einzelgericht im summarischen Verfahren.
Zum Ergreifen eines Rechtsmittels legitimiert sind in erster Linie die Parteien. Dritte sind legitimiert, wenn der erstinstanzliche Entscheid ihre Rechte verletzt. Die Willensvollstreckerin ist zur Erhebung eines Rechtsmittels legitimiert bei Sofortmassnahmen und Sicherungsvorkehrungen sowie – soweit es um ihre Einsetzung, Stellung oder Funktion geht – gegen Testamentseröffnungsverfügungen und Erbbescheinigungen.
Die zuständige Behörde hat von Amtes wegen die zur Sicherung des Erbganges nötigen Massregeln zu treffen, wozu insbesondere die Eröffnung der letztwilligen Verfügungen gehört (vgl. Art. 551 und Art. 557 ZGB). Mit der Testamentseröffnung gemäss Art. 557 f. ZGB wird der Inhalt einer letztwilligen Verfügung den Betroffenen zur Kenntnis gebracht. Alle an der Erbschaft Beteiligten erhalten eine Abschrift der eröffneten Verfügung, soweit diese sie angeht (Art. 558 ZGB). Das Eröffnungsgericht hat die Eröffnungsempfänger – insbesondere alle Erben, Vermächtnisnehmer und einen allfälligen Willensvollstrecker – zu ermitteln und zu bestimmen. Zu diesem Zweck ist allenfalls eine Auslegung des Testaments notwendig. Diese Auslegung hat immer nur provisorischen, unpräjudiziellen Charakter, d.h. sie hat keine materiell-rechtliche Wirkung. Über die formelle und materielle Rechtsgültigkeit einer letztwilligen Verfügung und die definitive Ordnung der materiellen Rechtsverhältnisse befindet das Eröffnungsgericht nicht; dies bleibt im Streitfall dem anzurufenden ordentlichen Zivilgericht vorbehalten. Damit ist die Eröffnungsbehörde auch zur abschliessenden Klärung der Frage der gültigen Einsetzung einer Willensvollstreckerin nicht zuständig. Da im Testamentseröffnungsverfahren somit grundsätzlich nicht über materielles Recht entschieden wird und das Urteil dem ordentlichen Gericht vorbehalten bleibt, prüft die Kammer nach ständiger Praxis im Rechtsmittelverfahren auch lediglich, ob das Einzelgericht bei der Testamentseröffnung in diesem beschränkten Rahmen zutreffend vorgegangen ist.
Eine Willensvollstreckerin hat den Nachlass aufgrund der Anordnungen in der letztwilligen Verfügung der Erblasserin zu verwalten, abzuwickeln und zu teilen.
11/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 4A_277/2022
Grundsätzlich bilden die Mitglieder einer Erbengemeinschaft i.S.v. Art. 602 ZGB eine notwendige Streitgenossenschaft gemäss Art. 70 ZPO. Eine der zulässigen Ausnahmen vom Grundsatz der gemeinsamen Hand ist die nicht erbrechtliche Klage gegen einen Erben, bei welcher die übrigen Erben als Kläger auftreten; in jedem Fall müssen alle Erben am Prozess beteiligt sein. Ein Mitglied der Erbengemeinschaft kann auch auf eine Klage verzichten oder erklären, sich im Voraus dem Ausgang des Prozesses zu unterwerfen.
11/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_668/2023
Um einen Teilentscheid, der eine Variante des Endentscheids darstellt, handelt es sich dann, wenn über eines oder einige von mehreren Rechtsbegehren (objektive oder subjektive Klagenhäufung) abschliessend befunden wird. Es handelt sich dabei nicht um verschiedene materiellrechtliche Teilfragen eines Rechtsbegehrens, sondern um verschiedene Rechtsbegehren. Im Bereich des Erbrechts weicht die Rechtsprechung teilweise von den Grundsätzen zur Abgrenzung zwischen Teil- und Zwischenentscheid ab. Seit jeher als Teilentscheid behandelt hat das Bundesgericht beispielsweise das Urteil über die Ungültigkeitsklage im Rahmen des Ungültigkeits- und Herabsetzungsprozesses oder der Erbteilung. Auch den Entscheid über als Stufenklage gestellte Auskunfts- und Editionsbegehren, über den Anspruch auf Zuweisung eines landwirtschaftlichen Grundstücks gemäss Art. 21 BGBB und über den Anspruch auf Zuweisung eines landwirtschaftlichen Gewerbes gemäss Art. 11 BGBB. Gewissermassen als Auffangtatbestand geht das Bundesgericht sodann von einem anfechtbaren Teilentscheid aus, wenn zwar die Erbteilung mit dem angefochtenen Entscheid nicht abgeschlossen ist, die Parteien sich aber über sämtliche anderen Aspekte der Erbteilung geeinigt haben oder mindestens davon auszugehen ist, sie vermöchten sich nach dem Urteil über den im angefochtenen Entscheid entschiedenen Teilaspekt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einigen. Entscheide über blosse Grundsatzfragen sind hingegen - auch im Erbrecht - nicht als Teilentscheide zu qualifizieren. So liegt grundsätzlich kein Teil-, sondern ein Zwischenentscheid vor, wenn über den Grundsatz der Ausgleichungspflicht, über die Zuweisung einzelner Nachlasswerte, über die Höhe des Anrechnungswerts für die unbestrittene Zuweisung oder die Zugehörigkeit einzelner Aktiven zum Nachlass entschieden wird. Beim Entscheid über ein Feststellungsbegehren zur Feststellung des Nachlasses handelt es sich letztlich bloss um einen Teil der Begründung zur Bestimmung der Höhe des Nachlasses und des eigenen Erbteils. Der Entscheid über ein Begehren, das auf den Einbezug bestimmter Vermögenswerte zum Nachlass gerichtet ist, erfüllt die Voraussetzungen von Art. 91 lit. a BGG nicht, zumal sich die Parteien auch bezüglich der weiteren Aspekte der Erbteilung nicht einig sind. Der Bestand oder Nichtbestand einer einfachen Gesellschaft bzw. die diesbezügliche Beurteilung stellt im vorliegenden Fall folglich bloss einen Schritt auf dem Weg zur Bestimmung des Nachlasses und der Vornahme der Erbteilung bzw. eine materiellrechtliche Vorfrage dar, ihr kommt aber keine eigenständige Bedeutung zu.
11/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich PF230023
Beim Entscheid, mit welchem ein Gesuch um Verlängerung bzw. Erstreckung einer bereits angesetzten Frist zur Erklärung über den Erwerb der Erbschaft gutgeheissen wurde (vgl. Art. 587 Abs. 2 ZGB), handelt es sich – wie bei einem Entscheid, der die Deliberationsfrist originär ansetzt – um einen Endentscheid im Sinne von Art. 308 Abs. 1 lit. a ZPO, da das erstinstanzliche Verfahren damit materiell zu einem Ende bzw. das Verfahren über das öffentliche Inventar nach Art. 580 ff. ZGB erstinstanzlich zum Abschluss gebracht wird. Dass das Gesuch um Erstreckung mehrmals gestellt werden kann, ändert daran nichts.
Eine überlebende Ehegattin des Erblassers, welche potentiell güterrechtliche Ansprüche gegenüber dem Nachlass des Erblassers hat, ist für solche Ansprüche wie eine aussenstehende Gläubigerin zu behandeln. Gläubigern steht bei Gewährung der Fristerstreckung nach Art. 587 ZGB ein Beschwerderecht zu. Gläubiger des Erblassers haben ein Interesse daran, dass der Entscheid über die Annahme oder Ablehnung der Erbschaft nicht allzu sehr verzögert wird bzw. sie diesbezüglich nicht zu lange im Ungewissen bleiben.
Jeder Erbe, der die Befugnis hat, die Erbschaft auszuschlagen, ist berechtigt, ein öffentliches Inventar zu verlangen (Art. 580 Abs. 1 ZGB). Das Verfahren der Inventaraufnahme richtet sich nach den Art. 581 ff. ZGB und den einschlägigen kantonalen Vorschriften. Das Institut des öffentlichen Inventars erfüllt im Kern zwei Funktionen: Erstens dient es der Information der Erben über die Aktiven und Passiven der Erbschaft und soll ihnen die Grundlage für ihren Entscheid über die Annahme oder die Ausschlagung der Erbschaft liefern. Insoweit hat es informativen und deklaratorischen Charakter. Zweitens gibt es den Erben in Form des Instituts der Annahme der Erbschaft unter öffentlichem Inventar die Möglichkeit, die Haftung für Erbschaftschulden zu beschränken (vgl. Art. 588 Abs. 1 i.V.m. Art. 589 ZGB). Insoweit hat das öffentliche Inventar eine konstitutive Funktion. Während es in diesem Fall auf der Aktivseite bei einer Gesamtrechtsnachfolge bleibt – das heisst auch nicht inventarisierte Aktiven auf sämtliche Erben übergehen –, wird auf der Passivseite die in Art. 560 ZGB vorgesehene Universalsukzession für die unter öffentlichem Inventar annehmenden Erben durch die Haftungsordnung nach Art. 589 f. ZGB ersetzt.
Nach Abschluss des Inventars wird jeder Erbe aufgefordert, sich binnen Monatsfrist über den Erwerb der Erbschaft zu erklären (sog. Deliberationsfrist; Art. 587 Abs. 1 ZGB). Grundsätzlich ist den Erben ein Entscheid über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft zuzumuten – auch wenn noch Unsicherheiten bestehen, die durch weitere Abklärungen allenfalls reduziert werden könnten. Doch wo die Umstände es rechtfertigen, kann die zuständige Behörde zur Einholung von Schätzungen, zur Erledigung streitiger Ansprüche – etwa durch Beendigung gerichtlicher Verfahren – und dergleichen eine weitere Frist einräumen (Art. 587 Abs. 2 ZGB). Wo Solvenz oder Überschuldung klar zum Ausdruck kommen, ist die Deliberationsfrist nicht zu verlängern. Demgegenüber können weitere Abklärungen bei bloss fraglicher Solvenz allerdings auch im Interesse der Gläubiger liegen, da die Erben die Erbschaft unter Umständen trotz einer geringen Überschuldung annehmen. Die zuständige Behörde hat beim Entscheid über die Fristverlängerung nach Recht und Billigkeit zu entscheiden (vgl. Art. 4 ZGB). Auch die Dauer einer Erstreckung hängt von den tatsächlichen Umständen ab. Bei der Beurteilung des Gesuchs sind insbesondere auch die Interessen der Gläubiger zu berücksichtigen. Als Faustregel gilt, dass die Erstreckungsdauer auch bei Verlängerung nach Art. 587 Abs. 2 ZGB insgesamt nicht über vier Monate hinausgehen soll. Dies wird häufig nicht ausreichen, z.B. bei prozessualen Auseinandersetzungen.
Rechtfertigend für eine Fristverlängerung gemäss Art. 587 Abs. 2 ZGB sind einzig Umstände, welche auf die Solvenz oder Insolvenz der Erbschaft einen Einfluss haben, d.h. auf den Entschluss der Erben, diese anzunehmen oder auszuschlagen. Dies trägt dem Ausnahmecharakter der Verlängerung der Frist Rechnung.
11/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich RB230029
Beim Tod einer Partei gehen sämtliche Rechte und Pflichten eines Erblassers ipso iure auf die Erben über (Art. 560 ZGB). Stirbt ein Erblasser während eines laufenden Prozesses, so wird das Verfahren eingestellt, bis die Erben ermittelt sind und die Ausschlagung nicht mehr möglich ist.
10/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_564/2023
Die Einsetzung einer Erbenvertretung gilt als eine vorsorgliche Massnahme i.S.v. Art. 98 BGG, weshalb vor Bundesgericht einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden kann. Mit Bezug auf die Anordnung einer Erbenvertretung, aber auch hinsichtlich der Auswahl der Person, welche mit der Erbenvertretung beauftragt werden soll, steht der anordnenden Behörde ein Ermessen zu. In Verfahren, die Art. 98 BGG unterstehen, bleibt der Willkürmassstab entscheidend. Das Bundesgericht schreitet nur ein, wenn die Vorinstanz den Ermessensspielraum über- oder unterschritten oder das Ermessen missbraucht hat und damit zu einem offensichtlich unbilligen, in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken widersprechenden Ergebnis gelangt ist.
Gemäss Art. 602 Abs. 3 ZGB kann die zuständige Behörde auf Begehren eines Miterben für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung eine Vertretung bestellen. Als Erbenvertreter kann jede handlungsfähige (natürliche oder juristische) Person eingesetzt werden. Ob auch eine Behörde als Erbenvertretung eingesetzt werden kann, hat das Bundesgericht bisher offengelassen; diese Möglichkeit wird in der Literatur indes weitgehend bejaht. Grundsätzlich ist es auch möglich, einen der Erben zum Erbenvertreter zu ernennen. Zur Vermeidung eines Interessenkonflikts sollte aber bei Opposition der übrigen Erben - begründete Ausnahmefälle vorbehalten - davon abgesehen werden. Die Behörde kann der Erbenvertretung einen generellen Auftrag geben und ihr die ganze Verwaltung der Erbschaft anvertrauen, in welchem Fall sich ihre Rechtsstellung derjenigen des amtlichen Erbschaftsverwalters angleicht. Sie kann die Vertretung aber auch für bestimmte einzelne Handlungen bestellen, über die sich die Erben nicht zu einigen vermögen.
Die Einsetzung einer Erbenvertretung erfolgt mit Wirkung für die Erbengemeinschaft. Selbst wenn das gerichtliche Verfahren zur Ernennung eines Erbenvertreters der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzuordnen ist, sind grundsätzlich alle Miterben in das Verfahren einzubeziehen. Der Erbenvertreter wird für die Erbengemeinschaft bestellt und nicht als Vertreter und im Interesse eines einzelnen Erben. Er ist im Rahmen seines Auftrags gesetzlicher Vertreter der Erbengemeinschaft, die er ohne ihre Zustimmung oder nachträgliche Genehmigung berechtigen und verpflichten kann, und schliesst im ihm übertragenen Tätigkeitsbereich eigenes Handeln der Erben für den Nachlass aus. Für die Regelung rein interner Zwistigkeiten ist die Erbenvertretung nicht geeignet und auch nicht vorgesehen. Doch kann sie dafür sorgen, dass die Erbschaft im Interesse aller Erben verwaltet wird und Eigenmächtigkeiten einzelner Erben unterbunden werden. Der Erbenvertreter hat die zweckmässige Verwaltung der Nachlassgegenstände zu gewährleisten. Anders als der Willensvollstrecker (Art. 518 Abs. 2 ZGB) ist der Erbenvertreter nicht dazu berufen, die Erbteilung durchzuführen.
Der Erbenvertreter hat Anspruch auf Entschädigung. Aufgrund der Stellung und Funktion der Erbenvertretung gehen deren Kosten zu Lasten der Erbengemeinschaft. Sie können allerdings dann einem Miterben überbunden werden, wenn dieser in querulatorischer Absicht oder zum eigenen Vorteil seine Mitwirkung verweigert und damit die anderen Miterben erst veranlasst, eine Erbenvertretung zu begehren. In diesem Fall sind die Kosten nach dem Verursacherprinzip zu verteilen.
Der Erbenvertreter steht unter der Aufsicht der ernennenden Behörde. Damit verbunden ist die Befugnis der Erben, bei der Aufsichtsbehörde gegen die vom Erbschaftsverwalter beabsichtigten oder getroffenen Massregeln Beschwerde zu erheben.
10/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich PF230052
Bei der Testamentseröffnung handelt es sich um eine nicht streitige Erbschaftsangelegenheit resp. um eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Gemäss § 8 Abs. 3 GebV OG bemisst sich die Gebühr in derartigen summarischen Verfahren nach dem Interessewert und dem Zeitaufwand des Gerichts; sie beträgt i.d.R. CHF 100.00 bis CHF 7'000.00. Hinzu kommen die angefallenen Kosten, namentlich für die eingeholten Zivilstandsurkunden, Dokumente und Auskünfte im In- und Ausland. Der Interessewert besteht bei einer Testamentseröffnung im Nachlassvermögen. Die Zürcher Gerichte ziehen aus praktischen Gründen als Streit- resp. Interessenwert meist das vom Erblasser resp. der Erblasserin zuletzt versteuerte (bzw. eingeschätzte) Vermögen heran. War der Erblasser resp. die Erblasserin verheiratet, wird mutmasslichen güterrechtlichen Ansprüchen durch Reduktion auf die Hälfte des versteuerten Vermögens Rechnung getragen.
Die Bezirksgerichte bestimmen die Entscheidgebühren in Erbschaftssachen i.d.R. anhand interner Tariftabellen. Die der Kammer bekannten internen bezirksgerichtlichen Tariftabellen stellen für die Bemessung der Entscheidgebühr zunächst auf die Höhe des Nachlassvermögens ab und sehen dann zum Teil eine Erhöhung oder Ermässigung der Gebühr je nach Aufwand im Zusammenhang mit der Erbenermittlung und/oder Testamentsauslegung vor, mit der Tendenz bei sehr hohen Nachlasswerten eher eine Reduktion zu gewähren, v.a. wenn der Aufwand des Gerichts nicht gross war. Die Verwendung solcher interner Tariftabellen durch die Bezirksgerichte aus Gründen der Vereinheitlichung der Entscheidgebühren wird vom Obergericht zwar grundsätzlich akzeptiert. Dies ändert jedoch nichts daran, dass es sich bei den Gerichtsgebühren um Kausalabgaben handelt, die als solche dem Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip genügen müssen.
10/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF230053
Die Eröffnung eines Erbvertrags und die Ausstellung von Erbbescheinigungen gehören zu den Sicherungsmassregeln des Erbganges. Sie sind Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, welche der Kanton Zürich dem Einzelgericht im summarischen Verfahren zugewiesen hat.
Die Eröffnung einer letztwilligen Verfügung im Sinne von Art. 557 ZGB ist zwingend vorgeschrieben und von Amtes wegen durchzuführen. Die Eröffnungspflicht bezieht sich grundsätzlich auf alle der Einlieferungspflicht unterliegenden Dokumente. Zu eröffnen sind nicht nur letztwillige Verfügungen, sondern auch eingelieferte Erbverträge. Weder die Feststellung des tatsächlichen Umfangs der Erbschaft noch die Vermittlung zwischen den Erben gehört zu den Aufgaben der Eröffnungsbehörde. Vielmehr ist es Sache der Erben (gegebenenfalls im Rahmen eines Erbteilungsverfahrens) den Umfang der Erbschaft zu ermitteln. Die Eröffnungsbehörde stellt einzig fest, was inhaltlich im Erbvertrag vereinbart wurde.
09/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_45/2023
Gemäss (nicht willkürlicher) Auffassung der Vorinstanz kann eine im Grundbuch vorzumerkende Veräusserungsbeschränkung nach Art. 960 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB u.U. unterbleiben, wenn im Grundbuch bereits ein Erbschaftsverwalter nach Art. 962a Ziff. 2 ZGB angemerkt ist. Die Verfügungsbeschränkung der Erben, welche sich aus der Erbschaftsverwaltung nach Art. 544 ZGB ergibt, kann nach Art. 970 Abs. 4 ZGB jedem Dritten entgegengehalten werden. Eine vorzumerkende Verfügungsbeschränkung biete keinen zusätzlichen Schutz. Dabei wird darauf hingewiesen, dass im Rahmen einer Erbschaftsklage grundsätzlich keine vorsorglichen Massnahmen auf Antrag der Erben angeordnet werden darf, wenn eine Erbschaftsverwaltung angeordnet worden ist.
09/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF230036
Nach Art. 518 Abs. 2 ZGB hat der Willensvollstrecker den Willen des Erblassers zu vertreten und gilt insbesondere als beauftragt, die Erbschaft zu verwalten, die Schulden des Erblassers zu bezahlen, die Vermächtnisse auszurichten und die Teilung nach den vom Erblasser getroffenen Anordnungen nach Vorschrift des Gesetzes auszuführen. Soweit es um seine Einsetzung, Stellung oder Funktion geht, ist er aktivlegitimiert für ein Rechtmittel gegen den Testamentseröffnungsentscheid. Es ist jedoch nicht seine Aufgabe, für die korrekte Umsetzung des Erbrechts besorgt zu sein. Damit fehlt es dem Willensvollstrecker an der Aktivlegitimation in Bezug auf die Frage, wer Erbe ist.
Die Testamentseröffnung gehört zu den erbrechtlichen Sicherungsmassregeln (Art. 551 Abs. 2 ZGB). Es handelt sich um eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die in erster Instanz nicht streitige Erbschaftsangelegenheit wandelt sich in zweiter Instanz in eine strittige vermögensrechtliche Angelegenheit.
08/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_963/2022
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung (BGE 101 II 41) genügen bei der Erbteilungsklage grundsätzlich die Rechtsbegehren, den Nachlass aufgrund entsprechender Behauptungen und Beweisanträge festzustellen, die Erbteile festzustellen und den Nachlass zu teilen, sowie Sachvorbringen, aus denen wenigstens sinngemäss hervorgeht, welche Feststellungen zu treffend sind und wie zu teilen ist. Dagegen darf weder die Aufstellung eines genauen Teilungsplans vorausgesetzt, noch mehr verlangt werden als die gegenständliche Umschreibung des Nachlasses. Diese Rechtsprechung hat ihren Grund darin, dass der Anspruch auf Teilung der Erbschaft nach Art. 604 Abs. 1 ZGB, Teilungsvorschriften des Erblassers vorbehalten, nur auf Vornahme der Teilung, nicht jedoch auf Zuweisung bestimmter Objekte aus dem Nachlass geht. Vor diesem Hintergrund kann im Rahmen der Zuteilungskompetenz des Teilungsgerichts dort von den Erben ein betragsmässig bestimmtes Rechtsbegehren verlangt werden, wo der Nachlass lediglich aus Geld besteht, mithin ein ohne weiteres unter den Erben teilbares Objekt vorliegt. Diese Grundsätze finden auch im Rechtsmittelverfahren Anwendung.
08/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF230048
Alle Dokumente, die nach ihrem Inhalt als letztwillige Verfügungen erscheinen, sind einlieferungspflichtig. Weder die Bezeichnung noch die Form sind entscheidend, sondern vielmehr der Inhalt als Willenserklärung der Erblasserin, durch welche sie für den Fall ihres Todes Vermögensverfügungen trifft. Damit sind – sofern die Verfügung nicht im Original eingeliefert werden kann – auch Kopien einzuliefern und zu eröffnen. Die allfällige Ungültigkeit eines Testaments wegen eines Formmangels wäre mit Ungültigkeitsklage nach Art. 520 ZGB geltend zu machen.
07/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_133/2023 (BGE 150 III 1)
Ein Erblasser kann eine letztwillige Verfügung entweder mit öffentlicher Beurkundung oder eigenhändig oder durch mündliche Erklärung errichten (Art. 498 ZGB). Für alle drei Errichtungsformen gelten bestimmte Formvorschriften. Diese sind Gültigkeitsvorschriften. Ihre Missachtung führt daher auf Klage hin zur Ungültigerklärung (Art. 520 ZGB). Das Erbrecht zeichnet sich mithin durch eine gewisse Formstrenge aus. Durch die Formvorschriften des eigenhändigen Testaments soll zunächst der Erblasser vor übereilten Rechtshandlungen bewahrt (Solennitätszweck) sowie Aufschluss über Zustandekommen und Inhalt der Verfügung vermittelt (Perfektionszweck) werden. Formvorschriften sind nicht Selbstzweck. Gemäss Art. 505 Abs. 1 ZGB ist die eigenhändige letztwillige Verfügung vom Erblasser von Anfang bis zu Ende mit Einschluss der Angabe von Jahr, Monat und Tag der Errichtung von Hand niederzuschreiben sowie mit seiner Unterschrift zu versehen. Mit Bezug auf die letztwillige Verfügung im Sinn von Art. 505 ZGB hat das Bundesgericht erkannt, dass die eigenhändige Form vor allem den Zweck hat, den Willen des Erblassers, seinen animus testandi, sichtbar zu machen, also seine Absicht, über sein Vermögen für die Zeit nach seinem Tod zu verfügen. Die Erklärung dieses Testierwillens ist eine unerlässliche Voraussetzung für die Existenz des Testaments. Der Wille muss aus dem Testament selbst hervorgehen. Ausserdem ist der Grundsatz des favor testamenti auch auf die Verfügungsformen anzuwenden, soweit Rechts- und Verkehrssicherheit dies zulassen. Dies ändert aber nichts daran, dass ein tatsächlich festgestellter letzter Wille des Erblassers nicht respektiert werden muss, wenn er nicht in den erbrechtlich vorgeschriebenen Formen zum Ausdruck gebracht worden ist. Die Formvorschriften dienen verschiedenen Zwecken: Sie sollen erstens eine gewisse Warnungsfunktion erfüllen bzw. einen Übereilungsschutz sicherstellen. Zweitens stellen sie Rechtssicherheit bezüglich des effektiven Bestehens eines Testaments und seines Inhalts her. Schliesslich erfüllen sie auch eine Beweisfunktion. Die Unterschrift als Formvorschrift der eigenhändigen letztwilligen Verfügung ist das äussere Zeichen, mit welchem der Erblasser gegenüber Dritten kundgibt, dass seinem Willen eine rechtliche Bedeutung zukommen soll und dass der Inhalt der Urkunde seinen letzten Willen wiedergibt. Sie dokumentiert also zweierlei: Erstens die Identität des Erblassers und zweitens die Vollendung der Verfügung und ihre Inkraftsetzung auf den Tod des Erblassers hin (Abschluss- bzw. Rekognitionsfunktion).
Im vorliegenden Fall hat die Erblasserin ein handschriftliches "Testament" verfasst, ohne es jedoch zu unterzeichnen; bloss einleitend wurde der Vor- und Nachname genannt. In einem älteren Entscheid (BGE 135 III 206) hat das Bundesgericht bereits erwogen, dass die Nennung des Vor- und Nachnamens des Erblassers zu Beginn der letztwilligen Verfügung dem Erfordernis der Unterschrift nicht genügt und es auch keinen Grund für eine Änderung der Rechtsprechung gibt, zumal die Rekognitionsfunktion nicht durch die Angabe des Namens des Erblassers am Anfang des Dokuments erfüllt werden könne, d.h. zu einem Zeitpunkt, zu dem der Erblasser nicht wissen könne, ob er das Dokument abschliessen werde. Auch im vorliegenden Fall sah das Bundesgericht keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen; die Selbstbenennung am Anfang des Dokuments vermag den nachfolgenden Text nicht zu decken. Daran ändert auch nichts, dass die Erblasserin das Dokument (allenfalls in einem verschlossenen Umschlag) zur Aufbewahrung i.S.v. Art. 505 Abs. 2 ZGB dem Erbschaftsamt übergeben hat.
Zu klären war sodann, unter welchen Voraussetzungen ein Name auf einem Umschlag dem Erfordernis der Unterschrift i.S.v. Art. 505 Abs. 1 ZGB genügt. Ein Umschlag, in dem ein Dokument aufbewahrt ist, stellt zwischen der Aufschrift auf dem Umschlag und dem sich in ihm befindenden Dokument einen gewissen physischen Zusammenhang her, der durch das Verschliessen des Umschlags noch verstärkt wird. Dies genügt jedoch für sich allein nach dem Ausgeführten nicht, um den erforderlichen Zusammenhang zwischen einem Namenszug auf dem Umschlag und dem Inhalt des Umschlags herzustellen. Die Aufschrift "Testament" auf dem Umschlag stellt zwar einen gewissen inhaltlichen Bezug zu dem Schriftstück, das tatsächlich letztwillige Anordnungen enthält, her, doch genügt dies noch nicht, um den Namenszug auf dem Umschlag auch als Unterschrift i.S.v. Art. 505 Abs. 1 ZGB zu qualifizieren. Entscheidend ist nämlich, dass der Namenszug der Erblasserin gerade als Ausdruck ihres Abschlusswillens erscheint bzw. mit einem "animus signandi" aufgebracht worden ist. Dies zu beweisen wäre Sache der Klägerin. Die Aufschrift erscheint vorliegend als reine Beschriftung bzw. Bezeichnung, nicht als Unterzeichnung. Es handelt sich um eine reine Inhaltsangabe und kann daher nicht als Unterschrift für das im Umschlag enthaltene Dokument qualifiziert werden. Nicht von entscheidender Bedeutung ist sodann, ob der Umschlag von der Erblasserin tatsächlich verschlossen dem Erbschaftsamt abgegeben wurde.
Die Klägerin wollten den erforderlichen Zusammenhang überdies aus externen Umständen ableiten. Es gibt zwar vereinzelte Stimmen in der Lehre, die die Zulassung externer Elemente zum Nachweis des erforderlichen Zusammenhangs befürworten, doch wurde dies vom Bundesgericht bisher abgelehnt (BGE 40 II 190, BGE 51 II 370). Das Bundesgericht hält an dieser Rechtsprechung fest.
07/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_99/2023
Der Erblasser kann in einer Verfügung von Todes wegen einen Testamentsvollstrecker mit der Ausführung seines letzten Willens beauftragen. Grundsätzlich hat der Willensvollstrecker die Rechte und Pflichten eines amtlichen Erbschaftsverwalters; der Erblasser kann die Befugnisse des Willensvollstreckers aber erweitern oder sie auf bestimmte Aspekte der Nachlassabwicklung, auf bestimmte Vermögenswerte oder auf eine bestimmte Dauer beschränken. Der Willensvollstrecker ist für die ordnungsgemässe und getreue Ausführung der ihm übertragenen Aufgaben verantwortlich. Der Willensvollstrecker ist verpflichtet, die Erben über die für die Teilung des Nachlasses relevanten Tatsachen und über die ihm Rahmen seines Auftrags ausgeübten Tätigkeiten zu informieren. Fehlende oder falsche Auskünfte können zu einer Haftung des Willensvollstreckers führen. Das Recht der Erben auf Auskunft durch den Willensvollstrecker ist materielles Recht und gehört zum Bundeszivilrecht. Die Erben können dieses Recht gerichtlich gegen den Willensvollstrecker geltend machen, wenn dieser sie nicht oder nicht korrekt informiert.
Der Willensvollstrecker unterliegt der Aufsicht der Behörde (Art. 518 und Art. 595 Abs. 3 ZGB), die insb. befugt ist, Diziplinarmassnahmen zu ergreifen. Die schwerwiegendste Massnahme ist die Absetzung des Willensvollstreckers wegen Unfähigkeit oder grober Pflichtverletzung. Die letztgenannte Massnahme kommt nur in Betracht, wenn eine konkrete Gefahr für das Nachlassvermögen besteht und eine weniger strenge Massnahme nicht zum Ziel führt, weil sie erhebliche Auswirkungen auf die künftige Verwaltung des Nachlasses hat, da die Aufsichtsbehörde nicht befugt ist, einen Ersatz für den abgesetzten Willensvollstrecker zu ernennen, sondern die Erben den Nachlass selbst abwickeln müssen. Als Gründe für die Anrufung der Behörde werden in Praxis und Lehre die Unfähigkeit des Willensvollstreckers (Handlungsunfähigkeit oder Privatkonkurs), die Verzögerung bei der Erfüllung des Auftrags, die Unangemessenheit einer Entscheidung oder das Fehlen von Informationen genannt. Die Aufsichtsbehörde wird grundsätzlich nur auf Klage hin tätig, die von den gesetzlichen, eingesetzten und virtuellen Erben, von jeder Person, die vom Erblasser mit einer testamentarischen Zuwendung erhalten hat, sowie von einem der Willensvollstrecker bei mehreren Erblassern eingereicht werden kann. Die Aufsichtsbehörde überprüft die vom Willensvollstrecker getroffenen oder geplanten Massnahmen; materiellrechtliche Fragen bleiben jedoch in der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Die Kognition der Aufsichtsbehörde ist beschränkt. Sie kontrolliert zwar die Tätigkeit des Willensvollstreckers, ist aber kein übergeordnetes Organ der Willensvollstreckung und darf nicht selbst die Abwicklung des Nachlasses übernehmen. Wird die Beschwerde gutgeheissen, wird die Aufsichtsbehörde dem Testamentsvollstrecker Anweisungen erteilen, aber nicht an seiner Stelle handeln. Sie kann präventive Maßnahmen ergreifen und Sanktionen anordnen. Da das Gesetz die Art der Massnahmen nicht festlegt, entscheidet die Behörde, welche Maßnahmen sie für angebracht hält. Präventive Maßnahmen (Empfehlungen oder Richtlinien) sind Sanktionen (Verweis, Amtsenthebung) vorzuziehen, und gemässigte Massnahmen sind strengen Massnahmen vorzuziehen. Die Behörde kann auch dann eingreifen, wenn kein Schaden eingetreten ist. Die präventiven Massnahmen zielen auf die vom Willensvollstrecker vorzunehmenden Handlungen ab. Die Aufsichtsbehörde schreibt dem Willensvollstrecker vor, wie er zu handeln hat, ohne sich jedoch an seine Stelle zu setzen. Sie kann insb. Empfehlungen oder Weisungen erteilen, Fristen setzen sowie die Vornahme oder das Verbot einer bestimmten Handlung anordnen. Sie verfügt in dieser Hinsicht über einen grossen Ermessensspielraum, wobei das Bundesgericht nur zurückhaltend eingreift.
Die Verletzung der Informationspflicht gegenüber den Erben durch den Willensvollstrecker kann einen Grund für eine Beschwerde an die Aufsichtsbehörde darstellen, sofern sie keine materiellen Fragen berührt.
07/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_221/2023
Die Ausstellung einer Erbbescheinigung nach Art. 559 ZGB betrifft die freiwillige Gerichtsbarkeit. Der Streit über diese Zivilsache ist vermögensrechtlicher Natur. Der Streit um eine Erbenbescheinigung beschlägt eine vorsorgliche Massnahme im Sinn von Art. 98 BGG. Daher kann nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden. Es gilt das strenge Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG).
Die Testamentseröffnung gemäss Art. 557 ZGB ist ein Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Dasselbe gilt für die Ausstellung einer Erbbescheinigung. Eine solche wird nur auf ausdrückliches Begehren hin ausgestellt (Art. 559 Abs. 1 ZGB). Die Kognition der zuständigen Behörde darüber, wer Anspruch auf Ausstellung einer Erbenbescheinigung hat und darin in einer bestimmten Stellung oder Funktion aufzuführen ist, ist beschränkt und provisorisch. Die Ausstellung der Erbenbescheinigung fusst auf einer vorläufigen Beurteilung der Rechtsnachfolge. Basis hierfür sind die gesetzliche Erbfolge, welche die Behörde namentlich anhand von Familienausweisen oder Auszügen aus dem Personenstandsregister ermittelt, und allfällige eröffnete (Art. 557 ZGB) und mitgeteilte (Art. 558 ZGB) Verfügungen von Todes wegen, welche die Behörde auch dann zu berücksichtigen hat, wenn sie diese aufgrund einer provisorischen Auslegung für ungültig oder anfechtbar hält. Hingegen geht der Ausstellung der Erbenbescheinigung keine Auseinandersetzung über die materielle Rechtslage voraus. Mit der abschliessenden Auslegung von Testamenten und Erbverträgen und mit der Frage, ob einer Person Erbenstellung zukommt, befasst sich das ordentliche Gericht und nicht die Behörde, welche die Erbenbescheinigung ausstellt. Die Erbenbescheinigung erwächst nicht in Rechtskraft und steht stets unter dem Vorbehalt der Ungültigkeits-, Herabsetzungs-, Erbschafts- und Feststellungsklagen. Sie verliert ihre Bedeutung als Legitimationsausweis denn auch, sobald ein rechtskräftiges Urteil des Zivilgerichts über eine erbrechtliche Klage vorliegt, und wird damit gegenstandslos, ohne dass sie nichtig erklärt werden müsste. Als bloss provisorische Legitimationsurkunde ist die Erbenbescheinigung jederzeit abänderbar. Sie kann durch die ausstellende Behörde von Amtes wegen oder auf Gesuch hin zurückgezogen und durch eine neue, korrigierte ersetzt werden, sobald sie sich materiell als fehlerhaft erweist. Dabei bezieht sich die materielle Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit einer Erbenbescheinigung nicht auf die materielle Rechtslage, denn diese wird im Verfahren betreffend die Ausstellung einer Erbenbescheinigung ja gerade nicht geprüft. Vielmehr hat die Behörde die Erbenbescheinigung nur zu korrigieren, falls sich dies aufgrund urkundlicher Belege aufdrängt, gestützt auf die sie die Erbenbescheinigung auszustellen gehalten ist.
Der Erblasser kann seine letztwillige Verfügung jederzeit in einer der Formen widerrufen, die für die Errichtung vorgeschrieben sind (Art. 509 Abs. 1 ZGB). Der Widerruf kann die Verfügung ganz oder zum Teil beschlagen (Art. 509 Abs. 2 ZGB). Der Erblasser kann seine letztwillige Verfügung dadurch widerrufen, dass er die Urkunde vernichtet (Art. 510 Abs. 1 ZGB). Wird die Urkunde durch Zufall oder aus Verschulden anderer vernichtet, so verliert die Verfügung unter Vorbehalt der Ansprüche auf Schadenersatz gleichfalls ihre Gültigkeit, insofern ihr Inhalt nicht genau und vollständig festgestellt werden kann (Art. 510 Abs. 2 ZGB). Wird die Urkunde vom Erblasser selbst in Aufhebungsabsicht vernichtet, so ist die Verfügung unwirksam. Diese Rechtsfolge tritt aber nicht etwa deswegen ein, weil die Urkunde nicht mehr vorhanden ist, sondern weil die Vernichtung durch den Erblasser eine der im Gesetz vorgesehenen Widerrufsformen darstellt. Handelt es sich um eine öffentlich beurkundete letztwillige Verfügung (Art. 499 ZGB), muss diese selbst vernichtet werden; die Vernichtung einer Kopie derselben zeitigt die Wirkungen des Widerrufs nicht. Darf der Notar, der eine letztwillige Verfügung öffentlich beurkundet hat, diese nach Massgabe des kantonalen Rechts nicht herausgeben, kann sich der Erblasser an den Notar wenden und diesen mit der Vernichtung der öffentlichen Urkunde beauftragen.
Eine Kopie eines Dokuments, welches die Anforderungen an eine letztwillige Verfügung erfülle, bleibt gemäss Vorinstanz so lange beachtlich, als nicht nachgewiesen ist, dass der Verlust des Originals auf einer gültigen, willentlichen Vernichtung basiert. Über die Hintergründe einer Vernichtung und den animus revocandi des Testierenden, der eine innere Tatsache darstelle, darf die Eröffnungsbehörde in der Regel keine detaillierten Kenntnisse haben. Wenn sie jedoch aufgrund der Akten Zweifel am animus revocandi hat, ist dies in die unpräjudizielle Prüfung einzubeziehen. Vorliegend fehlte es an hinreichenden Hinweisen auf einen klaren, auf die Vernichtung des Testaments gerichteten Widerrufswillen der Erblasserin. Wenn der Erblasser gestützt auf § 122 NotVo/ZH sein Testament gegen Empfangsschein herausverlangt, lässt das Zurückziehen des Testaments von der Depotstelle für sich allein nicht auf einen Widerruf schliessen. Unter den gegebenen Umständen erschien eine Vernichtung durch eine Drittperson ohne schriftliche Ermächtigung oder einen anderen Nachweis seitens der Erblasserin in rechtlicher Hinsicht derart heikel, dass im Rahmen der Testamentseröffnung kein gültiger Widerruf im Sinn von Art. 510 Abs. 1 ZGB anzunehmen war.
07/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_393/2023
Bei einem Gesuch um Einsetzung eines Erbenvertreters (Art. 602 Abs. 3 ZGB) handelt es sich um eine vorsorgliche Massnahme i.S.v. Art. 98 BGG, wobei vor Bundesgericht nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden kann.
07/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich PF230016
Die Kosten der (Prüfung und/oder Anordnung von) erbgangssichernden Massnahmen (Art. 551 ff. ZGB) sowie jene der Erbenfeststellung sind – wie die Vorinstanz zutreffend erwog – Erbgangsschulden und als solche vom Nachlass zu tragen. Sämtliche gesetzlichen Erben haften dafür solidarisch. Der Staat kann als Gläubiger die Bezahlung dieser Kosten nach Art. 144 Abs. 1 OR vollumfänglich von einem Solidarschuldner seiner Wahl (d.h. von einem Erben) verlangen. Dem über seinen Anteil an den Kosten hinaus in Anspruch genommenen Erben steht der Rückgriff auf die Miterben offen. Vorbehalten sind allfällige rechtsgültige Ausschlagungserklärungen der Erben.
07/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich PF230037
Ist ein Testament eröffnet worden, können die gesetzlichen Erben eine Einsprache erheben, wenn sie mit den eingesetzten Erben nicht einverstanden sind. Die Einsprache kann durch eine einfache Mitteilung an das Gericht, welches das Testament eröffnet hat, erfolgen. Die Folge einer Einsprache ist, dass das Gericht einstweilen keinen Erbschein ausstellt.
Ein erbrechtliches Verfahren ist demnach stets eine vermögensrechtliche Angelegenheit im Sinne von Art. 308 Abs. 2 ZPO.
Mit der Testamentseröffnung gemäss Art. 557 f. ZGB wird der Inhalt einer letztwilligen Verfügung den Betroffenen zur Kenntnis gebracht. Dabei hat das Gericht eine vorläufige Prüfung und Auslegung des Testaments vorzunehmen, soweit dies für die von ihm zu treffenden Anordnungen erforderlich ist. So ist für die nach Art. 559 ZGB auszustellende Erbbescheinigung und die nach Art. 517 Abs. 2 ZGB vorzunehmende Mitteilung des Willensvollstreckermandats zu bestimmen, wer nach dem Wortlaut des Testaments als Erbe oder als Willensvollstrecker zu gelten hat. Diese Auslegung hat aber immer nur provisorischen Charakter. Über die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung und die definitiven Rechtsverhältnisse befindet das Testamentseröffnungsgericht nicht; dies bleibt im Streitfall dem ordentlichen Zivilgericht vorbehalten. Ebensowenig befasst sich das Eröffnungsgericht mit der Feststellung des tatsächlichen Umfangs der Erbschaft. Den Umfang der Erbschaft zu ermitteln, ist Sache der Erben. Da im Testamentseröffnungsverfahren somit grundsätzlich kein materielles Recht entschieden wird und das Urteil dem ordentlichen Gericht vorbehalten bleibt, prüft die Kammer nach ständiger Praxis im Rechtsmittelverfahren auch lediglich, ob das Einzelgericht bei der Testamentseröffnung in diesem beschränkten Rahmen zutreffend vorgegangen ist.
07/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich PF230038
Die Testamentseröffnung als nicht streitige Erbschaftssache gehört zu den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, für die das summarische Verfahren gilt. Gemäss § 8 Abs. 3 GebV OG bemisst sich die Gebühr in derartigen Verfahren nach dem Interessewert und dem Zeitaufwand des Gerichts. Sie beträgt in der Regel zwischen Fr. 100.– bis Fr. 7'000.–. Der Interessewert besteht bei einer Testamentseröffnung im Nachlassvermögen. Im angefochtenen Entscheid hat die Vorinstanz weder ausgeführt, von welchem Nachlasswert sie bei der Berechnung der Gebühr ausgegangen ist, noch wie sie zum Ergebnis der "angemessenen" Gebühr kommt. Es ist davon auszugehen, dass sich die Vorinstanz dabei am vom Steueramt mitgeteilten Nachlasswert orientierte. Zum Zweck der Kostenermittlung im Rahmen des summarischen Verfahrens entspricht dies regelmässig der Praxis der Erbschaftsgerichte. Auch wenn es der Praxis der Erbschaftsgerichte entspricht und i.a.R. auch keinen Anlass für eine Beanstandung bildet, den Betroffenen vor der Kostenfestsetzung die beigezogenen Steuerzahlen nicht bekannt zu geben, wird damit formell das rechtliche Gehör der Partei verletzt. Wendet sich eine Partei anschliessend gegen dieses Vorgehen und rügt sie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, so ist die angefochtene Kostenfestsetzung aufzuheben.
07/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich PF230041
Das Erbrecht regelt die Nachfolge in das Vermögen einer verstorbenen Person und beschränkt sich auf deren Vermögenswerte. Ein erbrechtliches Verfahren ist demnach stets eine vermögensrechtliche Angelegenheit im Sinne von Art. 308 Abs. 2 ZPO. Da die Ausstellung eines Erbscheins den gesamten Nachlass betrifft, richtet sich der Streitwert nach dem Bruttowert der Aktiven des Nachlasses.
07/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich PS220207
Wird der Liquidationsanteil an einem unverteilten Nachlassvermögen gepfändet, so hat vor allfälligen Verwertungshandlungen zunächst eine Einigungsverhandlung gemäss Art. 9 VVAG zu erfolgen. Zuständig ist hierfür gemäss grundsätzlich das Betreibungsamt. Dieses kann die Durchführung der Einigungsverhandlung an das Bezirksgericht überweisen.
07/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF230006
Im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege ist auch eine unverteilte Erbschaft zu berücksichtigen, soweit daraus innert nützlicher Frist flüssige Mittel erhältlich gemacht werden können oder sie mit einem Kredit belehnt werden kann. Entsprechende Bemühungen zwecks Mittelbeschaffung und -verwendung für die Kosten der Rechtsvertretung sollten - soweit zumutbar - getätigt werden, bevor die unentgeltliche Rechtspflege beansprucht wird.
06/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 4A_263/2022
Erben (unabhängig davon, ob sie pflichtteilsberechtigt sind) haben einen materiellen, vertraglichen Anspruch auf Auskünfte und Unterlagen gegenüber der Bank des Erblassers in Bezug auf die am Todestag vorhandenen Guthaben des Erblassers; dies gestützt auf Art. 400 Abs. 1 OR (i.V.m. Art. 560 ZGB) oder die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank. Bei Überweisungen, die vor dem Tod des Erblassers getätigt wurden, können hingegen nur Pflichtteilsberechtigte, deren Pflichtteil verletzt wurde oder die gegenüber anderen Erben einen Ausgleichungsanspruch haben, gestützt auf Art. 400 Abs. 1 OR von der Bank verlangen, dass ihnen die Namen der begünstigten Dritten mitgeteilt wird.
06/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF230024
Gemäss Art. 602 Abs. 3 ZGB kann die zuständige Behörde auf Begehren eines Miterben für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung der Erbschaft eine Vertretung bestellen. Legt der Erbenvertreter sein Amt nieder, ohne dass die zuständige Behörde die Beendigung der Erbenvertretung anordnet, hat sie (die Behörde) einen neuen Erbenvertreter zu bestellen. Dabei regeln die Kantone die Zuständigkeit und – mangels Regelung in der ZPO – das Verfahren. Zuständige Behörde für die Bestellung einer Erbenvertretung ist im Kanton Zürich das Einzelgericht des Bezirksgerichtes.
Die Anordnung einer Erbenvertretung – nach einem entsprechenden Antrag – liegt im Ermessen der Behörde, wobei sie die Interessen der Erbschaft insgesamt und nicht jene der einzelnen Miterben oder des antragstellenden Erben zu würdigen hat. Die Erben können Vorschläge für die Erbenvertretung unterbreiten, ohne dass die Behörde daran gebunden wäre. Diese ist frei, wen sie als Erbenvertreter einsetzt. Als Erbenvertretung einzusetzen ist nach § 138 GOG grundsätzlich das Notariat oder eine andere geeignete Person. Jede handlungsfähige, natürliche oder juristische Person mit der vorhandenen fachlichen und persönlichen Eignung kann als Erbenvertretung ernannt werden, wobei der Behörde bei der Beurteilung der Eignung ein gewisses Ermessen zukommt.
Ein Rückzug des Antrags auf Einsetzung einer Erbenvertretung nach erfolgter Ernennung ist nicht mehr möglich. Der Entscheid zur Beendigung der Erbenvertretung vor der Teilung der Erbschaft obliegt alleine der Ernennungsbehörde.
Die Kosten der Erbenvertretung sowie die Verfahrenskosten zur Einsetzung der Erbenvertretung sind als Erbgangsschulden dem Nachlass aufzuerlegen. Jedoch rechtfertigt es sich nicht, die Kosten des Berufungsverfahrens betreffend Bestellung einer Erbenvertretung dem Nachlass aufzuerlegen.
06/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF230023
Gemäss Art. 602 Abs. 3 ZGB kann die zuständige Behörde auf Begehren eines Miterben für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung der Erbschaft eine Vertretung bestellen. Legt der Erbenvertreter sein Amt nieder, ohne dass die zuständige Behörde die Beendigung der Erbenvertretung anordnet, hat sie (die Behörde) einen neuen Erbenvertreter zu bestellen. Dabei regeln die Kantone die Zuständigkeit und – mangels Regelung in der ZPO – das Verfahren. Zuständige Behörde für die Bestellung einer Erbenvertretung ist im Kanton Zürich das Einzelgericht des Bezirksgerichtes. Da das kantonale Recht diese Aufgabe einem Zivilgericht zuweist, richtet sich das Verfahren – unter Vorbehalt einer abweichenden Regelung – nach der ZPO und den für den Zivilprozess geltenden Bestimmungen dieses Gesetzes. Somit kommt die ZPO als kantonales Recht zur Anwendung. Bei der Bestellung einer Erbenvertretung handelt es sich um eine vorsorgliche Massnahme und (vor dem erstinstanzlichen Gericht) um eine Anordnung der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Es ist das summarische Verfahren anwendbar und es gilt das Beweismass des Glaubhaftmachens.
Der Streitwert berechnet sich in Verfahren um Einsetzung einer Erbenvertretung nach dem wirtschaftlichen Wert jener Nachlassteile, die durch die Handlungen des Erbenvertreters erhalten bleiben sollen. Vorliegend besteht die Aufgabe der Spezialerbenvertretung im Verwalten von Aktien. Wenn weder der momentane innere Wert der Aktien (bzw. der Aktienpreis und wirtschaftliche Wert der Aktien) noch der momentane Substanzwert der Aktien, d.h. die auf den jeweiligen Anteil entfallende Summe des Nettovermögens der Gesellschaft, bekannt ist, ist der Streitwert vorliegend anhand des Nennwerts der Aktien zu berechnen.
Die Anordnung einer Erbenvertretung – nach einem entsprechenden Antrag – liegt im Ermessen der Behörde, wobei sie die Interessen der Erbschaft insgesamt und nicht jene der einzelnen Miterben oder des antragstellenden Erben zu würdigen hat. Die Erben können Vorschläge für die Erbenvertretung unterbreiten, ohne dass die Behörde daran gebunden wäre. Diese ist frei, wen sie als Erbenvertreter einsetzt. Als Erbenvertretung einzusetzen ist grundsätzlich das Notariat oder eine andere geeignete Person. Jede handlungsfähige, natürliche oder juristische Person mit der vorhandenen fachlichen und persönlichen Eignung kann als Erbenvertretung ernannt werden, wobei der Behörde bei der Beurteilung der Eignung ein gewisses Ermessen zukommt.
Der Erbenvertretung wird als Interessenvertretung für die Erbengemeinschaft als Ganzes, und nicht als Interessenvertretung eines einzelnen Erben, bestellt. Ein Rückzug des Antrags auf Einsetzung einer Erbenvertretung ist nach erfolgter Ernennung nicht mehr möglich. Der Entscheid zur Beendigung der Erbenvertretung vor der Teilung der Erbschaft obliegt alleine der Ernennungsbehörde. Die Kosten der Erbenvertretung sowie die Verfahrenskosten zur Einsetzung der Erbenvertretung (nicht jedoch die Kosten eines entsprechenden Berufungsverfahrens) sind als Erbgangsschulden dem Nachlass aufzuerlegen.
06/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF230034
Testamente werden vom Einzelgericht in einem nicht streitigen, summarischen Verfahren eröffnet. Sinn und Zweck der Testamentseröffnung ist, den Verfügungsinhalt bekanntzugeben. Dazu hat das Eröffnungsgericht die Erben zu ermitteln, damit sie von der letztwilligen Verfügung Kenntnis nehmen und in der Folge ihre Rechte wahren können. Dabei hat es eine vorläufige Prüfung und Auslegung des Testaments vorzunehmen und im Hinblick auf die an die eingesetzten Erben auszustellende Erbbescheinigung insbesondere zu bestimmen, wer nach dem Wortlaut des Testaments prima facie als Berechtigter zu gelten hat. Diese Auslegung hat aber immer nur provisorischen Charakter und keine materiell-rechtliche Wirkung. Über die formelle und materielle Rechtsgültigkeit einer letztwilligen Verfügung und die definitive Ordnung der materiellen Rechtsverhältnisse befindet das Eröffnungsgericht somit nicht; dies bleibt im Streitfall dem anzurufenden ordentlichen Zivilgericht vorbehalten. Das Obergericht prüft nach ständiger Praxis lediglich, ob das Einzelgericht bei der Testamentseröffnung im beschriebenen beschränkten Rahmen zutreffend vorgegangen ist. Die Frage, ob durch das Testament Pflichtteile von gesetzlichen Erben verletzt wurden, sprengt den Rahmen eines Eröffnungsverfahrens. Dies wäre erst in einem Herabsetzungsverfahren zu prüfen, das durch eine Herabsetzungsklage gemäss Art. 522 ff. ZGB einzuleiten wäre.
06/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich PF230011
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung handelt es sich bei Anordnungen über die Erbenvertretung um vorsorgliche Massnahmen. Dies gilt auch für Entscheide im Zusammenhang mit diesem Amt, so insb.für die Festsetzung des Honorars. Es gilt im erstinstanzlichen Verfahren und im Beschwerdeverfahren die einfache Untersuchungsmaxime (vgl. § 83 Abs. 3 GOG ZH).
Aus dem Umstand, dass ein Erbe mit den Handlungen des Erbenvertreters nicht einverstanden ist, lässt sich noch kein offenbar unsachliches Vorgehen ableiten; der Erbenvertreter muss nicht für alle seine Handlungen das Einverständnis der Erben einholen; er ist im Rahmen seines Auftrags gesetzlicher Vertreter der Erbengemeinschaft, die er ohne ihre Zustimmung oder nachträgliche Genehmigung berechtigen und verpflichten kann.
Die Aufsichtsbehörde braucht – krasse Fälle von Pflichtverletzungen vorbehalten – grundsätzlich nicht von Amtes wegen, sondern nur auf Beschwerde hin tätig zu werden. Sie muss nicht bereits während der Dauer des Erbenvertretermandates einen Rechenschaftsbericht einholen. Mit der Übermittlung seiner Honorarnoten mitsamt Leistungsdetails ist der Erbenvertreter vorliegend seiner Rechenschaftspflicht genügend nachgekommen.
06/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich PF230012
Auf Begehren eines Miterben kann die zuständige Behörde für die Erbengemeinschaft eine Erbenvertretung bestellen (Art. 602 Abs. 3 ZGB). Dabei regeln die Kantone die zuständige Behörde und – mangels Regelung in der ZPO – das Verfahren (Art. 54 SchlT ZGB). Im Kanton Zürich ist das Einzelgericht für die Bestellung des Erbenvertreters und die Aufsicht über denselben zuständig (§ 137 lit. h und § 139 Abs. 1 GOG). Das Einzelgericht entscheidet über die Entschädigung in seiner Funktion als Aufsichtsbehörde. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung handelt es sich bei Anordnungen über die Erbenvertretung um vorsorgliche Massnahmen. Dies gilt auch für Entscheide im Zusammenhang mit diesem Amt, so insbesondere für die Festsetzung des Honorars.
Die Aufsicht über den Erbenvertreter ist in erster Linie formeller und administrativer Natur; materielle Rechtsfragen sind durch den Zivilrichter zu entscheiden. Die Aufsichtsbehörde hat eine inhaltliche Kontrolle restriktiv vorzunehmen und erst einzuschreiten, "wenn der Erbenvertreter die ihm gesetzten gesetzlichen und verfassungsmässigen Schranken missachtet, insbesondere seinen erheblichen Ermessensspielraum sprengt und damit das Willkürverbot verletzt". Die beschränkte Kognitionsbefugnis der Aufsichtsbehörde gilt auch für die Festsetzung der Entschädigung nach § 139 Abs. 1 GOG. Die Aufsichtsbehörde braucht – krasse Fälle von Pflichtverletzungen vorbehalten – grundsätzlich nicht von Amtes wegen, sondern nur auf Beschwerde hin tätig zu werden.
05/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_146/2023
Das von einem Erben gegen die Handlung eines Willensvollstreckers angestrengte Verfahren betrifft keine Zivilsache im Sinne von Art. 1 Bst. a ZPO. Es handelt sich um einen Fall der staatlichen Aufsicht über den Willensvollstrecker und das Verfahren dient nicht der Beantwortung materiellrechtlicher Fragen des Erbrechts. Die Kantone sind daher für die Regelung des Verfahrens zuständig, wobei die ZPO im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit nur dann direkt anwendbar ist, wenn das Bundesrecht selbst eine richterliche Behörde vorschreibt. Dies ist bei der Aufsicht über den Willensvollstrecker nicht der Fall. Soweit die Kantone die ZPO für anwendbar erklären, wird diese auch zu kantonalem Recht und das Bundesgericht kann daher den Entscheid nach kantonalem Recht nur auf die Verletzung verfassungsmässiger Rechte überprüfen.
Zu den Berufsregeln, die Anwälte einhalten müssen, gehört gemäss Art. 12 Bst. c BGFA, dass sie jeden Konflikt zwischen den Interessen ihrer Klienten und den Interessen von Personen, mit denen sie beruflich oder privat in Beziehung stehen, vermeiden müssen. Das daraus resultierende Vertretungsverbot für den Anwalt stellt keine Disziplinarmassnahme im Sinne von Art. 17 BGFA dar. Die Entscheidung über die Vertretungsbefugnis des Anwalts fällt in die Kategorie der Entscheidungen über die Prozessführung im Sinne von Art. 124 Abs. 1 ZPO. Die fehlende Vertretungsbefugnis ist geltend zu machen, sobald die Person, die sich für geschädigt hält, davon Kenntnis erhält. Andernfalls verliert sie das Recht, sich später darauf zu berufen.
Grundsätzlich hat der Willensvollstrecker die Rechte und Pflichten eines Erbschaftsverwalters (Art. 518 Abs. 1 ZGB), aber der Erblasser kann die Befugnisse des Willensvollstreckers erweitern oder sie auf bestimmte Aspekte der Nachlassabwicklung, auf bestimmte Vermögenswerte oder auf eine bestimmte Dauer beschränken. Der Willensvollstrecker ist für die gute und getreue Ausführung der ihm übertragenen Aufgaben verantwortlich; diese Verantwortung gegenüber den Erben wird wie diejenige eines Beauftragten beurteilt, dem er gleichgestellt ist (Art. 398 Abs. 2 OR). Wenn der Erblasser nichts anderes bestimmt, hat der Willensvollstrecker die Aufgabe, den Willen des Erblassers durchzusetzen, insbesondere den Nachlass zu verwalten, die Schulden zu bezahlen, die Vermächtnisse zu erfüllen und die Teilung vorzubereiten, wie es der Erblasser angeordnet hat oder wie es das Gesetz vorschreibt (Art. 518 Abs. 2 ZGB). Der Willensvollstrecker muss seine Tätigkeit unverzüglich aufnehmen, sie zügig und ohne Unterbrechung durchführen. Er muss die dringlichsten Angelegenheiten identifizieren und die notwendigen Sicherungsmassnahmen treffen, um die Rechte der Erben bestmöglich zu wahren. Als Folge seiner Rechenschaftspflicht gegenüber den Erben ist er verpflichtet, ein Inventar der Aktiven und Passiven des Nachlasses zu erstellen. Darüber hinaus hat er die Pflicht, das Nachlassvermögen zu verwalten, d. h. alle Massnahmen zu ergreifen, die zur Erhaltung des Nachlasses und zu seiner Liquidation erforderlich sind. Er muss letztlich im besten Interesse des Nachlasses handeln und verfügt in dieser Hinsicht über einen grossen Ermessensspielraum, der einerseits durch das Beschwerderecht der Erben bei der Aufsichtsbehörde und andererseits durch seine Sorgfaltspflicht, die mit seiner Haftung gegenüber den Erben sanktioniert wird, eingeschränkt ist.
Der Willensvollstrecker unterliegt der Aufsicht der Behörde (Art. 518 ZGB, Art. 595 Abs. 3 ZGB), die insb. befugt ist, Disziplinarmassnahmen zu ergreifen. Die schwerwiegendste Massnahme ist die Absetzung des Willensvollstreckers wegen Unfähigkeit oder grober Pflichtverletzung. Letztere Massnahme kommt nur in Betracht, wenn eine konkrete Gefahr für das Nachlassvermögen besteht und eine weniger strenge Maßnahme nicht zum Ziel führt, da sie erhebliche Auswirkungen auf die künftige Nachlassverwaltung hat, da die Aufsichtsbehörde nicht befugt ist, einen Ersatz für den abgesetzten Willensvollstrecker zu ernennen, sondern die Erben den Nachlass selbst abwickeln müssen. Als mögliche Gründe werden die Unfähigkeit des Willensvollstreckers (Handlungsunfähigkeit oder Privatkonkurs), die Verzögerung bei der Erfüllung des Mandats, die Unangemessenheit einer Entscheidung oder das Fehlen von Informationen genannt. Die Aufsichtsbehörde überprüft die vom Willensvollstrecker getroffenen oder geplanten Massnahmen, wobei die materiellrechtlichen Fragen den ordentlichen Gerichten vorbehalten bleiben.
Meinungsverschiedenheit zwischen dem Willensvollstrecker und Erben über die Bedeutung bestimmter testamentarischer Verfügungen reicht nicht aus, um eine Absetzung des Willensvollstreckers zu rechtfertigen.
Nach Art. 517 Abs. 3 ZGB hat der Willensvollstrecker Anspruch auf eine angemessene Entschädigung. Die Entschädigung wird grundsätzlich erst bei Beendigung der Tätigkeit des Willensvollstreckers fällig. Handelt es sich jedoch um eine besonders langwierige Aufgabe, hat der Willensvollstrecker Anspruch auf Vorschüsse auf seine Vergütung und die Erstattung seiner Auslagen. Dies nimmt den Erben jedoch nicht das Recht, auf Rückerstattung eines vor Beendigung des Amtes zu Unrecht erhobenen Vorschusses zu klagen. Der Willensvollstrecker kann seine Vergütung selbst aus dem Nachlassvermögen entnehmen. Er muss die Erben jederzeit informieren und ihnen eine Abrechnung über seine Leistungen vorlegen. Im Streit um den Anspruch des Testamentsvollstreckers auf eine angemessene Entschädigung für seine Tätigkeit handelt der Willensvollstrecker nicht als Nachlassverwalter, sondern als Partei in eigener Sache. Die Vergütung des Willensvollstreckers ist Teil der Nachlassverbindlichkeiten. Der Streit um das Honorar des Willensvollstreckers betrifft nicht die Ausführung des Mandats des Willensvollstreckers, sondern die Abwicklung des privatrechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen dem Willensvollstrecker und dem Nachlass nach der Ausführung des Mandats. Folglich steht der Willensvollstrecker im Streit um seine Vergütung vor dem Zivilrichter in der Regel den Erben gegenüber, selbst wenn ein Erbe oder Vermächtnisnehmer ihm vorwirft, durch die Berechnung eines überhöhten Honorars die Nachlassaktiven geschmälert zu haben. Die Anfechtung des ungerechtfertigten Charakters dieser Abgaben und gegebenenfalls die Rückerstattung der zu viel erhobenen Aufwendungen aus dem Nachlassvermögen fallen in die Zuständigkeit des Zivilrichters. Im vorliegenden Fall stellte die kantonale Behörde fest, dass der Willensvollstrecker die Erben genau über seine Tätigkeit und seine Vergütung sowie über die Überweisungen informiert hatte, die er als Vorschüsse und durch die Ausführung seines Mandats verursachte Kosten für fällig erachtete.
05/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts BGE 149 III 345 (5A_961/2022)
Im vorliegenden Fall hat ein eingesetzter Erbe die Erbschaft ausgeschlagen, weshalb sein Anteil auf die nächsten gesetzlichen Erben übergegangen ist (vorliegend waren dies die Geschwister des Erblassers). Zumal diese gesetzlichen Erben die Erbschaft ebenfalls ausgeschlagen haben, wurde der Nachlass konkursamtlich liquidiert. Zu entscheiden war sodann, wer an einem positiven Liquidationserlös i.S.v. Art.573 Abs.2 ZGB berechtigt ist. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist Art. 573 Abs. 2 ZGB nicht so zu verstehen, dass er den Berechtigten in Bezug auf die fraglichen Vermögenswerte die Erbenstellung zurückgeben würde, die sie durch die Ausschlagung verloren hatten; daher ist der Anspruch auf den Liquidationssaldo nicht erbrechtlicher, sondern obligatorischer Natur, wie der Anspruch des Vermächtnisnehmers auf Herausgabe des Vermächtnisses. Die Berechtigten sind gemeinsame Eigentümer der im Liquidationsüberschuss enthaltenen Vermögenswerte; die Aufteilung des Überschusses erfolgt nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Umstritten ist die Frage, wem der Restbetrag der Liquidation zusteht, wenn die eingesetzten und gesetzlichen Erben die Erbschaft ausschlagen. Ein Teil der Lehre vertritt die Ansicht, dass dieser nur den gesetzlichen Erben zusteht. Andererseits wird die Meinung vertreten, dass der Überschuss den gesetzlichen und eingesetzten Erben zufallen sollte. Das Bundesgericht folgt der Meinung, wonach auch die eingesetzten Erben als Teil der Berechtigten i.S.v. Art. 573 Abs. 2 ZGB anzusehen sind. Besteht ein eingesetzter Alleinerbe (unter Ausschluss der gesetzlichen Erbfolge), wird der Liquidationserlös an diesen eingesetzten Erben ausbezahlt.
05/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_681/2022
Der Erbenvertreter wird für die Erbengemeinschaft bestellt und nicht als Vertreter und im Interesse eines einzelnen Erben. Er ist im Rahmen seines Auftrags gesetzlicher Vertreter der Erbengemeinschaft, die er ohne ihre Zustimmung oder nachträgliche Genehmigung berechtigen und verpflichten kann, und schliesst im ihm übertragenen Tätigkeitsbereich eigenes Handeln der Erben für den Nachlass aus. Für die Regelung rein interner Zwistigkeiten ist die Erbenvertretung nicht geeignet und auch nicht vorgesehen. Doch kann sie dafür sorgen, dass die Erbschaft im Interesse aller Erben verwaltet wird und Eigenmächtigkeiten einzelner Erben unterbunden werden. Der Erbenvertreter hat die zweckmässige Verwaltung der Nachlassgegenstände zu gewährleisten.
05/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich PF230009
Nach Art. 602 Abs. 2 ZGB werden mehrere Erben Gesamteigentümer der Erbengegenstände und verfügen unter Vorbehalt der vertraglichen und gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnis gemeinsam über die Rechte der Erbschaft. Aus diesem erbrechtlichen Gesamthandsprinzip ergibt sich, dass die Mitglieder einer Erbengemeinschaft in der Rechtsfolge nur gemeinsam zur Prozessführung befugt sind. Sie müssen alle zusammen klagen und bilden eine notwendige Streitgenossenschaft (Art. 70 Abs. 1 ZPO). Selbstständiges zivilprozessuales Vorgehen einzelner Miterben auf der Aktivseite hat das Bundesgericht bloss in Ausnahmefällen zugelassen. Dies etwa bei zeitlicher Dringlichkeit sowie bei unmittelbarem oder mittelbarem Einbezug aller Erben in das Verfahren, daneben aufgrund des Zweckgedankens des Gesamthandprinzips auch für die Verfolgung blosser Informationsansprüche über Erbschaftsaktien, die keine Benachteiligung der Miterben zur Folge haben können.
Erbrechtliche Angelegenheiten sind naturgemäss vermögensrechtlicher Art. Dies gilt auch für die erbrechtlichen Sicherungsmassregeln – wie die Testamentseröffnung. Die Testamentseröffnung macht die letztwillige Verfügung der Erblasserin den möglichen Berechtigten zugänglich. Das Gericht hat die Berechtigten zu ermitteln und eine vorläufige Prüfung und Auslegung des Testaments vorzunehmen. Die Gebühr für diesen Entscheid wird im Rahmen des kantonalen Tarifs als Pauschale festgesetzt. Sie berechnet sich im Kanton Zürich nach der GebV OG, welche im Zivilprozess unter Berücksichtigung von Zeitaufwand und Schwierigkeit des Falles streitwertabhängige Gebühren vorsieht. Bei Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bzw. nicht streitigen Erbschaftsangelegenheiten bemisst sich die Gebühr nach dem Interessenwert und dem Zeitaufwand des Gerichts. Der Streitwert bzw. Interessenswert berechnet sich praxisgemäss bei den erbrechtlichen Sicherungsmassregeln nach dem Wert der Hinterlassenschaft, wobei im Kanton Zürich jeweils auf die Angaben der Steuerbehörde über das zuletzt versteuerte Gesamtvermögen der verstorbenen Person abgestellt wird. Hierbei ist zu beachten, dass bei verheirateten Personen güterrechtlichen Ansprüchen durch Reduktion auf die Hälfte des versteuerten Vermögens Rechnung getragen wird. Die Kantone haben bei der Gebührfestsetzung jedoch das Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip zu beachten. Mit Bezug auf das Kostendeckungsprinzip ist notorisch, dass die von den zürcherischen Gerichten erhobenen Gebühren insgesamt – was für das Kostendeckungsprinzip einzig massgebend ist – bei weitem die Kosten nicht decken. Das Äquivalenzprinzip verlangt weitergehend, dass die Höhe der Gebühr im Einzelfall in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert steht, den die staatliche Leistung für den Abgabepflichtigen hat. Dabei ist es nicht unzulässig, dass eine Gebühr die im jeweiligen Einzelfall entstandenen Kosten übersteigt. Gerichte und Behörden haben dem Interesse des Abgabepflichtigen an der fraglichen Amtshandlung bei der Gebührenfestsetzung Rechnung zu tragen. Eine gewisse Schematisierung ist zulässig.
05/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich RB230006
Vorliegend wurde eine Beweisverfügung angefochten. Im Unterschied zu den qualifizierten prozessleitenden Verfügungen (Art. 319 lit. b Ziff. 1 ZPO) besteht für einfache prozessleitende Verfügungen keine Anfechtungsobliegenheit. Die von Instruktionsrichter erlassene Beweisverfügung kann jederzeit abgeändert und ergänzt werden (Art. 154 ZPO). Insbesondere steht es auch dem Kollegium frei, darauf zurückzukommen. Aus diesem Grund ist ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil grundsätzlich nicht ersichtlich, weil die Überprüfung der Beweisverfügung durch das Kollegialgericht erfolgen kann. Es sei denn, die spätere Geltendmachung vor dem Gesamtgericht würde nichts mehr nützen, wie z.B. bei der Anordnung eines offensichtlich unnötigen Gutachtens durch den Instruktionsrichter, wenn dadurch das Verfahren erheblich verzögert wird und Zusatzkosten entstehen.
05/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF230030
Testamente werden vom Einzelgericht in einem nicht streitigen, summarischen Verfahren eröffnet. Dazu hat das Eröffnungsgericht die Erben zu ermitteln, damit sie von der letztwilligen Verfügung Kenntnis nehmen und in der Folge ihre Rechte wahren können. Dabei hat es eine vorläufige Prüfung und Auslegung des Testaments vorzunehmen und im Hinblick auf die an die eingesetzten Erben auszustellende Erbbescheinigung insbesondere zu bestimmen, wer nach dem Wortlaut des Testaments prima facie als Berechtigter zu gelten hat. Diese Auslegung hat aber immer nur provisorischen Charakter und keine materiell-rechtliche Wirkung. Über die formelle und materielle Rechtsgültigkeit einer letztwilligen Verfügung und die definitive Ordnung der materiellen Rechtsverhältnisse befindet das Eröffnungsgericht somit nicht; dies bleibt im Streitfall dem anzurufenden ordentlichen Zivilgericht vorbehalten.
Die Fragen, ob der Erblasser urteils(un)fähig war und die Formvorschriften eingehalten wurden, sprengen den Rahmen eines Eröffnungsverfahrens. Dies wäre erst in einem allfälligen Ungültigkeitsverfahren zu prüfen.
05/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich PF230010
Im Kanton Zürich beurteilt das Einzelgericht Beschwerden und Anzeigen gegen Willensvollstreckerinnen und Willensvollstrecker. Das Einzelgericht eröffnet solche Verfahren nicht von Amtes wegen, sondern nur auf Anstoss von Betroffenen oder Dritten. Das Einzelgericht wendet dabei die Bestimmungen des summarischen Verfahrens analog an. Die Willensvollstreckerbeschwerde richtet sich gegen getroffene, unterlassene oder beabsichtigte Handlungen des Willensvollstreckers. . Mit der Willensvollstreckerbeschwerde können dabei auch Ermessensentscheide des Willensvollstreckers angefochten werden. Allerdings beschränkt sich die Überprüfungsbefugnis der Aufsichtsbehörde auf das formelle Vorgehen des Willensvollstreckers. Demgegenüber darf die Aufsichtsbehörde materiellrechtliche Fragen nicht behandeln. Dafür ist das Zivilgericht zuständig.
Willensvollstrecker haben den Willen des Erblassers zu vertreten und gelten insbesondere als beauftragt, die Erbschaft zu verwalten, die Schulden des Erblassers zu bezahlen, die Vermächtnisse auszurichten und die Teilung nach den vom Erblasser getroffenen Anordnungen oder nach Vorschrift des Gesetzes auszuführen (Art. 518 Abs. 2 ZGB). Der Gesetzgeber regelt die Entschädigung des Beauftragten (Art. 394–406 OR) und des Willensvollstreckers (Art. 517 f. ZGB): Während im Auftragsrecht eine Vergütung bloss dann geschuldet ist, wenn sie verabredet oder zumindest üblich ist (Art. 394 Abs. 3 OR), haben Willensvollstrecker einen zwingenden Anspruch auf eine Entschädigung, die zudem "angemessen" sein muss (Art. 517 Abs. 3 ZGB). Das Gericht darf einen Willensvollstrecker bezüglich der weiteren, vom Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Entschädigungsmodalitäten nicht unbesehen dem Auftragsrecht unterstellen. Vielmehr muss es im Einzelfall prüfen, ob eine lückenfüllende Anwendung von Auftragsrecht auf den Willensvollstrecker sachgerecht erscheint.
Das Wirken eines Willensvollstreckers umfasst zum einen seine gesetzlichen Kernaufgaben (Art. 518 Abs. 2 ZGB) und zum anderen alle weiteren Tätigkeiten, die er im Rahmen seines Mandates wahrnimmt. Zu diesen weiteren Tätigkeiten zählen beispielsweise die Prozessführung für den Nachlass oder das Vermitteln von Verkaufsgelegenheiten für Nachlassliegenschaften. Ein Willensvollstrecker muss den Kernbereich seines Mandats grundsätzlich persönlich erfüllen. Dies folgt aus seiner Stellung als Vertrauensperson des Erblassers. Demgegenüber darf und muss er gegebenenfalls die weiteren Aufgaben fachkundigen Drittpersonen überlassen. Der Willensvollstrecker hat Anspruch auf Ersatz der Spesen und Auslagen, wenn er befugterweise Dritte, wie Banken, Vermögensverwalter, Rechtsanwälte oder Liegenschaftsschätzer beizieht. Verfügt der Willensvollstrecker über die nötige Fachkunde, kann er in eigener Person auch solche Aufgaben wahrnehmen, die an sich nicht zum Kernbereich seiner Aufgaben gehören. In diesem Fall hat er Anspruch auf eine zusätzliche Entschädigung. Sowohl die angemessene Vergütung als auch die Spesen und Auslagen sind Erbgangsschulden im Sinne von Art. 474 Abs. 2 ZGB. Damit sind sie für die Berechnung der Pflichtteile vom Nachlass abzuziehen.
Bei komplexen erbrechtlichen Angelegenheiten erstrecken sich Willensvollstreckermandate häufig über mehrere Jahre. Aus diesem Grund kann ein Willensvollstrecker bei der Übernahme eines konkreten Mandats kaum je mit Bestimmtheit vorhersagen, wie lange dieses dauern wird. Selbst wenn ein langjähriges Mandat nicht die Haupteinnahmequelle eines Willensvollstreckers bildet, hat dieser dennoch ein legitimes Interesse an einer zeitnahen Vergütung. Dies gilt besonders für professionelle Willensvollstrecker, wie Anwältinnen oder Treuhänder, die regelmässig nicht nur sich selbst, sondern auch ihr Sekretariat oder die vorstehend erwähnten externen Spezialistinnen entschädigen müssen. Darüber hinaus fallen ihnen Sachkosten an, wie namentlich die Miete der eigenen Büroräumlichkeiten oder der Unterhalt ihres EDV-Systems, die anteilsmässig abzugelten sind. Einem Willensvollstrecker kann nicht zugemutet werden, bis zum formellen Abschluss seines Mandats auf die Vergütung warten zu müssen. Vielmehr ist er möglichst rasch zu entschädigen. Aus diesem Grund dürfen Willensvollstrecker bei einer längerdauernden Tätigkeit aus dem Nachlass selbstständig Akontovorschüsse beziehen. Das Recht zu solchen Bezügen ist in Lehre und Rechtsprechung seit jeher anerkannt. Der Willensvollstrecker muss seine Vorschüsse nicht von den Erben bewilligen lassen. Eine solche Bewilligungspflicht liesse sich mit der Rechtsnatur der Willensvollstreckung nicht vereinbaren: Der Willensvollstrecker handelt nämlich aus eigenem Recht frei und selbstständig. Entsprechend können die aus einem Testament begünstigten Personen einen Willensvollstrecker weder bindende Instruktionen erteilen noch ihn absetzen, selbst wenn sich alle diesbezüglich einig wären. Vielmehr handelt der Willensvollstrecker autonom nach den Vorschriften des Erblassers und nach objektiven Gesichtspunkten im Interesse der Erben, Vermächtnisnehmer und Gläubiger. Bestünde ein Zustimmungserfordernis zu den einzelnen Vorschussbezügen des Willensvollstreckers, könnten die Erben bzw. ein einzelner Erbe den Willensvollstrecker gewissermassen aushungern, mithin faktisch zur Niederlegung seines Mandats zwingen. Akontozahlungen bilden Zwischenzahlungen, die auf Anrechnung des Schlussbetrages erfolgen. Sie entfalten keine präjudizielle Wirkung. Liegt die Summe der Akontozahlungen unter dem definitiv geschuldeten Betrag, erfolgt eine Nachzahlung zugunsten des Willensvollstreckers. Übersteigen die Akontozahlungen diesen Schlussbetrag, hat der Willensvollstrecker die Differenz den Erben zurückzuerstatten. Ist die Höhe der Willensvollstreckerentschädigung strittig, entscheidet das ordentliche Zivilgericht. Das Aufsichtsverfahren bezweckt nicht, die Grundlage für einen Honorarstreit zu schaffen. Alleine das Zivilgericht prüft die Aktiv- und Passivlegitimation der Parteien und legt die endgültige Höhe der Entschädigung fest. Bedeutungslos ist dabei, ob der Willensvollstrecker seine Entschädigung vorschussweise bereits ganz oder teilweise aus dem Nachlass bezogen hat. Mangels sachlicher Zuständigkeit darf sich die Aufsichtsbehörde nicht zur angemessenen Höhe des Willensvollstreckerhonorars äussern. Die Aufsichtsbehörde verteilt auch keine Parteirollen für einen späteren Zivilprozess.
04/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_765/2022
Gemäss Art. 604 Abs. 1 ZGB kann jeder Miterbe zu beliebiger Zeit die Teilung der Erbschaft verlangen, soweit er nicht durch Vertrag oder Vorschrift des Gesetzes zur Gemeinschaft verpflichtet ist. Vollständig übergangene Pflichtteilserben erlangen ihre Erbenstellung erst mit einem zu ihren Gunsten lautenden Herabsetzungs- oder Ungültigkeitsurteil. Bis dahin kommt ihnen bloss virtuelle Erbenstellung zu. Zur Erbteilungsklage sind sie daher erst legitimiert, nachdem sie ihre Erbenstellung durch Gestaltungsurteil erstritten haben. Werden Pflichtteilserben in einer Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge nicht ausdrücklich ausgeschlossen, sondern schlicht nicht erwähnt, so kommt ihnen nur dann virtuelle Erbenstellung zu, wenn der gesamte Nachlass den anderen Erben zugewendet wird. Andernfalls wird der Pflichtteilserbe aufgrund der subsidiär anwendbaren gesetzlichen Erbfolge gemäss Art. 481 Abs. 2 ZGB dennoch Erbe.
Die obligationenrechtlichen Regeln der Vertragsauslegung gelten nach der Rechtsprechung auch für Erbverträge. Ziel dieser Auslegung ist es in erster Linie, den übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen festzulegen. Bleibt der tatsächliche Parteiwille unbewiesen, sind die Erklärungen und Verhaltensweisen der Parteien nach dem Vertrauensprinzip so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie nach den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten. Massgebend ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Umstände, die den Erklärungen der Parteien vorangegangen sind oder sie begleitet haben, können berücksichtigt werden. Nachträgliches Parteiverhalten ist bei der Auslegung nach dem Vertrauensprinzip hingegen nicht von Bedeutung. Es kann allenfalls auf einen tatsächlichen Willen der Parteien schliessen lassen.
Klagebegehren sind objektiv nach allgemeinen Grundsätzen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben im Lichte der Begründung auszulegen. Es wäre überspitzt formalistisch, eine Partei auf der unglücklichen Formulierung oder beim unbestimmten Wortlaut ihres Rechtsbegehrens zu behaften, wenn sich dessen Sinn unter Berücksichtigung der Klagebegründung, der Umstände des zu beurteilenden Falles oder der Rechtsnatur der betreffenden Klage ohne Weiteres ermitteln lässt. Massgebend ist letztlich, ob sich aus dem Begehren in Verbindung mit der Begründung mit hinreichender Klarheit entnehmen lässt, was eigentlich gewollt ist. Die Pflicht zur Auslegung besteht nur dann nicht, wenn das - an sich mangelhafte - Begehren den wirklichen Willen der Partei wiedergibt; diesfalls ist vom Wortlaut des Begehrens auszugehen.
04/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_405/2022
Unerlässliche Voraussetzung für das Vorliegen und die Gültigkeit einer letztwilligen Verfügung ist insbesondere, dass der Erblasser seinen Testierwillen (animus testandi), das heisst seinen rechtsgeschäftlichen Gestaltungswillen erklärt, über sein Vermögen für die Zeit nach seinem Tod zu verfügen. Dieser Gestaltungswille umfasst zum einen den Geschäftswillen, das heisst den (endgültigen und aktuellen) Willensentschluss des Erklärenden, ein Rechtsverhältnis in bestimmter Weise zu gestalten, zum andern den Erklärungswillen, also den Entschluss des Erklärenden, den Geschäftswillen zu äussern.
Der Wille muss aus dem Testament selbst, das heisst aus dem hervorgehen, was der Erblasser geschrieben hat. Sind die schriftlich festgehaltenen Anordnungen so formuliert, dass sie ebenso gut im einen wie im andern Sinn verstanden werden können, darf das Gericht die Formulierungen, derer sich der Erblasser bedient hat, unter Berücksichtigung des Testaments als Ganzes auslegen und es kann auch ausserhalb der Testamentsurkunde liegende Elemente zur Auslegung heranziehen, soweit sie den im Text unklar oder unvollständig ausgedrückten Willen erhellen. In gleicher Weise kann es sich auf die allgemeine Lebenserfahrung abstützen oder die Verfügung "in favorem testamenti" auslegen, das heisst von mehreren Auslegungsmöglichkeiten diejenige wählen, welche die Aufrechterhaltung der Verfügung ermöglicht. Die Auslegung einer Willenserklärung setzt aber voraus, dass ein animus testandi aus der Verfügung hervorgeht. Daher darf durch die Auslegung "nichts in die Verfügung hineingelegt werden, was nicht darin enthalten ist". In diesem Sinne ist die Rechtsprechung zu verstehen, wonach das Gericht so genannte Externa nur insoweit zur Auslegung heranziehen darf, als sie ihm erlauben, eine im Text enthaltene Angabe zu klären oder zu erhärten und den Willen zu erhellen, der in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zum Ausdruck kommt. Dabei ist gemäss Art. 18 Abs. 1 OR, der bei der Auslegung letztwilliger Verfügungen Anwendung findet (Art. 7 ZGB), der wirkliche Wille beachtlich, nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise. Stets hat es jedoch bei der willensorientierten Auslegung zu bleiben; eine Auslegung nach dem am Erklärungsempfänger orientierten Vertrauensprinzip fällt ausser Betracht. Die Erben oder andere Bedachte haben keinen Anspruch auf Schutz ihres Verständnisses der letztwilligen Verfügung; es kommt mit andern Worten nicht darauf an, wie sie die Erklärung des Erblassers verstehen durften und mussten, sondern einzig darauf, was der Erblasser mit seiner Äusserung sagen wollte. Wer sich auf einen vom objektiv verstandenen Sinn und Wortlaut abweichenden Willen des Erblassers beruft, ist beweispflichtig und hat entsprechende Anhaltspunkte konkret nachzuweisen.
Einem Entwurf mangelt es gerade an einem Verfügungs- bzw. Testierwillen und damit am Tatbestand für das Vorliegen einer letztwilligen Verfügung. Vorliegend wurde ein Dokument mit "Vorbereitung für Testament" überschrieben. Dem entgegen steht die Unterschrift des Erblassers. Das Bundesgericht hat hierzu festgehalten, dass das Erfordernis der Unterschrift am Ende des Dokuments die Unterscheidung einer eigenhändigen letztwilligen Verfügung von einem einfachen Entwurf ermögliche. Die Formbedürftigkeit eines Rechtsgeschäfts ist ausserdem nicht Selbstzweck. Mit Bezug auf die letztwillige Verfügung im Sinn von Art. 505 ZGB hat das Bundesgericht erwogen, dass die eigenhändige Form vor allem den Zweck hat, den Willen des Erblassers, seinen animus testandi, sichtbar zu machen, also seine Absicht, über sein Vermögen für die Zeit nach seinem Tod zu verfügen. Die in anderem Zusammenhang ergangenen Bundesgerichtsentscheide können jedoch nicht 1:1 auf den vorliegenden Fall übertragen werden. So liegt vorliegend nämlich einerseits eine Überschrift vor, die das Dokument als Vorbereitung ausweist und auf einen Entwurf hindeutet. Andererseits darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Vorliegen eines Testierwillens grundsätzlich unabhängig vom Erfüllen der Formvorschriften selbständig zu prüfen ist. Mithin ist auch eine zufällige Erfüllung der Formvorschriften denkbar oder sind etwa auch Scherzerklärungen unter Umständen unterschrieben, obschon es auch in diesem Fall an einem Testierwillen fehlt. Auch in der Literatur wird hierzu ausgeführt, sei ein ansonsten formgültiges Testament mit "Entwurf" überschrieben, so liege nicht etwa ein Testament vor, das anzufechten wäre, sondern es liege gar kein Testament vor. Allein mit der Unterschrift des Erblassers kann der Testierwille nicht nachgewiesen werden, ungeachtet der übrigen Elemente. Auch die Ernennung eines Willensvollstreckers ist kein Indiz für den bestehenden Testierwillen, denn eine solche kann ohne Weiteres Teil eines Entwurfs sein, dem deswegen noch kein definitiver Charakter zukommt. Dem vorliegenden Dokument kam kein Testierwille, sondern der Charakter eines Entwurfs zu.
04/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF220074
Bei einer ausländischen Erblasserin mit letztem Wohnsitz im Ausland sind die schweizerischen Gerichte oder Behörden am Ort der gelegenen Sache für den in der Schweiz gelegenen Nachlass zuständig, soweit sich die ausländischen Behörden nicht damit befassen (Art. 88 Abs. 1 IPRG). Es handelt sich um eine subsidiäre Zuständigkeit der schweizerischen Behörden am Belegenheitsort. Voraussetzung für die hilfsweise Zuständigkeit der schweizerischen Nachlassbehörden ist, dass die zuständige ausländische Behörde untätig bleibt. Welche Behörden insoweit als zuständig erachtet werden, bestimmt sich nach Schweizer Recht. Dabei soll von der Kompetenz all derjenigen Behörden ausgegangen werden, deren Rechtshandlungen nach Art. 96 IPRG in der Schweiz anerkennbar sind.
Was die Inaktivität der ausländischen Behörden betrifft, so können die Gründe für die Untätigkeit rechtlicher oder tatsächlicher Natur sein. Ein rechtlicher Grund liegt vor, wenn der ausländische Wohnsitzstaat in seinem Kollisionsrecht die Zuständigkeit ablehnt. Eine Untätigkeit tatsächlicher Natur liegt dagegen vor, wenn die ausländischen Behörden trotz klarer Zuständigkeit nicht aktiv werden, obwohl die Parteien alle zur Nachlassabwicklung erforderlichen Schritte unternommen haben. Obwohl die subsidiär angegangene Schweizer Behörde ihre Zuständigkeit grundsätzlich von Amtes wegen zu prüfen hat, darf von der zuständigkeitssuchenden Partei eine gewisse Mitwirkung verlangt werden. Sofern das Tätigwerden der ausländischen Behörden gemäss deren Recht nur auf ein Begehren hin erfolgt, hat die Partei eine Antragsstellung nachzuweisen. Bei rechtlicher Untätigkeit genügt dagegen der Nachweis der ausländischen Rechtsnormen, welche die Nichtbefassung vorsehen, beispielsweise mittels eines Gutachtens oder Affidavits, ohne dass zusätzlich der Nachweis der tatsächlichen Inaktivität erforderlich wäre.
04/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF230007
Gestützt auf Art. 576 ZGB kann die zuständige Behörde aus wichtigen Gründen den gesetzlichen Erben eine Fristverlängerung gewähren oder – wenn die Frist bereits verstrichen ist – eine neue Ausschlagungsfrist ansetzen, sofern wichtige Gründe vorliegen. Ist das Ausschlagungsrecht jedoch aus den in Art. 571 Abs. 2 genannten Gründen verwirkt, kommt auch keine Fristerstreckung oder -wiederherstellung in Frage. Als wichtige Gründe werden in der Literatur und Praxis beispielsweise die Abwesenheit des Erben, Erbschaftsstreitigkeiten, komplizierte tatsächliche und rechtliche Verhältnisse, andauernde Krankheit des Erben, Vermögenslagen in verschiedenen Staaten, hängige Prozesse, von deren Ergebnis die Entscheidung abhängt, komplexe Rechtslagen (insbesondere internationalprivatrechtlicher Natur) oder vorgängige missverständliche Rechtsbelehrung durch die zuständige Behörde genannt. Eine Härtesituation kann auch bei einer erst nachträglich entdeckten massiven Überschuldung eines zuvor aktiven Nachlasses vorliegen. Sprechen keine Gläubigerinteressen dagegen, kann einem Fristwiederherstellungsgesuch umso eher entsprochen werden. Ob ein die Fristwiederherstellung rechtfertigender Grund vorliegt, hängt davon ab, was der Betroffene innert der ordentlichen Frist unternommen hat bzw. vernünftigerweise hätte unternehmen können, um sich einen Überblick über den Stand des Nachlasses zu verschaffen. Von Bedeutung sind hier namentlich die räumliche und persönliche Nähe zum Erblasser sowie die Familienverhältnisse und die Komplexität der Vermögenssituation des Verstorbenen.
04/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF220102
Die Eröffnung eines Testaments und die Benachrichtigung einer Willensvollstreckerin oder eines Willensvollstreckers gehören zu den Angelegenheiten der freiwilligen bzw. nichtstreitigen Gerichtsbarkeit, für welche im Kanton Zürich das Einzelgericht im summarischen Verfahren zuständig ist. Soweit dies für die vom (Testament-)Eröffnungsgericht zu treffenden Anordnungen zur Sicherung des Erbganges erforderlich ist, hat es eine vorläufige Prüfung und Auslegung des ihm eingelieferten Testaments vorzunehmen. So ist im Hinblick auf die nach Art. 559 ZGB auszustellende Erbbescheinigung insbesondere zu bestimmen, wer nach dem Wortlaut des Testaments als Erbe zu gelten hat. Diese Auslegung hat aber immer nur provisorischen Charakter und keine materiell-rechtliche Wirkung. Mit anderen Worten entscheidet das Eröffnungsgericht nicht über die Gültigkeit eines Testamentes und die definitive Ordnung der Rechtsverhältnisse; dies bleibt im Streitfall dem anzurufenden ordentlichen Gericht vorbehalten.
Das Willensvollstreckerzeugnis ist selbst dann auszustellen, wenn dem Eröffnungsgericht die Gültigkeit des den Willensvollstrecker einsetzenden Testamentes zweifelhaft erscheint. Denn darüber, ob die Einsetzung des Willensvollstreckers rechtsgültig ist oder nicht, entscheidet (ebenfalls) nicht die Eröffnungsbehörde. Dies hätte ein ordentliches Gericht auf Klage hin zu beurteilen.
Das Eröffnungsgericht hat grundsätzlich alle der Einlieferungspflicht unterliegenden Verfügungen zu eröffnen; nach ausdrücklicher Gesetzesvorschrift auch jene, die vom Eröffnungsgericht als formungültig oder nichtig betrachtet werden. Denn die Testamentseröffnung dient den an der Erbschaft Beteiligten namentlich dazu, die letztwillige Verfügung zur Kenntnis nehmen und sie gegebenenfalls anfechten zu können. Die Testamentseröffnung löst namentlich die Klagefrist für die Ungültigkeitsklage (Art. 521 ZGB) aus, soweit diese Frist nicht bereits mit dem Tod der Erblasserin zu laufen begonnen hat. Die Anfechtung des Testamentes mittels Klage hätte durch Einleitung des Schlichtungsverfahrens beim Friedensrichteramt am letzten Wohnsitz der Erblasserin zu erfolgen.
Eine Testamentseröffnung ist auch dann gültig erfolgt ist, wenn die bekannten Erben nicht zur Eröffnung vorgeladen werden, was im Kanton Zürich üblich ist.
04/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LB220036
Eine für die Prozesseinleitung (Herausgabeklage) ausgestellte Generalvollmacht lautete wie folgt: "Diese Generalvollmacht [erlischt] nicht bei [...] Tod der vollmachtgebenden Person [...]." Dass die Generalvollmacht über den Tod des Vollmachtgebers hinaus gilt, ist grundsätzlich zulässig (bestätigend in 5A_579/2021). Sinn und Zweck einer solchen transmortalen Vollmacht ist es u.a., die vermögensrechtliche Interessenwahrung nach dem Tod des Erblassers bis zur Ausstellung der Erbbescheinigung sicherzustellen, was zuweilen lange gehen kann. Den Akten konnte nicht entnommen werden, dass die Generalvollmacht bis zur Klageeinreichung widerrufen worden ist. Entsprechend ist davon auszugehen, dass die Wirksamkeit der transmortalen Generalvollmacht jedenfalls mit dem Widerruf durch einen Erben endet. Ein solcher Widerruf erfolgte im vorliegenden Fall erst nach der Klageeinreichung während dem Gerichtsverfahren. Dieser Widerruf ist als Ausübung eines Gestaltungsrechts unwiderruflich und bedingungsfeindlich. Darin liegt nicht ein unzulässiger Klagerückzug, sondern der widerrufende Kläger schied mit dem Widerruf der Vollmacht aus dem Verfahren aus, und zwar unwiderruflich. Entsprechend ist auf die namens dieses Klägers eingereichte Klage nicht einzutreten; und ab diesem Zeitpunkt fehlte es den verbleibenden Klägern (resp. der Erbengemeinschaft) vorliegend an der Aktivlegitimation. Daran ändert sich auch nichts, dass die Erbengemeinschaft der klagenden Parteien mittels partiellem Erbteilungsvertrag vereinbart hat, dass der materiell noch nicht beurteilte Herausgabeanspruch einem Kläger, welcher die Generalvollmacht nicht widerrufen hat, zugewiesen worden ist. Die partielle Erbteilung (welche nach dem Widerruf erfolgt ist) kann sich auf den Prozess nicht mehr auswirken. Mit dem partiellen Erbteilungsvertrag lässt sich nicht im Nachhinein der Mangel der Aktivlegitimation auf der Klägerseite sanieren. Wohl genügt es, wenn die Aktiv- oder Passivlegitimation im entscheidmassgeblichen Zeitpunkt gegeben ist. Eine Sanierung der mangelnden Aktivlegitimation des verbliebenen Klägers durch eine Neugestaltung der materiellen Rechtslage wäre vor dem erstinstanzlichen Beschluss betreffend die Aktivlegitimation grundsätzlich wohl noch möglich gewesen, zumal Noven im damaligen Zeitpunkt noch unbeschränkt zulässig gewesen wären. Dies war jedoch nicht erfolgt. Entsprechend hat eine Klageabweisung mangels Aktivlegitimation zu erfolgen.
03/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_910/2021
Das Gericht kann gemäss Art. 183 Abs. 1 ZPO auf Antrag einer Partei oder von Amtes wegen bei einer oder mehreren sachverständigen Personen ein Gutachten einholen. Das Gutachten kann als Beweismittel oder nur als Mittel zur Klärung des Sachverhalts dienen. Soweit das Gutachten als Beweismittel fungiert, kann es - in Fällen, die der Verhandlungsmaxime unterliegen - nur auf Antrag einer Partei eingesetzt werden. Soll das Gutachten hingegen nur dem besseren Verständnis des Sachverhalts dienen, kann es auch von Amtes wegen angeordnet werden. Die Ernennung eines Gutachters von Amtes wegen ist somit zulässig, wenn dem Gericht die notwendigen Kenntnisse fehlen, um einen relevanten Sachverhalt zu erfassen und zu beurteilen.
Eine Beweisverfügung, wonach z.B. die Befragung von Zeugen vorgesehen ist, kann jederzeit geändert werden. Sofern die Vorinstanz der Auffassung ist, dass eine Zeugenbefragung unterbleiben könne, weil sich deren Position bereits aus Beweisurkunden ergibt, liegt eine antizipierte Beweiswürdigung vor, was als Sachverhaltsfeststellung vor Bundesgericht nur unter eingeschränkten Voraussetzungen gerügt werden kann.
Eine gültige letztwillige Verfügung setzt Urteilsfähigkeit voraus, d.h. die Fähigkeit, vernünftig zu handeln. Verfügungen von Todes wegen, die von einer Person errichtet wurden, die zum Zeitpunkt der Handlung nicht verfügungsfähig war, können für ungültig erklärt werden. Der Begriff der Urteilsfähigkeit umfasst zwei Elemente: ein intellektuelles Element, die Fähigkeit, den Sinn, die Zweckmässigkeit und die Auswirkungen einer bestimmten Handlung zu beurteilen, und ein willentliches oder charakterliches Element, die Fähigkeit, nach diesem vernünftigen Verständnis und nach freiem Willen zu handeln. Die Urteilsfähigkeit ist nicht abstrakt, sondern im Zusammenhang mit einer bestimmten Handlung zu beurteilen, je nach Schwierigkeit und Tragweite dieser Handlung. Es ist also denkbar, dass eine Person mit einer allgemein eingeschränkten Urteilsfähigkeit dennoch gewisse alltägliche Aufgaben erledigen kann und für die damit verbundenen Handlungen urteilsfähig ist, während bei komplexeren Angelegenheiten die Urteilsfähigkeit verneint werden kann. Im Gegensatz zu kleinen Einkäufen und Alltagsgeschäften gehört das Verfassen eines Testaments zu den anspruchsvolleren Handlungen, insbesondere wenn es sich um komplizierte Verfügungen handelt. Bei der Beurteilung der Urteilsfähigkeit darf jedoch nicht darauf abgestellt werden, ob die getroffenen Anordnungen weise, den Umständen entsprechend gerechtfertigt oder einfach nur fair sind; allenfalls kann eine absurde Anordnung als Indiz für einen Urteilsmangel gewertet werden.
Die Urteilsfähigkeit ist die Regel. Bei der Verfügungsfähigkeit von Todes wegen hat die Rechtsprechung daraus abgeleitet, dass bei Erwachsenen die Urteilsfähigkeit vermutet wird, da sie nach allgemeiner Lebenserfahrung in der Regel urteilsfähig sind. Wer behauptet, der Erblasser sei zum Zeitpunkt des Rechtsgeschäfts nicht urteilsfähig gewesen, muss dies beweisen. Da es aufgrund der Natur der Sache unmöglich ist, den Geisteszustand einer verstorbenen Person absolut zu beweisen, wird der erforderliche Beweisgrad auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit herabgesetzt. Steht hingegen fest, dass sich eine Person bei der Vornahme der streitigen Handlung in einem dauerhaften Zustand alters- oder krankheitsbedingter geistiger Beeinträchtigung befindet, der sie nach allgemeiner Lebenserfahrung daran hindert, vernünftig zu handeln, so wird vermutet, dass ihr die Fähigkeit fehlt, in Bezug auf die streitige Handlung vernünftig zu handeln. Diese Tatsachenvermutung gilt für Personen, die sich zum Zeitpunkt der Handlung in einem dauerhaften Zustand alters- oder krankheitsbedingter geistiger Beeinträchtigung befinden. Die Vermutung der Unfähigkeit aufgrund einer allgemeinen geistigen Beeinträchtigung kann jedoch widerlegt werden, indem nachgewiesen wird, dass die betreffende Person die fragliche Handlung in einem klaren Moment vorgenommen hat die Person im konkreten Fall, d.h. je nach Art und Umfang der bestimmten Handlung, in der Lage war, vernünftig zu handeln.
Feststellungen über den Geisteszustand einer Person, die Art und das Ausmass möglicher Störungen der Geistestätigkeit und die Tatsache, dass die betroffene Person die Folgen ihrer Handlungen erkennen und ihren eigenen Willen gegen Personen, die sie zu beeinflussen versuchen, durchsetzen konnte, gehören zur Feststellung des Sachverhalts. Die Schlussfolgerung, die der Richter bezüglich der Testierfähigkeit gezogen hat, ist hingegen eine rechtliche Schlussfolgerung, die vom Bundesgericht frei überprüft werden kann. Das in einem Verfahren angeordnete medizinische Gutachten vermittelt dem Richter die Fachkenntnisse, die er benötigt, um bestimmte rechtlich relevante Tatsachen zu erfassen und/oder urteilen zu können. In Erbsachen muss das angeordnete Gutachten daher insbesondere eine Stellungnahme zum psychischen Gesundheitszustand des Betroffenen sowie zu den Auswirkungen enthalten, die etwaige Störungen der psychischen Gesundheit auf die intellektuelle und willentliche Fähigkeit des Betroffenen haben könnten, sein Vermögen zu verwalten. Auf der Grundlage des Gutachtens muss der Richter in der Lage sein, die sich aus Art. 16 ZGB und Art. 467 ZGB ergebenden rechtlichen Fragen zu beantworten, insbesondere, ob die Person an einer psychischen Störung oder einer ähnlichen Ursache leidet, die ihr die Fähigkeit abspricht, bei der testamentarischen Verfügung über ihr Vermögen vernünftig zu handeln. Einem Sachverständigen können nur Tatsachenfragen, nicht aber Rechtsfragen vorgelegt werden, deren Beantwortung zwingend dem Richter obliegt, der diese Prüfung nicht an einen Dritten delegieren kann. Der Richter beurteilt die Beweiskraft eines Gutachtens nach freiem Ermessen. Die Frage, ob er von der Argumentation des Gutachters überzeugt ist und dessen Schlussfolgerungen folgen wird, fällt somit in den Bereich der Beweiswürdigung, die das Bundesgericht gegebenenfalls nur unter dem Aspekt der Willkür überprüft. Wenn das kantonale Gericht ein Gutachten als schlüssig beurteilt und sich dessen Ergebnis zu eigen macht, lässt das Bundesgericht den Vorwurf der willkürlichen Beweiswürdigung nur dann zu, wenn der Gutachter Fragen nicht beantwortet hat, wenn seine Schlussfolgerungen widersprüchlich sind oder wenn das Gutachten auf andere Weise so offensichtlich und erkennbar mangelhaft ist, dass es auch ohne Ad-hoc-Kenntnisse nicht möglich war, diese Mängel zu übersehen. Es ist nicht seine Aufgabe zu prüfen, ob alle Aussagen des Gutachters frei von Willkür sind; seine Aufgabe beschränkt sich darauf, zu untersuchen, ob die kantonale Behörde die Schlussfolgerungen des Gutachtens ohne Willkür übernehmen konnte.
03/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_94/2023
Gemäss Art. 617 ZGB sind Grundstücke den Erben bei der Teilung der Erbschaft zum Verkehrswert anzurechnen, der ihnen im Zeitpunkt der Teilung zukommt. Für die Übernahme und Anrechnung von landwirtschaftlichen Gewerben und Grundstücken gilt nach Art. 619 ZGB das BGBB. Art. 17 Abs. 1 BGBB bestimmt, dass das landwirtschaftliche Gewerbe dem selbstbewirtschaftenden Erben zum Ertragswert an den Erbteil angerechnet wird. Der Ertragswert wird von einer Behörde von Amtes wegen oder auf Antrag eines Berechtigten geschätzt (Art. 87 Abs. 1 Satz 1 BGBB). Die behördliche Schätzung unterliegt der Beschwerde nach Art. 88 f. BGBB. Sie ist endgültig und für die Zivilgerichte verbindlich, d.h. der freien gerichtlichen Beweiswürdigung entzogen. Nur wenn die Schätzung an groben Mängeln leidet, hat das Zivilgericht sie aufzuheben und die Sache zu neuer Schätzung zurückzuweisen. Ein derartiger Mangel liegt vor, wenn nach den einschlägigen Prozessvorschriften ein Nichtigkeitsgrund gegeben wäre, wenn das Ergebnis der Schätzung auf unrichtigen rechtlichen Grundlagen beruht oder es unmöglich richtig sein kann. Eine selbständige Bestimmung des Ertragswerts durch das Zivilgericht ist ausgeschlossen. Auch in der güterrechtlichen Auseinandersetzung ist für ein landwirtschaftliches Gewerbe, das wie hier zur Selbstbewirtschaftung übernommen werden soll, der Ertragswert massgebend (Art. 212 Abs. 1 ZGB). Für die Bewertung des Gewerbes gilt das zur Erbteilung Ausgeführte (Art. 212 Abs. 3 ZGB).
Der Ertragswert entspricht dem Kapital, das mit dem Ertrag eines landwirtschaftlichen Gewerbes oder Grundstücks bei landesüblicher Bewirtschaftung zum durchschnittlichen Zinssatz für erste Hypotheken verzinst werden kann. Für die Feststellung des Ertrags und des Zinssatzes ist auf das Mittel mehrerer Jahre (Bemessungsperiode) abzustellen (Art. 10 Abs. 1 BGBB). Der Bundesrat regelt die Art der Berechnung, die Bemessungsperiode und die Einzelheiten der Schätzung (Art. 10 Abs. 2 BGBB). Dieser hat in Art. 2 Abs. 1 VBB die für die Schätzung geltenden Grundsätze festgelegt und verweist in Art. 2 Abs. 2 VBB auf den Anhang zur Verordnung und damit die Anleitung für die Schätzung des landwirtschaftlichen Ertragswerts des Bundesamts für Landwirtschaft. Die Schätzung des Ertragswerts ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt hin vorzunehmen, in dem der Übernehmer des fraglichen Objekts Eigentümer wird. Stichtag für die Schätzung ist vorliegend damit im Grundsatz der Zeitpunkt des Urteils über die Erbteilung bzw. die güterrechtliche Auseinandersetzung. Dies entspricht dem für das Erbrecht im Allgemeinen geltenden Grundsatz, wonach Grundstücke den Erben zum (Verkehrs-) Wert im Zeitpunkt der Teilung anzurechnen sind (Art. 617 ZGB).
Stichtag für die Bewertung ist wie dargelegt der Zeitpunkt des Urteils über die Erbteilung bzw. die güterrechtliche Auseinandersetzung. Dennoch ist es nicht zu vermeiden, dass die Schätzung in der Praxis bereits vor diesem Zeitpunkt durchgeführt wird. Dies ist dort unproblematisch, wo bis zur Urteilsfällung keine wertverändernden Ereignisse eintreten oder zwischen Schätzung und Urteil nicht mehrere Jahre vergehen. Dagegen kann eine Neuschätzung verlangt werden, wenn das Verfahren sehr lange dauert, weil diesfalls eine Wertveränderung der Liegenschaft möglich ist, oder wenn bei erst kurzer Verfahrensdauer die Möglichkeit einer Wertveränderung dargetan wird. Die Schätzung muss in diesen Fällen ebenfalls als grob unrichtig (geworden) qualifiziert werden. Auch dies entspricht allgemeinen erbrechtlichen Grundsätzen.
Der Ertragswert wird von einer Behörde nach Art. 87 Abs. 1 Satz 1 BGBB von Amtes wegen oder auf Antrag eines Berechtigten geschätzt. Das Einholen einer Schätzung von Amtes wegen durch ein Zivilgericht bleibt indessen die Ausnahme, sofern das fragliche Verfahren von der Verhandlungsmaxime (Art. 55 ZPO) geprägt ist. Sowohl die Erbteilung als auch die güterrechtliche Auseinandersetzung (Art. 277 Abs. 1 ZPO) werden durch den Verhandlungsgrundsatz beherrscht. Selbst wenn vorliegend daher grundsätzlich Anlass für eine Neuschätzung des landwirtschaftlichen Gewerbes besteht, setzt eine solche folglich den gehörigen Antrag einer Partei voraus. Ob ein solcher vorliegt, bestimmt sich nach den einschlägigen zivilprozessualen Regeln.
03/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_180/2022
Gemäss Art. 630 Abs. 1 ZGB erfolgt die Ausgleichung nach dem Werte der Zuwendungen zur Zeit des Erbganges oder, wenn die Sache vorher veräussert worden ist, nach dem dafür erzielten Erlös (Art. 630 Abs. 1 ZGB). Die zitierte Norm schweigt sich darüber aus, was unter einer Veräusserung zu verstehen ist. In der Lehre ist davon die Rede, dass der Erbe das Eigentum an der zugewendeten Sache überträgt, sei es durch Verkauf, Tausch oder Schenkung, oder dass er die Sache (entgeltlich oder unentgeltlich) mit beschränkten dinglichen Rechten belastet oder sie (schuldhaft) verliert oder vernichtet. All diesen Tatbeständen ist gemein, dass der Erbe seine Verfügungsmacht über die zugewendete Sache ganz oder teilweise aufgibt. Vorliegend wurde ein Geschäftsbereich aus einer lebzeitig übertragenen Kapitalgesellschaft mittels Sacheinlage in eine neu gegründete Kapitalgesellschaft eingebracht. Als Veräusserung im beschriebenen Sinn könnte diese Umstrukturierung allenfalls dann gelten, wenn im Sinne eines Durchgriffs über die rechtliche Selbständigkeit der involvierten juristischen Personen hinweggesehen werden müsste, der Ausgleichungspflichtige in einer die übernommene Gesellschaft beherrschenden Stellung die neu gegründete Gesellschaft m.a.W. zum Zweck gegründet hätte, sich von seiner Beteiligung an der übernommenen Gesellschaft bzw. vom betroffenen Geschäftsbereich zu trennen. Weil der Ausgleichungspflichtige den betroffenen Geschäftsbereich weiterführen wollte und weitergeführt hat, wurde diese Umstrukturierung nicht als Veräusserung im Sinne von Art. 630 Abs. 1 ZGB qualifiziert.
03/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_401/2022
Eine Verfügung von Todes wegen wird auf Klage hin für ungültig erklärt, wenn sie vom Erblasser zu einer Zeit errichtet worden ist, da er nicht verfügungsfähig war (Art. 519 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB). Letztwillig über sein Vermögen verfügen kann gemäss Art. 467 ZGB nur, wer urteilsfähig ist. Urteilsfähig ist jeder, dem nicht wegen seines Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln (Art. 16 ZGB). Wer nicht urteilsfähig ist, vermag unter Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen durch seine Handlungen keine rechtliche Wirkung herbeizuführen (Art. 18 ZGB). Der Begriff der Urteilsfähigkeit enthält zwei Elemente: einerseits ein intellektuelles Element, nämlich die Fähigkeit, Sinn, Zweckmässigkeit und Wirkungen einer bestimmten Handlung zu erkennen (auch: Willensbildungsfähigkeit), andererseits ein Willens- bzw. Charakterelement, nämlich die Fähigkeit, gemäss dieser vernünftigen Erkenntnis nach seinem freien Willen zu handeln (auch: Willensumsetzungsfähigkeit). Urteilsfähigkeit ist relativ: Sie ist nicht abstrakt zu beurteilen, sondern konkret bezogen auf eine bestimmte Handlung im Zeitpunkt ihrer Vornahme unter Berücksichtigung ihrer Rechtsnatur und Wichtigkeit. Die Fähigkeit Volljähriger, vernunftgemäss zu handeln, ist der Normalfall, von dem der Gesetzgeber zum Schutz von Vertrauen und Verkehrssicherheit ohne jeden weiteren Beweis ausgeht. Wer sich für die Unwirksamkeit einer Handlung auf die Urteilsunfähigkeit beruft, hat demnach einen der in Art. 16 ZGB umschriebenen Schwächezustände und die daraus folgende Beeinträchtigung der Fähigkeit vernunftgemässen Handelns zu beweisen.
Befand sich aber eine Person ihrer allgemeinen Verfassung nach zum Zeitpunkt der streitigen Handlung nachweislich in einem dauernden Schwächezustand gemäss Art. 16 ZGB, der nach allgemeiner Lebenserfahrung im Normalfall vernunftgemässes Handeln ausschliesst, dann wird vermutet, dass sie mit Bezug auf die streitige Handlung unfähig war, vernunftgemäss zu handeln. Diese tatsächliche Vermutung betrifft namentlich Personen, die sich zur Zeit der Handlung in einem dauernden Zustand alters- und krankheitsbedingten geistigen Abbaus befinden. Die Partei, die aus der Urteilsfähigkeit der handelnden Person Ansprüche ableitet, kann die aus dem allgemeinen Zustand geistigen Abbaus folgende tatsächliche Vermutung der Unfähigkeit, auch im konkreten Fall vernunftgemäss zu handeln, entkräften, indem sie ein lucidum intervallum für die streitige Handlung darlegt. Sodann kann sie aufzeigen, dass die Person trotz ihres Allgemeinzustandes mit Bezug auf die streitige Handlung in der Lage war, vernunftgemäss zu handeln.
Die Feststellungen über den geistigen Zustand einer Person und über Art und Tragweite möglicher störender Einwirkungen auf das Denkvermögen sowie die Feststellung, ob und inwieweit eine bestimmte Person die Folgen ihres Handelns beurteilen und Versuchen der Beeinflussung durch Dritte ihren eigenen Willen entgegensetzen konnte, betreffen Tatfragen, die das Sachgericht für das Bundesgericht - von ausnahmsweise zulässigen Sachverhaltsrügen abgesehen (Art. 97 Abs. 1 BGG) - verbindlich beantwortet (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Schlüsse, die das Sachgericht aus diesen Feststellungen mit Bezug auf die Fähigkeit, vernunftgemäss zu handeln, zieht, prüft das Bundesgericht als Rechtsfrage hingegen frei.
Die Vermutung der Urteilsunfähigkeit greift nur, wenn sich eine Person ihrer allgemeinen Verfassung nach zum Zeitpunkt der streitigen Handlung nachweislich in einem dauernden Schwächezustand gemäss Art. 16 ZGB befunden hat, der nach allgemeiner Lebenserfahrung im Normalfall vernunftgemässes Handeln ausschliesst. Kein solcher Schwächezustand ist die (angebliche) Abhängigkeit von einer bestimmten Person. Eine solche kann zwar Ausdruck eines bestehenden Schwächezustands sein und unter Umständen insbesondere die Willensumsetzungsfähigkeit der verfügenden Person einschränken. Sie ist aber kein selbständiges Verdachtsmoment im Hinblick auf eine mögliche Urteilsunfähigkeit und vermag für sich genommen eine Beweislastumkehr nicht zu begründen. Unter welchen Voraussetzungen eine Abhängigkeit bzw. Einflussnahme einer bestimmten Person die Urteilsfähigkeit im konkreten Fall entfallen lässt, ist mit anderen Worten gesondert zu prüfen.
Die Vermutung der generellen Urteilsunfähigkeit betrifft namentlich Personen, die sich zur Zeit der Handlung in einem dauernden Zustand alters- und krankheitsbedingten geistigen Abbaus befinden (wie z.B. bei einer gutachterlich bestätigten demenziellen Entwicklung, gekennzeichnet durch eine Kombination von Gedächtnisstörungen mit einer Sprachstörung und einer eingeschränkten Planungs- und Handlungsfähigkeit und Unfähigkeit, im Vorfeld einer Entscheidung Informationen zu verarbeiten, Alternativen abzuwägen und eine ausgewogene Wahl zu treffen). Die Unfähigkeit, vernunftgemäss zu handeln, wird hingegen nicht vermutet und ist zu beweisen (Hauptbeweis), wenn die handelnde Person z.B. zwar "mit delirantem Zustandsbild" in ein Spital eintrat, sich der Zustand in der Folge aber verbessert hat und daher gerade kein andauernder schwerer Verwirrtheitszustand oder ähnliches dokumentiert ist, oder bloss an altersbedingten Erinnerungslücken leidet.
Ein Erblasser muss dann als urteilsunfähig gelten, wenn einerseits eine abnorme Beeinflussbarkeit feststeht und andererseits auf den Erblasser Einfluss ausgeübt wurde. Lassen es die Umstände als überwiegend wahrscheinlich erscheinen, dass auf den Erblasser Einfluss ausgeübt wurde, braucht nicht besonders nachgewiesen zu werden, dass der Beeinflussungsversuch wirksam war, sondern ist zu vermuten, wenn einerseits eine abnorme Beeinflussbarkeit feststeht und andererseits davon auszugehen ist, dass eine Beeinflussung versucht wurde. Die Vermutung gilt somit nur für die Kausalität ("wirksam"), nicht hingegen für den Beeinflussungsversuch und die Beeinflussbarkeit. Die Beeinflussbarkeit wird mit "abnorm" umschrieben. Gemeint ist damit allgemein, dass die Anforderungen an die Testierfähigkeit nicht überspannt werden dürfen, soll doch der Erblasser auch in prekären Situationen physischer oder psychischer Belastung oder Schwäche verfügen dürfen.
03/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 9C_611/2022
Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft (Art. 602 Abs. 1 ZGB). Die Erben werden Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände und verfügen unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse über die Rechte der Erbschaft gemeinsam (Art. 602 Abs. 2 ZGB). Deshalb können einzelne Erben für den Nachlass grundsätzlich nicht handeln. Dies ist in der Regel nur allen Erben gemeinsam (Einstimmigkeitsprinzip) oder an deren Stelle einem Erbenvertreter (Art. 602 Abs. 3 ZGB), einem Willensvollstrecker (Art. 518 ZGB) oder Erbschaftsverwalter (Art. 554 ZGB) möglich. Bundesgerichtlicher Rechtsprechung zufolge kann davon bloss in dringlichen Fällen eine Ausnahme gemacht werden. Gemäss Art. 602 Abs. 3 ZGB kann die zuständige Behörde auf Begehren eines Miterben für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung eine Vertretung bestellen. Der Erbenvertreter wird für die Erbengemeinschaft bestellt und nicht als Vertreter und im Interesse eines einzelnen Erben. Er ist im Rahmen seines Auftrags gesetzlicher Vertreter der Erbengemeinschaft, die er ohne ihre Zustimmung oder nachträgliche Genehmigung berechtigen und verpflichten kann, und schliesst im ihm übertragenen Tätigkeitsbereich eigenes Handeln der Erben für den Nachlass aus. Der Erbenvertreter kann mithin die Erbengemeinschaft ohne deren Ermächtigung, Mitwirkung oder nachträgliche Genehmigung berechtigen und verpflichten. Er führt Prozesse in eigenem Namen als Partei, mithin anstelle der materiell berechtigten Erben. Es herrscht Prozessstandschaft.
Aus der zivilrechtlichen Universalsukzession fliesst die abgaberechtliche Steuernachfolge. Aufgrund der Steuernachfolge treten die Erben in die steuerrechtliche Rechtsposition des Erblassers ein. Soweit die erblasserischen Steuern zu einem Verfahren vor Bundesgericht führen, müssen die Erben folglich im selben Umfang parteifähig sei, wie der Erblasser dies gewesen wäre. Sollte die Bestellung eines Erbenvertreters in den Formen von Art. 602 Abs. 3 ZGB unterblieben sein, würde es - jedenfalls zivilrechtlich - beim Einstimmigkeitsprinzip bleiben. Abgaberechtlich verhält es sich freilich anders. So hat das Bundesgericht in abgaberechtlichem Zusammenhang festgehalten, dass jedem Mitglied einer Gesamthandschaft eine individuelle Parteistellung zukomme, soweit belastende oder pflichtbegründende Anordnungen in Frage stehen. Es hat dies damit begründet, dass unter den mehreren Erben - beschränkt auf verwaltungsrechtliche Angelegenheiten - keine notwendige Streitgenossenschaft herrsche. Im vorliegenden Fall wurde eine Höherbewertung von Liegenschaften beantragt, zumal diese in der parallelen erbrechtlichen Auseinandersetzung von Bedeutung sei. Die angebliche Reflexwirkung bezieht sich dabei auf die erbrechtliche Auseinandersetzung, die von Zivilrechts wegen anhand der Verkehrswerte vorzunehmen ist. Hier wie da ist im Streitfall eine Begutachtung anzuordnen, weswegen den abgaberechtlichen Werten von vornherein nur eine beschränkt präjudizierende Wirkung zukommt.
03/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 4A_475/2022
Durch den Darlehensvertrag verpflichtet sich der Darleiher zur Übertragung des Eigentums an einer Summe Geldes oder an andern vertretbaren Sachen, der Borger dagegen zur Rückerstattung von Sachen der nämlichen Art in gleicher Menge und Güte (Art. 312 OR). Die Pflicht zur Rückzahlung von erhaltenem Geld ergibt sich nicht schon aus der blossen Geldhingabe, sondern aus dem Rückzahlungsversprechen. Die Geldhingabe ist nur eine notwendige Voraussetzung für die Rückzahlungspflicht. Das Gericht muss gemäss den Regeln zur Vertragsauslegung bestimmen, ob die Parteien eine Rückzahlungsverpflichtung vereinbarten; hierfür stützt es sich auf alle konkreten Umstände, die vom Darleiher zu beweisen sind (Art. 8 ZGB). Unter gewissen Umständen kann ausnahmsweise die blosse Tatsache, dass eine Person Geld erhalten hat, ein genügendes Element sein, um einen Darlehensvertrag und damit eine Rückzahlungsverpflichtung zu bejahen. Das setzt allerdings voraus, dass sich die Geldhingabe vernünftigerweise nicht anders denn als Darlehen erklären lässt.
Als Schenkung gilt jede Zuwendung unter Lebenden, womit jemand aus seinem Vermögen einen anderen ohne entsprechende Gegenleistung bereichert (Art. 239 Abs. 1 OR). Es handelt sich um einen Vertrag, der den übereinstimmenden Willen der Parteien zur Übertragung eines Vermögenswertes ohne Gegenleistung voraussetzt, und entsprechend auch eine Annahme durch den Beschenkten. Da die Schenkung für den Beschenkten nur Vorteile bringt, kann die Annahme auch stillschweigend erfolgen.
Das Testament stellt eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung dar. Bei seiner Auslegung ist der wirkliche Wille des Erblassers zu ermitteln. Auszugehen ist vom Wortlaut. Ergibt dieser für sich selbst betrachtet eine klare Aussage, entfallen weitere Abklärungen. Sind dagegen die testamentarischen Anordnungen so formuliert, dass sie ebenso gut im einen wie im andern Sinn verstanden werden können, oder lassen sich mit guten Gründen mehrere Auslegungen vertreten, darf das Gericht das Geschriebene unter Berücksichtigung des Testaments als Ganzes auslegen und es kann auch ausserhalb der Testamentsurkunde liegende Elemente zur Auslegung heranziehen, soweit sie den im Text unklar oder unvollständig ausgedrückten Willen erhellen. Die Auslegung einer Willenserklärung setzt aber voraus, dass ein animus testandi aus der Verfügung hervorgeht. Daher darf durch die Auslegung "nichts in die Verfügung hineingelegt werden, was nicht darin enthalten ist".
03/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 9C_611/2022
Zu prüfen war die Parteifähigkeit einzelner Erben, vertreten durch einen "Generalerbenvertreter", im Zusammenhang mit der Beschwerde betreffend die Veranlagung der Steuern des Erblassers per Todestag. Was die Parteifähigkeit betrifft, ist von der erbrechtlichen Universalsukzession (Art. 560 Abs. 1 ZGB) auszugehen. Entsprechend gehen sämtliche Aktiven und Verbindlichkeiten, aber auch die Rechte und Pflichten der verstorbenen Person uno actu auf den oder die Erben über, soweit diese Rechte nicht höchstpersönlicher Natur sind. Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft (Art. 602 Abs. 1 ZGB). Die Erben werden Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände und verfügen unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse über die Rechte der Erbschaft gemeinsam (Art. 602 Abs. 2 ZGB). Deshalb können einzelne Erben für den Nachlass grundsätzlich nicht handeln. Dies ist in der Regel nur allen Erben gemeinsam (Einstimmigkeitsprinzip) oder an deren Stelle einem Erbenvertreter (Art. 602 Abs. 3 ZGB), einem Willensvollstrecker (Art. 518 ZGB) oder Erbschaftsverwalter (Art. 554 ZGB) möglich. Bundesgerichtlicher Rechtsprechung zufolge kann davon bloss in dringlichen Fällen eine Ausnahme gemacht werden.
Gemäss Art. 602 Abs. 3 ZGB kann die zuständige Behörde auf Begehren eines Miterben für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung eine Vertretung bestellen. Der Erbenvertreter wird für die Erbengemeinschaft bestellt und nicht als Vertreter und im Interesse eines einzelnen Erben. Er ist im Rahmen seines Auftrags gesetzlicher Vertreter der Erbengemeinschaft, die er ohne ihre Zustimmung oder nachträgliche Genehmigung berechtigen und verpflichten kann, und schliesst im ihm übertragenen Tätigkeitsbereich eigenes Handeln der Erben für den Nachlass aus. Der Erbenvertreter kann mithin die Erbengemeinschaft ohne deren Ermächtigung, Mitwirkung oder nachträgliche Genehmigung berechtigen und verpflichten. Er führt Prozesse in eigenem Namen als Partei, mithin anstelle der materiell berechtigten Erben. Es herrscht Prozessstandschaft.
Aus der zivilrechtlichen Universalsukzession fliesst die abgaberechtliche Steuernachfolge (Art. 12 Abs. 1 DBG). Aufgrund der Steuernachfolge treten die Erben in die steuerrechtliche Rechtsposition des Erblassers ein. Dies gilt jedenfalls, soweit es sich nicht um höchstpersönliche Rechte handelt. Solche sind unvererblich. Soweit die erblasserischen Steuern zu einem Verfahren vor Bundesgericht führen, müssen die Erben folglich im selben Umfang parteifähig sei, wie der Erblasser dies gewesen wäre.
Sollte die Bestellung eines Erbenvertreters in den Formen von Art. 602 Abs. 3 ZGB unterblieben sein, würde es - jedenfalls zivilrechtlich - beim Einstimmigkeitsprinzip bleiben. Abgaberechtlich verhält es sich freilich anders. So hat das Bundesgericht in abgaberechtlichem Zusammenhang festgehalten, dass jedem Mitglied einer Gesamthandschaft eine individuelle Parteistellung zukomme, soweit belastende oder pflichtbegründende Anordnungen in Frage stehen. Es hat dies damit begründet, dass unter den mehreren Erben - beschränkt auf verwaltungsrechtliche Angelegenheiten - keine notwendige Streitgenossenschaft herrsche. Dies alles spricht dafür, dass die drei Kinder (auch) im bundesgerichtlichen Verfahren zulässigerweise "zu dritt" auftreten bzw. nur sie ihre Rechte durch einen "Generalerbenvertreter" wahrnehmen lassen dürfen, während die Witwe abseits steht. Die Parteifähigkeit ist gegeben.
03/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich RB220025
Art. 607 Abs. 3 ZGB statuiert unter den Erben eine solche Auskunftspflicht. Danach haben Miterben, die im Besitze von Erbschaftssachen sind, bei der Teilung genauen Aufschluss zu geben. Art. 610 Abs. 2 ZGB konkretisiert die Auskunftspflicht von Art. 607 Abs. 3 ZGB insoweit, als sich die Erben auch über alle persönlichen Verhältnisse zum Erblasser gegenseitig Auskunft erteilen müssen. Jeder gesetzliche oder eingesetzte Erbe kann selbstständig, das heisst unabhängig von seinen Miterben, von einem oder mehreren Miterben Auskunft verlangen. Folglich ist auch jeder einzelne Erbe in einem Auskunftsprozess alleine aktivlegitimiert. Gleiches gilt für die beklagte Seite: Auch hier ist jeder Erbe einzeln zur Auskunft verpflichtet und damit passivlegitimiert. Zusammenfassend begründen die Art. 607 Abs. 3 ZGB und Art. 610 Abs. 2 ZGB weder auf der Aktiv- noch auf der Passivseite eine notwendige Streitgenossenschaft.
Jeder Miterbe kann zu beliebiger Zeit die Teilung der Erbschaft verlangen, soweit er nicht durch Vertrag oder Gesetzesvorschrift zur Gemeinschaft verpflichtet ist (Art. 604 Abs. 1 ZGB). Da der Teilungsanspruch allen Erben persönlich zusteht, kann jeder Erbe unabhängig von den anderen Erben auf Teilung der Erbschaft klagen. Dabei bilden nach überwiegender Auffassung mehrere Erben, die gemeinsam klagen, eine einfache Streitgenossenschaft. Auch das Bundesgericht vertritt diese Auffassung, wenn es festhält: "Jeder Erbe ist unabhängig von seinen Miterben befugt, eine Beschwerde zu erheben, hat er doch einen eigenen Anspruch auf Teilung". Passivlegitimiert sind all diejenigen Erben, welche nicht auf Klägerseite mitwirken. Zusammen bilden sie eine notwendige Streitgenossenschaft.
Die klagende Partei hat auf Antrag der beklagten Partei für deren Parteientschädigung immer dann Sicherheit zu leisten, wenn die klagende Partei keinen Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz hat (Art. 99 Abs. 1 lit. a ZPO). Im vorliegenden Fall wohnte eine Partei im Ausland. Folglich trifft sie eine Sicherheitsleistungspflicht für die Parteientschädigung. Art. 99 Abs. 2 ZPO ändert an dieser Tatsache nichts: Diese Bestimmung bezieht sich ausschliesslich auf die notwendige Streitgenossenschaft. Die Höhe der Sicherheit soll die mutmassliche Parteientschädigung abdecken. Dazu sind die Kosten der Rechtsvertretung aufgrund des Streitwertes nach dem kantonalen Gebührentarif zu schätzen (Art. 95 Abs. 3 i.V.m. Art. 96 ZPO). Ist der Teilungsanspruch bestritten, entspricht der Streitwert im Erbteilungsprozess dem Wert des zu teilenden Nachlasses. Sind sich die Parteien hingegen über den Grundsatz der Teilung einig, entspricht der Streitwert dem Wert des eingeklagten Erbanteils. Bei einer einfachen Streitgenossenschaft im Sinne von Art. 71 ZPO ist jeder Kläger gemäss seinen individuellen Gegebenheiten anteilmässig zur Sicherleistung verpflichtet. Die Kautionspflicht jedes einzelnen Streitgenossen beurteilt sich mithin unabhängig von den übrigen Streitgenossen.
03/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF220101
Gestützt auf Art. 256 Abs. 2 ZGB kann die zuständige Behörde die Testamentsauslegung im Zusammenhang mit der Testamentseröffnung in Wiedererwägung ziehen und in Wiedererwägung des bisherigen Urteils anderen/weiteren eingesetzten Erben auf Verlangen eine Erbbescheinigung in Aussicht stellen.
Sicherungsmassregeln, wozu auch die Eröffnung der letztwilligen Verfügung zählt, betreffen regelmässig den ganzen Nachlass, weshalb sich der Streitwert nach dem Bruttowert der Aktiven bestimmt.
02/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts BGE 149 III 165 (5A_784/2021)
Das Bundesgericht erinnert daran, dass die öffentliche Versteigerung in der Erbteilung (Art. 612 Abs. 3 ZGB) zu den "freiwilligen" Versteigerungen nach Art. 229 Abs. 2 OR zählt und ein Zusammenhang zur eigentlichen Zwangsvollstreckung verneint wird.
02/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF230001
Die Ausschlagung ist ein Gestaltungsrecht und muss als solche eindeutig, unmissverständlich und unbedingt abgegeben werden. So ist insbesondere die Ausschlagung unter dem Vorbehalt, dass auch bestimmte andere Erben ausschlagen (oder nicht ausschlagen), nicht zulässig (Art. 570 Abs. 1 und 2 ZGB). Geht bei der zuständigen Behörde – im Kanton Zürich das Einzelgericht am Bezirksgericht – eine Ausschlagungserklärung ein, so hat sie diese entgegenzunehmen und zu protokollieren (Art. 570 Abs. 1 und 3 ZGB). Die Erbschaftsbehörde hat dies zu tun, ohne dass sie grundsätzlich befugt wäre, die Gültigkeit und namentlich die Rechtzeitigkeit der eingereichten Ausschlagungserklärung zu prüfen. Die Protokollierung schafft nur den Beweis für die Abgabe und den Zeitpunkt der Ausschlagungserklärung und hat keinerlei Rechtskraftwirkung. Es wird die Abgabe einer Erklärung, jedoch nicht deren Wirkung beurkundet. Das Protokoll dient somit nur Informationszwecken und hat lediglich deklaratorische Wirkung. M.a.W. kann aus der Protokollierung oder Nichtprotokollierung einer Ausschlagungserklärung nicht darauf geschlossen werden, ob diese rechtsbeständig ist oder nicht. Die definitive Prüfung der Verhältnisse bleibt dem ordentlichen Gericht vorbehalten.
Eine Erklärung, wolle der Erbschaftsausschlagung zurücktreten zu wollen, könnte als Widerruf der Ausschlagung verstanden werden. Die Ausschlagungserklärung wird im Hinblick auf ihre Rechtsnatur (Gestaltungsrecht) und Funktion – unter den zur Erbschaft Berufenen wie auch im Verhältnis zu Dritten (insbesondere Gläubigern) Klarheit zu schaffen – von der Lehre sowie dem Bundesgericht als prinzipiell unwiderruflich angesehen. Das Gericht lässt einen Widerruf (innert Rechtsmittelfrist) aus Praktikabilitätsgründen jedoch ausnahmsweise zu, wenn kein nachberufener Erbe infolge der Ausschlagung selbst Erbansprüche geltend machen kann und diesfalls mit der konkursamtlichen Nachlassliquidation (Veröffentlichung der konkursamtlichen Liquidation und öffentlicher Schuldenruf) noch nicht begonnen wurde. Dies wird damit begründet, dass die Erbausschlagung eine dem Erben zur Verfügung gestellte Schutzmassnahme darstelle, von der er Gebrauch machen oder auf die er auch verzichten könne. Ein Widerruf der Ausschlagung sei nur dann nicht mehr möglich, wenn ein nachberufener Erbe infolge der Ausschlagung selbst Erbansprüche geltend machen könnte. Sei dies nicht der Fall, und müsste die konkursamtliche Nachlassliquidation erfolgen, beurteile sich die Zulässigkeit des Widerrufs einzig vom Gesichtspunkt der Erbschaftsgläubiger aus. Deren Stellung werde aber in der Regel eher gestärkt, wenn der Ausschlagende doch noch für die Erbschaftsschulden einstehe.
Die Protokollierung der Ausschlagungserklärung gemäss Art. 570 Abs. 1 ZGB stellt einen Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit dar. Gemäss Art. 256 Abs. 2 ZPO können Anordnungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit v.A.w. oder auf Antrag aufgehoben werden, wenn sie sich im Nachhinein als unrichtig erweisen, es sei denn, das Gesetz oder die Rechtssicherheit stünden entgegen. Zuständig für die Aufhebung oder Abänderung ist die Instanz, welche die Anordnungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit erliess.
02/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF230009
Gestützt auf Art. 576 ZGB kann die zuständige Behörde aus wichtigen Gründen den gesetzlichen Erben eine Fristverlängerung gewähren oder – sofern die Frist bereits verstrichen ist – eine neue Ausschlagungsfrist ansetzen. Die Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 28 Abs. 2 ZPO i.V. m. § 137 lit. e GOG. Im Rahmen von Art. 576 ZGB hat der Gesuchsteller darzutun, dass ihm eine rechtzeitige Erklärung aus wichtigen Gründen nicht zuzumuten war. Die wichtigen Gründe müssen sich auf Umstände beziehen, die während des Laufes der Ausschlagungsfrist eine sachgemässe Entscheidung verhindert haben, nicht aber auf solche, die die nachträgliche Nützlichkeit der Ausschlagung betreffen. Der Begriff der wichtigen Gründe lässt dem richterlichen Ermessen einen weiten Spielraum. Als wichtige Gründe werden in der Lehre und Praxis beispielsweise die Abwesenheit des Erben, Erbschaftsstreitigkeiten, komplizierte tatsächliche und rechtliche Verhältnisse, andauernde Krankheit des Erben, Vermögenslagen in verschiedenen Staaten, hängige Prozesse, von deren Ergebnis die Entscheidung abhängt, komplexe Rechtslagen (insbesondere internationalprivatrechtlicher Natur) oder vorgängige missverständliche Rechtsbelehrung durch die zuständige Behörde genannt. Von Belang sind auch die räumliche und persönliche Nähe des Erben zur Erblasserin sowie deren Alter, Gesundheitszustand und die Gewandtheit in geschäftlichen Angelegenheiten. Eine Fristwiederherstellung fällt ausser Betracht, wenn das Ausschlagungsrecht aus den in Art. 571 Abs. 2 ZGB genannten Gründen verwirkt ist.
02/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF22038
Mit der Siegelung wird der Nachlass vor tatsächlicher Veränderung, wie Wegnahme, Verbergung, Verminderung oder Zerstörung durch Erben oder Dritte, geschützt. In der Regel dient die Siegelung der nachfolgenden Erstellung eines Sicherungsinventars. Sie kann aber unter Umständen auch danach noch notwendig erscheinen. Eine Siegelung (oder eine sie ersetzende Massnahme), die erst nach Aufnahme des Sicherungsinventars angeordnet wird, bedarf einer Gefährdung von Erbschaftswerten, die durch das (Sicherungs-)Inventar nicht gebannt ist. Die Siegelung kann von einem Erben verlangt werden. Entsprechend kann auch ein einziger Erbe bei Aufhebung der Siegelung deren Fortführung verlangen. Grundsätzlich ist der Begriff der Erben, die die Siegelung verlangen können, weit zu fassen, wobei u.a. auch der bestrittene Erbe darunter fällt.
02/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF220094
Willensvollstrecker sind zur Ergreifung eines Rechtsmittels gegen Testamentseröffnungsentscheide oder Erbbescheinigungen lediglich dann legitimiert, wenn es um ihre Einsetzung, Stellung oder Funktion geht. Dies ist nicht der Fall in Bezug auf die Frage, wer Erbe ist. Legitimiert wären jene Personen, die von der Vorinstanz mutmasslich zu Unrecht nicht als Erben aufgeführt wurden. Als Alternative zur Berufung käme allenfalls ein Wiedererwägungsgesuch bei der Eröffnungsbehörde in Frage. Die Eröffnung eines Testamentes oder Erbvertrages stellt einen Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit dar. Gemäss Art. 256 Abs. 2 ZPO können Anordnungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit von Amtes wegen oder auf Antrag aufgehoben werden, wenn sie sich im Nachhinein als unrichtig erweisen, es sei denn, das Gesetz oder die Rechtssicherheit ständen entgegen. Zuständig für die Aufhebung oder Abänderung ist die Instanz, welche die Anordnungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit erliess.
02/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich PF230004
Die Erben sind befugt, bei dieser Behörde gegen die vom Erbschaftsverwalter bzw. Willensvollstrecker getroffenen oder beabsichtigten Massregeln Beschwerde zu erheben (Art. 518 Abs. 2 ZGB in Verbindung mit Art. 595 Abs. 3 ZGB). Spricht das Zivilgesetzbuch von einer Behörde, bestimmen die Kantone, welche Gerichts- oder Verwaltungsbehörde sie als zuständig bezeichnen wollen (Art. 54 Abs. 2 SchlT ZGB). Dabei regeln die Kantone auch das Verfahren, soweit nicht die ZPO anwendbar ist (Art. 54 Abs. 3 SchlT ZGB). Im Kanton Zürich beurteilt das Einzelgericht Beschwerden und Anzeigen gegen die Willensvollstreckerinnen und Willensvollstrecker (§ 139 Abs. 2 GOG). Das Einzelgericht eröffnet solche Verfahren nicht von Amtes wegen, sondern nur auf Anstoss von Betroffenen oder Dritten.
02/23
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF220088
Beim Testamentseröffnungsverfahren handelt es sich um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in dem die Beteiligten im Sinne von Art. 558 Abs. 1 ZGB (welchen keine formelle Parteistellung zukommt) grundsätzlich nicht angehört werden. Wenn die Vorinstanz aber nach erfolgter Eröffnung eines Testamentes auf einseitiges Vorbringen eines Beteiligten tätig wird und dessen Anträge vollumfänglich (zu Ungunsten einer in einem anderen Testament bedachten Person) gutzuheissen gedenkt, ist eine vorhergehende Anhörung der übrigen Beteiligten in Nachachtung von Art. 53 ZPO angezeigt. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Vorinstanz ist damit zu bejahen. Eine Gehörsverletzung kann indes ausnahmsweise im Rechtsmittelverfahren geheilt werden, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Rechtsmittelinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie auch die Rechtsfrage frei – und damit mit derselben Kognition wie die Vorinstanz – prüfen kann.
Gestützt auf Art. 556 ZGB ist eine sich beim Tod des Erblassers vorgefundene letztwillige Verfügung der Behörde unverweilt einzuliefern, und zwar auch dann, wenn sie als ungültig erachtet wird. Die eingelieferte letztwillige Verfügung ist daraufhin durch die Behörde binnen Monatsfrist nach der Einlieferung zu eröffnen; sind mehrere Verfügungen vorhanden, so sind sämtliche zu eröffnen (Art. 557 ZGB). Einzuliefern und zu eröffnen sind dabei alle Dokumente, die inhaltlich als letztwillige Verfügungen i.S. von Art. 498 ff. ZGB erscheinen; Bezeichnung oder Form sind nicht entscheidend, sondern vielmehr der Inhalt als Willenserklärung des Erblassers, durch welche er für den Fall seines Todes Vermögensverfügungen trifft. Das Einzelgericht prüft als Eröffnungsbehörde im Hinblick auf die Eröffnung (und ohne materiell-rechtliche Wirkung), ob das eingelieferte Dokument diese Voraussetzung – und zwar nur diese – erfüllt. Nicht entscheidend ist dabei (und zwar weder im Hinblick auf die Einlieferung noch die Eröffnung), ob die letztwillige Verfügung im Widerspruch zu anderen Verfügungen steht, ob sie aufgehoben wurde, echt oder formungültig, anfechtbar oder gar nichtig erscheint; auch Kopien sind einzureichen und schliesslich zu eröffnen, insbesondere wenn das Original nicht mehr vorhanden ist. Im Zweifelsfall ist die Eröffnung vorzunehmen, damit die am Nachlass Beteiligten die Möglichkeit haben, ihre Rechte vor dem ordentlichen Richter geltend zu machen.
Mit Blick auf die Frage, an wen die Eröffnung nach Art. 556 ZGB und Mitteilung nach Art. 558 ZGB zu erfolgen hat und insbesondere im Hinblick auf die auszustellende Erbbescheinigung hat das Gericht eine vorläufige Auslegung des Testamentes vorzunehmen. Sind mehrere Testamente vorhanden, so beurteilt das Gericht in einem ersten Schritt, welche nach dem Willen des Erblassers mutmasslich aufgehoben wurden und welches Testament dem mutmasslich letzten Willen des Erblassers entspricht. Sodann hat das Gericht das massgebliche Testament auszulegen und zu bestimmen, wer nach dessen Wortlaut auf den ersten Blick als Berechtigter zu gelten hat. Bei dieser prima facie-Auslegung hat es nach billigem Ermessen und soweit erkennbar auf den wahren Willen des Erblassers abzustellen. Die Auslegung hat aber immer nur provisorischen Charakter und ist für das materielle Recht unpräjudiziell. Über die formelle und materielle Rechtsgültigkeit einer letztwilligen Verfügung und die definitive Ordnung der materiellen Rechtsverhältnisse befindet das Eröffnungsgericht somit nicht; dies bleibt im Streitfall dem anzurufenden ordentlichen Zivilgericht vorbehalten. Auch wenn die Auslegung unpräjudiziell erfolgt und insbesondere nicht in materielle Rechtskraft erwächst, kommt dem entsprechenden Entscheid doch ein gewisses Gewicht zu: So wird die mit der Ausstellung der Erbbescheinigung getroffene provisorische Ordnung der Erbfolge – unterbleibt die Einsprache oder die Anfechtung – definitiv oder beeinflusst jedenfalls bei Anfechtung die prozessuale Rollenverteilung.
Ein Testament kann durch den Testator jederzeit in den gesetzlich vorgesehenen Formen widerrufen werden, namentlich durch Widerruf in einer für die Errichtung vorgeschriebenen Form (Art. 509 Abs. 1 ZGB) oder durch Vernichtung der Urkunde (Art. 510 Abs. 1 ZGB). Unter der Zerstörung der Urkunde oder des Textes ist das Zerreissen, Verbrennen, Wegwerfen, aber auch das Vernichten des Textes etwa durch Übermalen zu verstehen. Der Widerruf des Testamentes – sei er im Sinne von Art. 509 ZGB ausdrücklich erfolgt oder faktisch durch Vernichtung der Urkunde nach Art. 510 ZGB – verlangt einen erblasserischen Willen zur Zerstörung und Aufhebung des Testamentes (Aufhebungswillen, Widerrufswillen, animus revocandi). Erfolgt die Zerstörung ohne Widerrufswillen des Testators, mithin durch Zufall oder Verschulden anderer, hat die Vernichtung des Testamentes keinerlei Auswirkung auf die Gültigkeit des Testamentes, vorausgesetzt der Inhalt lässt sich wie auch immer rekonstruieren.
Im Rahmen der prima facie-Auslegung durch das Eröffnungsgericht ist der Widerruf eines Testamentes grundsätzlich beachtlich. In einer Konstellation, in welcher eine Testamentskopie eingereicht und die Zerstörung des Originals mit Widerrufswillen der Erblasserin behauptet wird, hat das Eröffnungsgericht unpräjudiziell zu prüfen, ob von einer gültigen Vernichtung im Sinne von Art. 510 Abs. 1 ZGB auszugehen ist. Denn eine Kopie eines Dokuments, welches die oben wiedergegebenen Anforderungen an eine letztwillige Verfügung erfüllt, bleibt solange beachtlich, als nicht nachgewiesen ist, dass der Verlust des Originals auf einer gültigen, willentlichen Vernichtung basiert. Über die Hintergründe einer Vernichtung und den animus recovandi des Testierenden, der eine innere Tatsache darstellt, dürfte das Eröffnungsgericht in der Regel keine detaillierten Kenntnisse haben. Wenn das Gericht jedoch aufgrund der Akten Zweifel am animus recovandi hat, ist dies in die unprädjudizielle Prüfung einzubeziehen.
Mit einem konkreten Fall, in welchem die Frage nach der Gültigkeit eines Widerrufs infolge Vernichtung nach Art. 510 Abs. 1 ZGB bei Vornahme der Vernichtungshandlung durch einen Dritten hätte geprüft werden müssen, hat sich das Bundesgericht soweit ersichtlich bis heute nicht auseinandersetzt. Damit lässt die zitierte bundesgerichtliche Rechtsprechung einerseits die Frage offen, inwiefern eine Drittvernichtung überhaupt mit dem Wortlaut von Art. 510 Abs. 1 ZGB, der eine Vernichtung durch den Erblasser persönlich verlangt, vereinbar ist. Offen ist andererseits auch, wie genau eine solche Willensäusserung mit anschliessender Drittvernichtung in der Praxis auszusehen hätte, insbesondere in welcher Form und in welchem Rahmen eine Anweisung oder ein Auftrag an einen Dritten durch den Erblasser zu erfolgen und wie konkret der Dritte in der Folge vorzugehen hätte. Einschlägige Antworten auf diese Fragen finden sich auch in der Literatur keine. Zwar wird in einem Teil der Literatur die Meinung vertreten, dass eine (gültige) Vernichtung des Testamentes auch durch einen Dritten erfolgen könne. Die entsprechenden Meinungen beschränken sich aber weitestgehend darauf, die Möglichkeit der Vernichtung durch Dritte pauschal zu bejahen, ohne sich mit den sich stellenden rechtlichen als auch praktischen Fragen auseinanderzusetzen. Reicher an Argumenten erscheinen dagegen diejenigen Meinungen, welche der Möglichkeit der gültigen Vernichtung i.S.v. Art. 510 Abs. 1 ZGB durch einen Dritten ablehnend oder zumindest kritisch gegenüberstehen. Im vorliegenden Fall erscheint eine Vernichtung durch eine Drittperson ohne schriftliche Ermächtigung oder einen anderen Nachweis seitens der Erblasserin in rechtlicher Hinsicht derart heikel, dass im Rahmen der Testamentseröffnung kein gültiger Widerruf im Sinne von Art. 510 Abs. 1 ZGB anzunehmen ist.
01/23
Erbrecht | Inkrafttreten des revidierten Erbrechts
Das revidierte Erbrecht ist auf den 1. Januar 2023 in Kraft getreten. Mit dem neuen Recht kann über einen grösseren Teil des Nachlasses frei verfügt werden. Der Pflichtteil der Nachkommen wird von (bisher) 3/4 auf (neu) 1/2 des gesetzlichen Erbteils reduziert. Der Pflichtteil der Eltern entfällt mit der Revision (nicht jedoch der gesetzliche Erbteil), jener des Ehepartners bleibt dagegen unverändert (1/2 des gesetzlichen Erbteils). Das revidierte Erbrecht bringt mit weiteren Neuerungen mehr Gestaltungsfreiheiten in der Nachlassplanung. Insbesondere ist dabei aber auch zu beachten, dass Verfügungen von Todes wegen sowie lebzeitige Zuwendungen (mit Ausnahme üblicher Gelegenheitsgeschenke) anfechtbar sind, wenn sie mit erbvertraglichen Verpflichtungen nicht vereinbar und im Erbvertrag nicht vorbehalten worden sind. Das revidierte Erbrecht gilt für alle Todesfälle ab dem 1. Januar 2023 und findet entsprechend auch auf bereits früher erstellte Testamente und Erbverträge Anwendung. Es ist daher zu empfehlen, bestehende Testamente und Erbverträge dahingehend zu überprüfen, ob ein Anpassungsbedarf besteht und wie die neuen Gestaltungsfreiheiten für die individuellen Bedürfnisse optimal genutzt werden können.
01/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_462/2022
Der Erblasser kann gemäss Art. 495 Abs. 1 ZGB mit einem Erben einen Erbverzichtsvertrag abschliessen. Der Erb(verzichts)vertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Form der öffentlichen letztwilligen Verfügung (Art. 512 Abs. 1 ZGB). Art. 512 Abs. 1 ZGB verweist damit auf Art. 499 ff. ZGB. Die öffentliche letztwillige Verfügung erfolgt unter Mitwirkung von zwei Zeugen vor dem Beamten, Notar oder einer anderen Urkundsperson, die nach kantonalem Recht mit diesen Geschäften betraut sind (Art. 499 ZGB). Für die Errichtung der öffentlichen letztwilligen Verfügung sieht das Gesetz zwei Vorgehensweisen vor: Nach der einen hat der Erblasser die von der Urkundsperson aufgesetzte Urkunde zu lesen und zu unterschreiben (Art. 500 Abs. 1 und 2 ZGB). Die Urkundsperson hat die Urkunde zu datieren und ebenfalls zu unterschreiben (Art. 500 Abs. 3 ZGB). Unmittelbar nach der Datierung und Unterzeichnung hat der Erblasser den zwei Zeugen in Gegenwart der Urkundsperson zu erklären, dass er die Urkunde gelesen habe und dass sie seine letztwillige Verfügung enthalte (Art. 501 Abs. 1 ZGB). Die Zeugen haben auf der Urkunde mit ihrer Unterschrift zu bestätigen, dass der Erblasser vor ihnen diese Erklärung abgegeben und dass er sich nach ihrer Wahrnehmung dabei im Zustand der Verfügungsfähigkeit befunden habe (Art. 501 Abs. 2 ZGB). Dabei ist nicht erforderlich, dass die Zeugen vom Inhalt der Urkunde Kenntnis erhalten (Art. 501 Abs. 3 ZGB). Nach der anderen Vorgehensweise kann eine öffentliche letztwillige Verfügung ohne Lesen und Unterschrift des Erblassers errichtet werden. Diesfalls hat die Urkundsperson dem Erblasser die Urkunde in Gegenwart der beiden Zeugen vorzulesen und der Erblasser hat daraufhin zu erklären, die Urkunde enthalte seine Verfügung (Art. 502 Abs. 1 ZGB). Die Zeugen haben in diesem Fall nicht nur die Erklärung des Erblassers und ihre Wahrnehmung über seine Verfügungsfähigkeit zu bezeugen, sondern auch mit ihrer Unterschrift zu bestätigen, dass die Urkunde in ihrer Gegenwart dem Erblasser von der Urkundsperson vorgelesen worden sei (Art. 502 Abs. 2 ZGB).
Beim Abschluss eines Erb(verzichts)vertrags sind zusätzlich bzw. abweichend davon folgende Modalitäten zu beachten: Zum einen ist der Vertrag von beiden Parteien zu unterzeichnen, und zwar entgegen Art. 13 OR selbst dann, wenn eine Partei keine Gegenleistung erbringt. Zum anderen müssen beide Parteien vor dem Notar erscheinen und haben sie ihre Willensäusserung anlässlich des gleichen Vorgangs abzugeben. Schliesslich müssen die Zeugen beim Selbstlesungsverfahren nicht erst nach der Datierung und Unterzeichnung durch die Parteien beigezogen (vgl. Art. 501 Abs. 1 ZGB), sondern die Urkunde muss im Beisein der Zeugen und der Urkundsperson unterschrieben werden (Art. 512 Abs. 2 ZGB). Bezüglich der Reihenfolge der vorzunehmenden Handlungen hat das Bundesgericht gewisse Abweichungen vom Gesetzestext zugelassen.
Bei den vorstehend beschriebenen Vorgaben handelt es sich um Gültigkeitsvorschriften, deren Verletzung das Rechtsgeschäft bei Anfechtung auf der Grundlage von Art. 520 ZGB ungültig macht. Leidet die öffentliche Verfügung an einem Formmangel, so wird sie auf erhobene Klage für ungültig erklärt (Art. 520 Abs. 1 ZGB).
01/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_504/2021
Weil im Verfahren zur Vorbereitung und Erteilung der Erbbescheinigung nicht materiell über die Erbenstellung entschieden wird und dem entsprechenden Entscheid keine materielle Rechtskraft zukommt, stellt dieser eine vorsorgliche Massnahme i.S.v. Art. 98 BGG dar.
01/23
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_760/2022
Die gerichtliche Ungültigerklärung eines Testaments hat zur Folge, dass frühere gültige Verfügungen von Todes wegen, die durch das ungültige Testament aufgehoben wurden, wieder aufleben. Wurde die Ungültigkeitsklage von der Vorinstanz abgewiesen, ist der Kläger nicht beschwerdelegitimiert, wenn er auch nach der früheren Verfügung von der Erbfolge ausgeschlossen ist und hinsichtlich dieser Verfügung keine Rechtsbegehren gestellt hat.
12/22
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts BGE 149 III 145 (5A_425/2020 + 5A_435/2020)
In einem Feststellungsurteil äussert sich das Gericht zum Bestehen oder Nichtbestehen des strittigen Rechts oder Rechtsverhältnisses. Wenn das Gericht einen Anrechnungswert feststellt, stellt es kein Recht oder Rechtsverhältnis, sondern eine Tatsache fest: Der Urteilsspruch bildet ein blosses Beweisergebnis ab. Rechtliche Konsequenzen werden daraus nicht gezogen, noch ergeht ein Rechtsspruch über streitige zivilrechtliche Ansprüche. Der für die Bewertung des Anrechnungswerts massgebende Zeitpunkt ist zwar eine Rechtsfrage; dies ändert aber nichts daran, dass der massgebliche Bewertungszeitpunkt die Bestimmung des Anrechnungswerts betrifft.
Nach der Rechtsprechung sind Erbverträge grundsätzlich nach obligationenrechtlichen Regeln auszulegen. Ziel dieser Auslegung ist es in erster Linie, den übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen festzulegen (Art. 18 Abs. 1 OR). Diese subjektive Vertragsauslegung beruht auf Beweiswürdigung. Sie ist also eine Tatfrage. Bleibt der tatsächliche Parteiwille unbewiesen, sind die Erklärungen und Verhaltensweisen der Parteien nach dem Vertrauensprinzip so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie nach den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten. Das Bundesgericht überprüft diese objektivierte Auslegung als Rechtsfrage frei. Es ist aber an die Feststellungen der kantonalen Vorinstanz über die äusseren Umstände sowie das Wissen und Wollen der Beteiligten grundsätzlich gebunden. Massgebend ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Umstände, die den Erklärungen der Parteien vorangegangen sind oder sie begleitet haben, können berücksichtigt werden. Nachträgliches Parteiverhalten ist bei der Auslegung nach dem Vertrauensprinzip hingegen nicht von Bedeutung. Es kann allenfalls auf einen tatsächlichen Willen der Parteien schliessen lassen.
Demgegenüber stellt die letztwillige Verfügung eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung dar. Die Auslegung von Testamenten ist willensorientiert; eine Auslegung nach dem am Erklärungsempfänger orientierten Vertrauensprinzip fällt ausser Betracht. Die Erben oder andere Bedachte haben keinen Anspruch auf Schutz ihres Verständnisses der letztwilligen Verfügung; es kommt somit nicht darauf an, wie sie die Erklärung des Erblassers verstehen durften und mussten, sondern einzig darauf, was der Erblasser mit seiner Äusserung sagen wollte.
Nun kann ein Erbvertrag neben vertraglichen Bestimmungen auch testamentarische Anordnungen aufweisen. Ob eine bestimmte im Erbvertrag enthaltene Klausel vertraglicher oder einseitiger Natur ist, beurteilt sich aufgrund der Interessenlage der Vertragsparteien. Ausschlaggebend ist demnach, ob der Vertragspartner des Erblassers ein - für diesen erkennbares oder diesem bekanntes - Interesse an dessen Bindung gehabt hat. Dabei ist der gesamte in der Erbvertragsform verurkundete Text und nicht nur eine isolierte Klausel zu würdigen. Hat die Vertragspartei kein Interesse an einer solchen Klausel, wird diese als testamentarisch qualifiziert.
Die gesetzlichen Erben sind gegenseitig verpflichtet, alles zur Ausgleichung zu bringen, was ihnen der Erblasser bei Lebzeiten auf Anrechnung an ihren Erbteil zugewendet hat (Art. 626 Abs. 1 ZGB). Was der Erblasser seinen Nachkommen als Heiratsgut, Ausstattung oder durch Vermögensabtretung, Schulderlass und dergleichen zugewendet hat, steht, sofern der Erblasser nicht ausdrücklich das Gegenteil verfügt, unter der Ausgleichungspflicht (Art. 626 Abs. 2 ZGB). Gemäss Art. 527 Ziff. 1 ZGB sind jene Zuwendungen herabzusetzen, die ihrer Natur nach gemäss Art. 626 Abs. 2 ZGB der Ausgleichung unterständen, ihr aber durch eine Verfügung des Erblassers entzogen worden sind. Die Ausgleichung dient mithin der Gleichbehandlung der Erben, die Herabsetzung dem Schutz der pflichtteilsgeschützten Erben. Ausgleichung und Herabsetzung setzen in objektiver Hinsicht voraus, dass eine unentgeltliche lebzeitige Zuwendung vorliegt. Eine lebzeitige Verfügung des Erblassers ist ganz oder teilweise unentgeltlich, wenn sein Vermögen infolge der Zuwendung eine Einbusse erlitten hat, ihm also dafür kein ökonomisches Äquivalent zugeflossen ist. Ob und inwieweit eine Zuwendung als unentgeltlich zu qualifizieren ist, beurteilt sich aufgrund der Verhältnisse im Zeitpunkt ihrer Vornahme. Soweit die Ausgleichungspflicht nach Art. 626 Abs. 2 ZGB in Frage steht, fallen nur Zuwendungen mit Ausstattungs- oder Versorgungscharakter in Betracht. Das sind Verfügungen des Erblassers, die den Zweck haben, dem Empfänger eine Existenz zu verschaffen oder ihm die vorhandene Existenz zu sichern oder zu verbessern. Massgebend ist der vom Erblasser verfolgte Zweck, nicht die Art und Weise, wie der Empfänger die Vermögenswerte tatsächlich verwendet. Ob eine (vom Erblasser zur Existenzbegründung, -sicherung oder -verbesserung getätigte) Zuwendung Ausstattungs- oder Versorgungscharakter hat, ist eine Rechtsfrage. Grundstücke fallen im Prinzip unter Art. 626 Abs. 2 ZGB, sofern erhebliche Werte in Frage stehen. Eine Zuwendung im Sinne von Art. 626 Abs. 2 ZGB kann auch in der Bezahlung von Schulden der Nachkommen bestehen. Neben (gemischten) Schenkungen von Vermögenswerten können insb. Gebrauchsüberlassungen wie das unentgeltliche oder verbilligte Überlassen einer Wohnung unter Art. 626 Abs. 2 ZGB fallen (in BGE 76 II 195 wurde der Erlass der Wohnungsmiete für 18 Monate nicht als ausgleichungspflichtig angesehen). Die Gebrauchsüberlassung muss jedoch über das hinausgehen, was in Familien üblich ist. In subjektiver Hinsicht muss der Erblasser einen Zuwendungswillen (animus donandi) gehabt haben. Bei einer gemischten Schenkung müssen die Parteien eine unentgeltliche Zuwendung in dem Sinn beabsichtigen, dass sie den Preis bewusst unter dem wahren Wert des Kaufgegenstandes ansetzen, um die Differenz dem Käufer unentgeltlich zukommen zu lassen. Es muss mithin nicht nur der Erblasser einen Schenkungswillen haben, sondern der Beschenkte die Leistung auch als gemischte Schenkung empfangen wollen. Es liegt in der Natur der Sache, dass das, was der Erblasser gewusst, was er gewollt hat, als innere Tatsache einem direkten Beweis nicht zugänglich ist, sondern sich (nach dem Tod des Erblassers) nur mehr indirekt beweisen lässt, etwa durch (dokumentierte) Aussagen des Erblassers oder anderer Personen, durch Folgerungen aus deren äusseren Verhalten oder anhand der Umstände. Die Folgen der Beweislosigkeit trägt dabei derjenige, der aus der Erfüllung des Ausgleichungs- oder Herabsetzungstatbestands Rechte ableitet (Art. 8 ZGB). Mithin muss der Ausgleichungsgläubiger den objektiven und subjektiven Schenkungscharakter einer Zuwendung beweisen und obliegt in den Fällen von Art. 626 Abs. 2 ZGB dem Ausgleichungsschuldner der Nachweis eines allfälligen ausdrücklichen Ausgleichungsdispenses.
Mit Bezug auf Zuwendungen, die nicht direkt vom Erblasser oder nicht direkt an einen Erben, sondern von einer dazwischen stehenden juristischen Person oder an eine solche geleistet werden, stellt das Bundesgericht in einem Urteil betreffend die Informationsansprüche der Erben klar, dass die rechtliche Selbständigkeit juristischer Personen zu beachten sei, sofern sie im Einzelfall nicht rechtsmissbräuchlich geltend gemacht werde. Der so genannte Durchgriff habe - allgemein ausgedrückt - zur Folge, dass die rechtliche Selbständigkeit der juristischen Person ausser Acht gelassen wird und damit die juristische Person und die sie beherrschende Person rechtlich - vor allem in Vermögensbelangen - als Einheit behandelt werden. Er setze voraus, dass die juristische Person von der hinter ihr stehenden Person abhängig ist und zu missbräuchlichen Zwecken gegründet wurde oder verwendet wird. Seien diese Voraussetzungen erfüllt, könne es sich ausnahmsweise rechtfertigen, vom beherrschten auf das beherrschende Subjekt oder umgekehrt "durchzugreifen", das heisst - in der damals gegebenen Konstellation - Ausgleichungs- oder Herabsetzungsansprüche der Beklagten gegen den Kläger zuzulassen für Zuwendungen der Erblasser an Gesellschaften, die der Kläger beherrscht.
In 5A_994/2014 bejahte das Bundesgericht die Auskunftspflicht des Klägers, da aufgrund der Vermögensverschiebungen der Erblasser an vom Kläger beherrschte Gesellschaften Ausgleichungs- und Herabsetzungsansprüche bestehen könnten.
In 5A_620/2007 kam das Bundesgericht im Kontext des Auskunftsrechts des amtlichen Liquidators zum Schluss, dass die Übertragung von Vermögenswerten von einer Gesellschaft, deren wirtschaftlich Begünstigter der Erblasser ist, ebenso wie die Übertragung von Vermögenswerten, die dem Erblasser gehören oder an denen er wirtschaftlich berechtigt ist, zugunsten eines Trusts eine lebzeitige Verfügung an die Begünstigten des Trusts darstelle.
In 5A_789/2016 handelte es sich um eine Aktiengesellschaft, deren Grossaktionär und Direktor der Erblasser war. Die Aktiengesellschaft hatte an eigenen Grundstücken (Dritt-)Pfänder bestellt, um die Darlehensschuld eines Nachkommens des Erblassers zu sichern. Das Bundesgericht unterstellte diese Drittpfandbestellung nicht der Ausgleichungspflicht nach Art. 626 Abs. 2 ZGB. Im Drittpfandverhältnis liege erst dann eine Zuwendung des Erblassers vor, wenn der nachmalige Erblasser im Fall der Kündigung des Darlehens auf seine Regressansprüche gegenüber dem Nachkommen verzichte, mithin einen Schulderlass gewähre. Im konkreten Fall sei die Verringerung des Vermögens erst in demjenigen Zeitpunkt eingetreten, in welchem nach der Versteigerung der verpfändeten Grundstücke der Regressanspruch gegen den Nachkommen nicht erhoben wurde. Nachdem die Aktiengesellschaft als Eigentümerin der Grundstücke bereits mehr als drei Jahre zuvor in Konkurs gefallen gewesen sei, habe der Erstattungsanspruch allein der Konkursmasse, nicht jedoch dem Erblasser zugestanden. Fehle es aber an einer lebzeitigen Zuwendung des Erblassers, sei nicht auch zu prüfen, ob die angebliche Schenkung dem Erblasser direkt oder in Anwendung eines Durchgriffs durch die Aktiengesellschaft zuzuordnen ist.
Die erwähnten Urteile haben im Schrifttum Diskussionen darüber ausgelöst, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Zuwendungen, die nicht auf dem direkten Weg vom Erblasser an den Erben vollzogen werden, der Ausgleichung (und der Herabsetzung) unterstehen sollen. Unter dem Stichwort der "indirekten Zuwendung" wird postuliert, dass Zuwendungen einer vom Erblasser beherrschten juristischen Person an einen Erben (z.B. der von der Einmann-Aktiengesellschaft des Erblassers ausbezahlte überhöhte Lohn) und solche an eine von einem Erben beherrschte juristische Person (z.B. Teilnahme des Erblassers an einer Kapitalerhöhung mit überhöhtem Ausgabepreis) losgelöst von den herkömmlichen Voraussetzungen des Durchgriffs als lebzeitige Zuwendungen des Erblassers ausgleichungspflichtig sind, sofern bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Erbe dadurch bereichert wird und der Erblasser eine Vermögenseinbusse erleidet. Für eine Lehrmeinung steht fest, dass das Bundesgericht in 5A_620/2007 im beschriebenen Sinne von indirekten Zuwendungen ausgeht; es rechne dem Erblasser die Zuwendungen der von ihm beherrschten Gesellschaft an den Trust (und von dort weiter an dessen Begünstigte) an und lasse so letztlich ausser Acht, dass die Zuwendung nicht vom Erblasser selbst, sondern von der von ihm beherrschten Gesellschaft ausgeht Im Zusammenhang mit dem Urteil 5A_994/2014 bzw. dem Durchgriffsprinzip wird sodann darauf hingewiesen, dass es wenig Sinn mache, auf Seiten des Erblassers nach einem Rechtsmissbrauch zu suchen, da der Erblasser seine Nachkommen mit einem ausdrücklichen Ausgleichungsdispens ohnehin von der Ausgleichungspflicht befreien könne. Auch den begünstigten Nachkommen, die einem Ausgleichungsanspruch entgegenhalten, dass die Zuwendungen nicht vom Erblasser selbst geleistet wurden, könne kein missbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden, da die Ursache des Rechtsmissbrauchs nicht durch sie verantwortet werde und sich die wirtschaftliche Identität von juristischer und natürlicher Person nicht auf sie, sondern auf den Erblasser beziehe. Angesichts dessen dürfe ein "erbrechtlicher" Durchgriff nicht allein von einem Rechtsmissbrauch abhängen, sondern müsse sich aus den Gerechtigkeits- und Gleichbehandlungsüberlegungen ergeben, die der gesetzlichen Ausgleichung nach Art. 626 Abs. 2 ZGB zugrunde liege.
Die Rechtsfigur des Durchgriffs, von der in 5A_994/2014 die Rede ist, beschreibt nach überkommener Rechtsprechung eine Ausnahme vom Grundsatz, dass die rechtliche Selbständigkeit juristischer Personen zu beachten ist. Diese Ausnahme setzt die Abhängigkeit der juristischen Person von einer hinter ihr stehenden Person und damit die Identität der wirtschaftlichen Interessen der juristischen Person und der sie beherrschenden Person voraus. Die Berufung auf die rechtliche Selbständigkeit der juristischen Person muss zweitens dazu führen, dass Gesetzesvorschriften umgangen, Verträge nicht erfüllt oder sonstwie berechtigte Interessen Dritter offensichtlich verletzt werden. Die rechtliche Selbständigkeit der juristischen Person muss rechtsmissbräuchlich, d.h. in der Absicht geltend gemacht werden, einen ungerechtfertigten Vorteil daraus zu ziehen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann es sich ausnahmsweise rechtfertigen, vom beherrschten auf das beherrschende Subjekt oder umgekehrt "durchzugreifen". Ein wichtiger (möglicher) Anwendungsfall für den Durchgriff ist die Einmanngesellschaft. Diese wird in der Praxis geduldet; sie behält trotz der wirtschaftlichen Identität von Gesellschaft und Alleinaktionär grundsätzlich ihre eigene Rechtspersönlichkeit bei, kann Trägerin von Rechten und Pflichten sein und über ein eigenes Vermögen verfügen. Mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Identität von Gesellschaft und Allein- bzw. Hauptaktionär muss die formalrechtliche Selbständigkeit der Gesellschaft in deren Beziehungen zu Dritten jedoch unbeachtet bleiben, wo der Grundsatz von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr dies erfordert, wo die Berufung auf die Verschiedenheit der Rechtssubjekte einem Rechtsmissbrauch oder einer offensichtlichen Verletzung legitimer Interessen gleichkommt. Zwar ist diese Rechtsprechung vor allem im Zusammenhang mit Haftungsfragen entwickelt worden. Sie beruht aber auf dem allgemeinen Grundgedanken, dass die Unterscheidung zwischen juristischer Person und dem hinter ihr stehenden, alles beherrschenden Aktionär in bestimmten Konstellationen eine juristische Fiktion darstellt, die den realen Gegebenheiten in keiner Weise entspricht.
Was den hier in Frage stehenden ausgleichungsrechtlichen Durchgriff angeht, haben die Nachkommen mit der wirtschaftlichen Identität des Erblassers und der von ihm beherrschten Aktiengesellschaft nichts zu tun, weshalb sie nicht als Urheber einer (allenfalls) rechtsmissbräuchlichen Verwendung der Aktiengesellschaft in die Pflicht genommen werden können. Richtig ist auch, dass der Erblasser lebzeitige Zuwendungen an seine Nachkommen genauso gut mit einem ausdrücklichen Dispens von der Ausgleichungspflicht befreien kann, ohne sich hinter "seiner" Aktiengesellschaft verstecken zu müssen. Der Rechtsmissbrauch ist gerade im Fall der Einmanngesellschaft kein zwingendes Erfordernis für einen Durchgriff. Die Praxis orientiert sich (auch) daran, ob es sich unter dem Blickwinkel von Treu und Glauben oder angesichts der drohenden Verletzung legitimer Interessen aufdrängt, über die formalrechtliche Selbständigkeit der juristischen Person hinwegzusehen. Hier, bei der Anwendung von Art. 626 Abs. 2 ZGB, geht es um das Interesse eines jeden Kindes, am väterlichen oder mütterlichen Nachlass zu einem gleichen Teil wie alle anderen Kinder zu partizipieren. Die Legitimität dieses Interesses beruht auf dem Willen des Gesetzgebers, mit der Gleichheits- oder Gerechtigkeitsidee im familiären Kontext dem besonderen Stellenwert Rechnung zu tragen, durch den sich die (naturgemäss) enge Beziehung der Kinder sowohl zu ihren Eltern als auch untereinander vom weiteren Familienkreis (und von ausserfamiliären Verhältnissen) abhebt. Ausgehend davon überbürdet das Gesetz dem Ausgleichungsschuldner auch den Nachweis eines ausdrücklichen Ausgleichungsdispenses des Erblassers. Es besteht kein Grund, den gesetzlich verankerten Gleichbehandlungsgedanken wegen der rechtlichen Selbständigkeit der Einmanngesellschaft, derer sich der Erblasser bei der Ausrichtung der Zuwendungen bedient, zurückzustellen. Aus den dargelegten Gründen steht im gegebenen Kontext nicht der "Missbrauch" der rechtlichen Selbständigkeit der vom Erblasser beherrschten juristischen Person im Fokus, sondern die Tatsache, dass der Erblasser seinen Nachkommen einen geldwerten Vorteil unentgeltlich zukommen lässt und damit auch sein eigenes Vermögen schmälert: Indem er - beispielsweise durch die Auszahlung eines zu hohen Arbeitslohns an die bei der juristischen Person angestellte Tochter oder durch die (gemischte) Schenkung eines Grundstücks aus dem Vermögen der juristischen Person an den Sohn - in der Geschäftstätigkeit seiner Aktiengesellschaft auf Marktkonditionen verzichtet, nimmt er eine Gewinneinbusse der Gesellschaft, mithin eine Werteinbusse der von ihm gehaltenen (100%-) Beteiligung in Kauf. Dass der Erblasser für diese Begünstigungen den Weg über die von ihm beherrschte juristische Person wählte, steht der (grundsätzlichen) Ausgleichungspflicht also nicht im Weg. Freilich müssen auch alle übrigen gesetzlichen Voraussetzungen von Art. 626 Abs. 2 ZGB erfüllt sein. Für die Zwecke der hier gegebenen Ausgangslage einer vom Erblasser beherrschten Aktiengesellschaft ist die Rechtsfigur des Durchgriffs somit im beschriebenen Sinn an den Gegeben- und Besonderheiten des erbrechtlichen Ausgleichungsstreits auszurichten. In der Folge erübrigen sich Erörterungen zur Lehre von der "indirekten Zuwendung", der zufolge die Vermögensvorteile, die den Nachkommen indirekt über eine vom Erblasser beherrschte juristische Person ausgerichtet wurden, unabhängig von der Erfüllung eines eigentlichen Missbrauchstatbestands ausgleichungspflichtig sein können. Schliesslich ist mit den vorigen Erwägungen auch nichts Verbindliches über die (spiegelbildliche) Situation gesagt, in der die umstrittenen Zuwendungen nicht von einer vom Erblasser beherrschten juristischen Person herrührten, sondern einer von einem Nachkommen beherrschten juristischen Person zuflossen. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob sich in dieser Situation ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Nachkommens als Voraussetzung für einen Durchgriff rechtfertigt. Schliesslich kann auch offenbleiben, ob bzw. wie sich das Bundesgericht in 5A_620/2007 und 5A_789/2016 zum Rechtsmissbrauch als Voraussetzung für einen ausgleichungsrechtlichen Durchgriff äusserte.
12/22
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_968/2021
Der Erb(verzichts)vertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der Form der öffentlichen letztwilligen Verfügung (Art. 512 Abs. 1 ZGB). Die Vertragschliessenden haben gleichzeitig der Urkundsperson ihren Willen zu erklären und die Urkunde vor ihr und den zwei Zeugen zu unterschreiben (Art. 512 Abs. 2 ZGB). Die Errichtungsform sowie die Mitwirkung der Urkundsperson und der Zeugen sind im Einzelnen in den Art. 499 ff. ZGB geregelt. Hierbei handelt es sich um Gültigkeitsvorschriften, deren Verletzung das Rechtsgeschäft bei Anfechtung auf der Grundlage von Art. 520 ZGB ungültig macht (BGE 133 I 259; BGE 113 II 270). Die Kantone bestimmen, in welcher Weise auf ihrem Gebiet die öffentliche Beurkundung hergestellt wird (Art. 55 Abs. 1 SchlT ZGB). Ausserdem haben sie für die Errichtung von öffentlichen Urkunden in fremder Sprache ordnende Bestimmungen aufzustellen (Art. 55 Abs. 2 SchlT ZGB). Neben Zuständigkeit und Form des Verfahrens regeln die Kantone dergestalt insbesondere die Voraussetzungen für die Tätigkeit als Urkundsperson, die Aufgaben und Berufspflichten der Urkundspersonen sowie das Gebühren- und Aufsichtswesen (BGE 133 I 259; BGE 131 II 639).
Gemäss Art. 500 Abs. 3 ZGB hat der Beamte im Rahmen der öffentlichen Beurkundung die Urkunde zu datieren und ebenfalls zu unterschreiben. Nach der Darstellung des Obergerichts umfasst der Erbverzichtsvertrag eine abschliessende "notarielle Bescheinigung", in der der Notar die eigenhändige Unterzeichnung des Vertrags durch die Parteien und die Zeugen in seiner Gegenwart bescheinigt. Diese Bescheinigung sei mit den weiteren Dokumenten zusammengebunden worden und der Notar habe jedes Blatt der Urkunde unterzeichnet und mit einem Stempel versehen. Das letzte Blatt sei zusätzlich datiert worden. Die mehrseitige Urkunde erscheine somit als einheitliches Dokument, womit die einschlägigen bundesrechtlichen Anforderungen erfüllt seien. Das Bundesgericht hat dies bestätigt.
Bei einer im Erbverzichtsvertrag vorgesehenen Verpflichtung der Erblasserin, an die erbverzichtende Partei einen Geldbetrag zu bezahlen, wurde von einer aufschiebenden Bedingung im Sinne von Art. 151 OR ausgegangen. Der Bedingungseintritt wurde als erfüllt erachtet. Dabei wurde als notorisch erachtet, dass der erbverzichtenden Partei anlässlich der Banküberweisung keine Spesen angefallen sind, weshalb der gesamte Betrag bezahlt und die Bedingung eingetreten ist.
12/22
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF220056
Erbrechtliche Angelegenheiten sind grundsätzlich vermögensrechtliche Streitigkeiten. So auch die Ausschlagung, da auch dort finanzielle Interessen im Vordergrund stehen bzw. damit überwiegend ein wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird, etwa die Verhinderung der gesetzlichen Haftung für allfällige Schulden des Erblassers. Art. 566 Abs. 1 ZGB räumt den gesetzlichen und eingesetzten Erben die Möglichkeit ein, durch eine Erklärung die Erbschaft auszuschlagen, mit der Wirkung, dass der Erklärende nicht Erbe ist. Mit dieser Erklärung lässt der Erbe den von Gesetzes wegen eintretenden Erbschaftserwerb (vgl. Art. 560 Abs. 1 ZGB) mit Wirkung ex tunc dahinfallen, also im Ergebnis gar nicht erst eintreten. Die Frist zur Ausschlagung beträgt drei Monate. Das Einzelgericht als zuständige Behörde hat die Ausschlagungserklärung entgegenzunehmen und zu protokollieren. Die Protokollierung schafft dabei nur den Beweis für die Abgabe und den Zeitpunkt der Ausschlagungserklärung und hat keinerlei Rechtskraftwirkung. Es beurkundet die Abgabe einer Erklärung, jedoch nicht deren Wirkung. Das Protokoll dient somit nur Informationszwecken und hat lediglich deklaratorische Wirkung. Nimmt die zuständige Behörde eine Erbausschlagung zu Protokoll, so bewirkt diese Amtshandlung Kosten, welche zulasten der ausschlagenden Erben gehen, die im eigenen Interesse die Behörde angerufen und zu handeln veranlasst haben.
12/22
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich PF220044
Die Kosten erbrechtlicher Sicherungsmassregeln nach Art. 551 ff. ZGB sind zwar in der Regel Erbgangsschulden, die vom Nachlass zu tragen sind. Grund dafür ist, dass die Behörde (im Kanton Zürich das Einzelgericht Erbschaftssachen) auch ohne Begehren einer betroffenen Person handelt und die Anordnungen dem Nachlass als Ganzes dienen. Das Einspracheverfahren wird dagegen vom Einsprecher veranlasst. Der Einsprecher hätte denn auch, soweit er zur Einsprache legitimiert ist, vom Sicherungsbehelf der Einsprache bis zur Erledigung einer erbrechtlichen Klage profitiert, indem den eingesetzten Erben die Erbbescheinigung einstweilen nicht ausgestellt wird.
12/22
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LB220080
Findet sich beim Tode eines Erblassers eine letztwillige Verfügung vor, so ist sie der Behörde unverweilt einzuliefern und binnen Monatsfrist nach der Einlieferung zu eröffnen. Gemäss Art. 559 Abs. 1 ZGB wird nach Ablauf eines Monats seit der Mitteilung der eröffneten letztwilligen Verfügung an die Beteiligten den eingesetzten Erben, wenn die gesetzlichen Erben oder die aus einer früheren Verfügung Bedachten nicht ausdrücklich deren Berechtigung bestritten haben, auf ihr Verlangen von der Behörde eine Bescheinigung darüber ausgestellt, dass sie unter Vorbehalt der Ungültigkeitsklage und der Erbschaftsklage als Erben anerkannt seien. Anspruch auf Ausstellung eines solchen Erbscheins haben entgegen dem Gesetzeswortlaut nicht nur eingesetzte, sondern auch gesetzliche Erben. Der Zweck des Erbscheins erschöpft sich darin, sämtliche Erben auszuweisen, damit diese den Nachlass einstweilen in Besitz nehmen und provisorisch darüber verfügen können. Die Ausstellung einer Erbbescheinigung ist nur zu verweigern, wenn die Erbberechtigung der betroffenen Personen bestritten wird. Die Erbberechtigung der gesetzlichen Erben kann, im Gegensatz zu derjenigen der eingesetzten Erben, allerdings nicht bestritten werden. Ist sodann im Zeitpunkt der Einsprache bereits klar, dass sich am Kreise der Erben nichts mehr ändern kann, vermag der Erbschein seinen vorstehend umschriebenen Zweck vollumfänglich zu erfüllen, sodass er trotz Einsprache auszustellen ist. Das gilt auch, wenn aufgrund des Streits der Erben eine Erbschaftsverwaltung angeordnet wurde und der Erbschein daher einstweilen kaum einen praktischen Nutzen hat.
12/22
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LB200044
Es ist zu unterscheiden zwischen dem Anspruch eines Erben auf Zuweisung eines landwirtschaftlichen Grundstücks aus dem Nachlass, das nicht zu einem landwirtschaftlichen Gewerbe gehört, zum doppelten Ertragswert nach Art. 21 Abs. 1 BGG einerseits und dem Anspruch eines Erbens auf Zuweisung eines landwirtschaftlichen Gewerbes aus dem Nachlass zum Ertragswert nach Art. 11 Abs. 1 BGBB i.V.m. Art. 17 Abs. 1 BGBB andererseits. Ersterer Anspruch steht nur Erben zu, die ein landwirtschaftliches Gewerbe nach Art. 7 BGBB (d.h. ein Gewerbe mit mindestens einer Standardarbeitskraft SAK) führen. Das ist insofern folgerichtig, als nur solche Erben das landwirtschaftliche Grundstück im Rahmen ihres (bereits bestehenden) landwirtschaftlichen Gewerbes nach BGBB landwirtschaftlich nutzen können, was dem Zweck des BGBB im Sinne des Erhalts des bäuerlichen Bodenbesitzes im Allgemeinen und der Strukturverbesserung im Besonderen entspricht. Beim zweiten Anspruch, demjenigen auf Integralzuweisung eines sich im Nachlass befindlichen landwirtschaftlichen Gewerbes, kommt es dagegen einzig darauf an, ob der Erbe (oder die Erbin) das Gewerbe selber bewirtschaften will und ob er oder sie dafür geeignet ist. Diese Bestimmung dient einem anderen Hauptzweck des BGBB, nämlich der Stärkung der Stellung des Selbstbewirtschafters, wobei der Fokus auf dem landwirtschaftlichen Gewerbe im Nachlass liegt, das der übernehmende Erbe erst in Zukunft selber bewirtschaften will. Ob dieser Erbe bereits vor dem Erbgang ein landwirtschaftliches Gewerbe führt, ist nicht von Belang. In der Regel wird der Erblasser das Gewerbe selber (allenfalls unter Inanspruchnahme von Hilfspersonen) bewirtschaftet haben, und es geht darum, die Selbstbewirtschaftung durch die nächste Generation zu fördern. Vom übernehmenden Erben zu verlangen, dass er bereits vor der Übernahme ein landwirtschaftliches Gewerbe führt, wäre vor diesem Hintergrund sach- und realitätsfremd.
Die Wertbestimmung von Nachlassgegenständen ist eine Tatfrage. Rechtsfrage ist, dass das landwirtschaftliche Gewerbe zum Ertragswert zu schätzen ist (Art. 17 BGBB). Bei der Vornahme einer solchen Schätzung hat die zuständige Behörde nach Art. 87 BGBB (gemäss § 1 Landwirtschaftsverordnung ist das im Kanton Zürich das Amt für Landschaft und Natur ALN) die jeweils geltenden Richtlinien anzuwenden (Art. 2 VBB). Dabei handelt es sich um ein vom Verwaltungsrecht beherrschtes Verfahren. In der Folge ist das Teilungsgericht im Zivilprozess an die Ertragswertschätzung der zuständigen Behörde gebunden. Das Teilungsgericht ist nur dann ausnahmsweise befugt, bei der Behörde eine neue Schätzung zu verlangen, wenn die vorliegende Schätzung an groben Mängeln leidet. Die Schätzung wird aufgrund des Inkrafttretens neuer Richtlinien nicht ohne weiteres grob mangelhaft oder geradezu nichtig.
Die fortgesetzte Erbengemeinschaft untersteht weiterhin sowohl im Aussen- als auch im Innenverhältnis den Regeln über die Erbengemeinschaft.
Die Nachlassgegenstände sind den Erben grundsätzlich zum Verkehrswert (zum Stichtag der Auseinandersetzung) anzurechnen - ausgenommen davon ist das dem selbstbewirtschaftenden Erben integral zugewiesene landwirtschaftliche Gewerbe, bei welchem der Ertragswert massgeblich ist (Art. 17 Abs. 1 BGBB). Die Regelung entspricht grundsätzlich derjenigen bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung.
12/22
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF220107
Testamente werden vom Einzelgericht in einem nicht streitigen, summarischen Verfahren eröffnet. Sinn und Zweck der Testamentseröffnung ist, den Verfügungsinhalt bekanntzugeben. Dazu hat das Eröffnungsgericht die Erben zu ermitteln, damit sie von der letztwilligen Verfügung Kenntnis nehmen und in der Folge ihre Rechte wahren können. Dabei hat es eine vorläufige Prüfung und Auslegung des Testaments vorzunehmen und im Hinblick auf die an die eingesetzten Erben auszustellende Erbbescheinigung insbesondere zu bestimmen, wer nach dem Wortlaut des Testaments prima facie als Berechtigter zu gelten hat. Diese Auslegung hat aber immer nur provisorischen Charakter und keine materiell-rechtliche Wirkung. Über die formelle und materielle Rechtsgültigkeit einer letztwilligen Verfügung und die definitive Ordnung der materiellen Rechtsverhältnisse befindet das Eröffnungsgericht somit nicht; dies bleibt im Streitfall dem anzurufenden ordentlichen Zivilgericht vorbehalten. Das Obergericht prüft lediglich, ob das Einzelgericht bei der Testamentseröffnung im beschriebenen beschränkten Rahmen zutreffend vorgegangen ist.
11/22
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_418/2022
Beim Tod einer Person ist die zuständige Behörde verpflichtet, von Amtes wegen die erforderlichen Massnahmen zu treffen, um den Erbgang sicherzustellen (Art. 551 ZGB); sie kann jede erforderliche Massnahme treffen, insb. die in den Artikeln 552 ff. ZGB vorgesehenen (5A_800/2013). Sicherungsmassnahmen fallen in den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit; sie sind vorläufig und haben keine materielle Wirkung. Für Sicherungsmassnahmen gilt das summarische Verfahren; sie stellen vorsorgliche Massnahmen dar (5A_599/2016).
Der zu verteilende Nachlass umfasst die Vermögenswerte, die den (übertragbaren) Rechten entsprechen, über die der Erblasser zum Zeitpunkt des Erbgangs verfügte. Zwischen dem Zeitpunkt des Todes und der Teilung des Nachlasses kann es zu Veränderungen kommen. Da der Nachlass ein vom Vermögen jedes Erben getrenntes Vermögen bildet, fallen Vermögenswerte, die mit Nachlassvermögenswerten erworben wurden, in das getrennte Nachlassvermögen. Neben diesen Ersatzbeschaffungen kann sich die Zusammensetzung des Nachlasses auch durch die Berücksichtigung von Einkünften aus den Nachlassvermögenswerten ändern, ebenso wie durch die Verwertung von Nachlassvermögenswerten, um die Verwaltung des Nachlasses zu gewährleisten.
11/22
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_90/2022
Der Erblasser kann seinen Verfügungen Auflagen oder Bedingungen anfügen, deren Vollziehung, sobald die Verfügung zur Ausführung gelangt ist, jedermann verlangen darf, der an ihnen ein Interesse hat (Art. 482 Abs. 1 ZGB). Dieses zur Klage berechtigende Interesse muss näher bestimmt werden, denn nirgends ist "irgendwer" befugt. Berechtigt sind zunächst jene Personen, die ein eigenes rechtliches oder tatsächliches Interesse am Vollzug der Auflage haben, namentlich diejenigen Personen, denen die vom Erblasser festgelegte Leistung zukommen soll (BGE 108 II 278; BGE 105 II 253). Unter jenen, die nicht eigene Interessen geltend machen, gelten sodann die gesetzlichen Erben, der Willensvollstrecker sowie der Erbschaftsverwalter als berechtigt. Infrage kommen auch indirekte Erben (BGE 108 II 278; derjenige, der ohne Auflage die Erbin der Erblasserin beerben würde, hat ein legitimes Interesse an der korrekten Vollstreckung der Auflage) und nahe Verwandte (BGE 108 II 278; Neffe der Erblasserin). Sodann bejaht ein Teil der Lehre die Klagelegitimation für Freunde und weitere Verwandte des Erblassers, sofern diese aus Pietätsgründen handeln. Sodann soll nach gewissen Lehrmeinungen die Klagelegitimation ferner Interessenverbänden zuerkannt werden. Für Private genügt die Motivation, gleichsam stellvertretend die Interessen des Verstorbenen zu wahren bzw. dafür zu sorgen, dass der Wille des Erblassers erfüllt wird, hingegen nicht; vielmehr muss der Kläger in einer Sonderbeziehung zum Erblasser oder zum Nachlass stehen. Zusammengefasst muss der Kläger über eine spezifische Beziehungsnähe zur Streitsache verfügen oder zumindest - beispielsweise als Destinatär - einen praktischen Nutzen aus dem Vollzug der Auflage ziehen können. Die Beziehungsnähe kann persönlicher, räumlicher oder sachlicher Natur und der praktische Nutzen muss tatsächlich, sei es aktuell oder potentiell, sein. Ob diese Kriterien erfüllt sind, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung anhand der konkreten Verhältnisse des Einzelfalls zu prüfen.
11/22
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts BGE 149 III 12 (5A_87/2022)
In der Schlichtungsverhandlung sollen die Parteien zu einer Aussprache zusammengebracht werden (4A_416/2019). Gemäss Art. 201 Abs. 1 ZPO besteht die Aufgabe der Schlichtungsbehörde darin, in formloser Verhandlung zu versuchen, die Parteien zu versöhnen. Die Verhandlung hat innert zwei Monaten seit Eingang des Gesuchs stattzufinden (Art. 203 Abs. 1 ZPO), wobei mit Zustimmung der Parteien weitere Verhandlungen durchgeführt werden können (Art. 203 Abs. 4 ZPO). Die Parteien müssen persönlich zur Schlichtungsverhandlung erscheinen (Art. 204 Abs. 1 ZPO) und können sich von einem Rechtsbeistand oder einer Vertrauensperson begleiten lassen (Art. 204 Abs. 2 ZPO). Hintergrund dieser Spezialregel für das Schlichtungsverfahren war die Überlegung, dass eine Schlichtungsverhandlung meist dann am aussichtsreichsten ist, wenn die Parteien persönlich erscheinen, da nur so eine wirkliche Aussprache stattfinden kann. Auch wenn sich die Parteien begleiten lassen dürfen, sollen sie sich an der Verhandlung doch primär selber äussern. Durch die Pflicht zum persönlichen Erscheinen soll mithin ein persönliches Gespräch zwischen den Parteien vor der allfälligen Klageeinreichung ermöglicht werden. Art. 204 Abs. 1 ZPO zielt in diesem Sinne - wie das Schlichtungsverfahren überhaupt - darauf ab, diejenigen Personen zu einer Aussprache zusammenzubringen, die sich miteinander im Streit befinden und die über den Streitgegenstand auch selber verfügen können (BGE 140 III 70). Von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen ausgenommen sind Parteien, die ausserkantonalen oder ausländischen Wohnsitz haben oder wegen Krankheit, Alter oder anderweitigen Gründen verhindert sind, wobei sie sich vertreten lassen müssen (Art. 204 Abs. 3 Bst. a und b ZPO). Kommt es zu keiner Einigung, hält die Schlichtungsbehörde dies im Protokoll fest und erteilt die Klagebewilligung (Art. 209 Abs. 1 ZPO). Gleich verfährt sie, wenn die beklagte Partei säumig bleibt (Art. 206 Abs. 2 ZPO). Die Säumnis als Rechtsbegriff wird in Art. 147 ZPO geregelt. Im Kontext des Schlichtungsverfahrens liegt Säumnis namentlich vor, wenn eine Partei nicht persönlich zur Verhandlung erscheint oder - falls sie nicht persönlich erscheinen muss - sich nicht ordnungsgemäss vertreten lässt.
Klagen mehrere Kläger gegen mehrere Beklagte auf Ungültigkeit bzw. Nichtigkeit einer letztwilligen Verfügung (Art. 519 ZGB), liegen in der Regel sowohl aktiv- wie auch passivseitig einfache Streitgenossenschaften im Sinn von Art. 71 Abs. 1 ZPO vor (BGE 146 III 1; BGE 136 III 123). Die subjektiv gehäuften Klagen bleiben rechtlich selbständig, selbst wenn sie in einem einheitlichen Verfahren beurteilt werden (4A_444/2017, 4A_448/2017). Jeder einfache Streitgenosse macht unabhängig vom anderen eigenständige Ansprüche geltend (4A_23/2018); umgekehrt steht jeder eingeklagte Streitgenosse in einem eigenständigen Rechtsverhältnis zum Kläger bzw. zu den Klägern. Bei einfacher Streitgenossenschaft ist jeder Streitgenosse befugt, seinen Prozess unabhängig von den anderen zu führen (Art. 71 Abs. 3 ZPO). Jeder Streitgenosse kann selbst entscheiden, welche Behauptungen er erheben und welche Vorbringen der Gegenpartei er bestreiten will. Das Beweisthema muss nicht für alle Streitgenossen identisch sein (4A_601/2020). Prozesshandlungen und Säumnisse eines einfachen Streitgenossen gereichen den anderen Streitgenossen weder zum Vorteil noch zum Nachteil (BGE 140 III 520). Schliesslich entfaltet ein gegenüber einem einfachen Streitgenossen ergangenes Urteil grundsätzlich keinerlei Rechtskraftwirkung für die anderen einfachen Streitgenossen (BGE 140 III 520).
Richtet sich die Klage auf Feststellung der Erbunwürdigkeit (Art. 540 ZGB) einer bestimmten Person, die bei gegebenen Voraussetzungen von Gesetzes wegen eintritt, von Behörden und Gerichten von Amtes wegen zu berücksichtigen ist (5A_204/2007) und zur Folge hat, dass die erbunwürdige Person im Verhältnis zum betreffenden Erblasser dieselbe Stellung hat, wie wenn sie vorverstorben wäre (BGE 132 III 315), so kann diese ebenfalls von jeder Person, die die Erbberechtigung bzw. die Erbfähigkeit einer anderen Person bestreitet, selbständig geltend gemacht werden. Es besteht mithin auch hier keine notwendige Streitgenossenschaft.
Art. 206 Abs. 2 ZPO findet im Fall einer einfachen Streitgenossenschaft keine Anwendung; der Friedensrichter darf die Klagebewilligung allein gestützt auf die Säumnis einer der im Schlichtungsgesuch als Beklagte bezeichneten Parteien nicht ausstellen. Gewissermassen als Gegenstück zur Erscheinungspflicht der Parteien besteht eine Pflicht der Schlichtungsbehörde, tatsächlich eine Aussöhnung zwischen den Parteien zu versuchen. Vorliegend wurde die Klagebewilligung - ohne Aussprache unter den anwesenden Parteien - ausgestellte, weil einzelne Beklagte nicht an den Schlichtungsverhandlungstermin erschienen sind.
Die Gültigkeit der Klagebewilligung nach Art. 209 ZPO ist, sofern dem Prozess ein Schlichtungsversuch vorauszugehen hat, eine Prozessvoraussetzung. Diese hat das Gericht gemäss Art. 60 ZPO von Amtes wegen zu prüfen (BGE 141 III 159; BGE 139 III 273). Es hat somit selbst ohne Einwand des Beklagten zu beurteilen, ob eine gültige Klagebewilligung vorliegt (BGE 146 III 185). Letztere ist - abgesehen vom Spruch über die Kosten - kein anfechtbarer Entscheid (BGE 141 III 159). Die beklagte Partei kann die Gültigkeit der Klagebewilligung von vornherein erst im erstinstanzlichen Klageverfahren bestreiten. Das Gericht hat alsdann im Rahmen der Klärung der Prozessvoraussetzungen zu prüfen, ob der geltend gemachte Mangel des Schlichtungsverfahrens die Ungültigkeit der Klagebewilligung bewirkt (BGE 146 III 185 E. 4.4.2; 4A_135/2018). Ist die Klagebewilligung ungültig, darf das Gericht auf die Klage nicht eintreten (BGE 140 III 70).
Auch wenn die Parteien bei ausreichendem Streitwert gestützt auf Art. 199 Abs. 1 ZPO auf die Durchführung des Schlichtungsverfahrens hätten verzichten können, ist dies kein Grund, die qualitativen Anforderungen an die Schlichtungsverhandlung in irgendwelcher Weise zu reduzieren.
Alle am Zivilprozess beteiligten Personen haben nach Treu und Glauben zu handeln (Art. 52 ZPO). Sie sind daher gehalten, verfahrensrechtliche Einwendungen so früh wie möglich vorzubringen, mithin bei erster Gelegenheit nach Kenntnisnahme des Mangels. Ansonsten können sie diese nicht mehr erheben (BGE 143 V 66; BGE 140 I 271; BGE 138 III 374; BGE 135 III 334). So muss die beklagte Partei, die am Schlichtungsverfahren teilnimmt, auf der persönlichen Teilnahme bzw. rechtskonformen Vertretung der klägerischen Partei insistieren (BGE 140 III 70). Ebenso muss sie den Einwand der fehlenden örtlichen Zuständigkeit vorbringen; vor Gericht kann sie sich nicht mehr auf die Unzuständigkeit der Schlichtungsbehörde berufen und die Ungültigkeit der Klagebewilligung geltend machen. Hingegen kann sich die beklagte Partei, die nicht an der Schlichtungsverhandlung teilnahm oder die im Schlichtungsverfahren die Unzuständigkeitseinrede erhoben hat, im anschliessenden Gerichtsverfahren auf den Mangel der Klagebewilligung berufen. Schliesslich ist es der beklagten Partei, die es im Schlichtungsverfahren verpasst hat, die Unzuständigkeit der Schlichtungsbehörde einzuwenden, nicht verwehrt, die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zu beanstanden (BGE 146 III 265).
Abschliessend wird die Frage aufgeworfen (ohne dies zu beantworten), ob Fallkonstellationen, in welchen Art. 63 ZPO, wonach ein Kläger seine Eingabe innert eines Monats seit dem Nichteintretensentscheid beim zuständigen Gericht neu einreichen kann und diesfalls als Zeitpunkt der Rechtshängigkeit das Datum der ersten Einreichung gilt, zum Zug kommt, von anderen Fallgruppen zu unterscheiden sind, namentlich von Fällen, in denen zwischenzeitlich eine materiell-rechtliche Verwirkungsfrist abgelaufen ist und der Nichteintretensentscheid zu einem Rechtsverlust führt. In der Tat erfasst Art. 63 ZPO nur den Nichteintretensentscheid zufolge fehlender (örtlicher oder sachlicher) Zuständigkeit (Abs. 1) und zufolge Klageeinleitung im unrichtigen Verfahren (Abs. 2), nicht aber Nichteintretensentscheide zufolge Fehlens anderer Prozessvoraussetzungen - wie hier die Ungültigkeit der Klagebewilligung - oder zufolge formeller Mängel der Eingabe (BGE 141 III 481).
Die Gerichtskosten werden vom Gericht von Amtes wegen festgesetzt und verteilt (Art. 105 Abs. 1 ZPO). Folglich bedarf es diesbezüglich keines Antrags. Die Parteientschädigung spricht das Gericht hingegen nur auf Antrag zu (Art. 105 Abs. 2 ZPO; 4A_171/2017), der indes nach Massgabe der herrschenden Lehre nicht beziffert werden muss (BGE 140 III 444). Zu wessen Lasten die Parteientschädigung geht, hat das Gericht wiederum von Amtes wegen festzulegen. Der Kanton Zürich hat insofern von Art. 116 ZPO Gebrauch gemacht, als die kantonalen Gerichte dem Kanton in Zivilsachen keine Gerichtskosten auferlegen dürfen (§ 200 Bst. a GOG/ZH). Allerdings begründet der Kanton diese Befreiung damit, dass "bei Auferlegung von Prozesskosten an den Kanton letztlich auch wieder nur die Staatskasse belastet wird, sodass mit der Festlegung der Kostenfreiheit im Gesetz von vornherein verhindert wird, dass unnötiger Verrechnungsaufwand zwischen verschiedenen kantonalen Stellen betrieben wird". Im Ergebnis bedeutet die Befreiung nach § 200 Bst. a GOG/ZH, dass gegebenenfalls auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten ist (Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich RT110085). Enthält ein (kantonaler) Tarif oder eine gesetzliche Regelung eine Ober- und Untergrenze hinsichtlich der Gerichtskosten und/oder der Parteientschädigungen und hält das Gericht diese Bandbreite ein, muss der Entscheid über die Höhe der Beträge nicht gesondert begründet werden, es sei denn, eine Partei bringe aussergewöhnliche Umstände vor, oder wenn das Gericht von einer von der betreffenden Partei eingereichten Kostennote abweicht und ungeachtet einer bestehenden Praxis eine geringere als die übliche Entschädigung festsetzt (BGE 139 V 496; BGE 111 Ia 1; BGE 93 I 116). Das Obsiegen und Unterliegen bemisst sich grundsätzlich an den Rechtsbegehren der jeweiligen Parteien. Die unterliegende rechtsmittelbeklagte Partei kann nur dann von der Kostenpflicht entlastet werden, wenn ein von ihr nicht mitverschuldeter grober Verfahrensfehler (Justizpanne) zur Gutheissung des Rechtsmittels führt und sie selber die Gutheissung des Rechtsmittels beantragt oder zumindest keinen (unbegründeten) Antrag gestellt bzw. sich mit dem angefochtenen Entscheid nicht identifiziert hat (BGE 138 III 471).
11/22
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_840/2022
Bei der Testamentseröffnung geht es um einen dem summarischen Verfahren zugeordneten Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Sie gehört zu den sichernden Massnahmen im Sinn von Art. 551 Abs. 1 ZGB und stellt damit eine vorsorgliche Massnahme im Sinn von Art. 98 BGG dar, so dass einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden kann. Bei der Testamentseröffnung wird die Gültigkeit des Testaments nicht geprüft; allfällige formelle Mängel wären mit Ungültigkeitsklage geltend zu machen.
11/22
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF220073
Unter Art. 554 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB fallen nicht nur Fälle, in welchen vollends ungewiss ist, ob neben dem oder den bekannten noch andere Erben existieren, sondern auch Fälle, in welchen sich die Ungewissheit darauf bezieht, ob bekannte Erben noch leben. Als Sofortmassnahme ist die Erbschaftsverwaltung unverzüglich anzuordnen und zu vollziehen, sobald die zuständige Behörde vom Todesfall und dem Vorliegen der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen Kenntnis erhalten hat, nötigenfalls auch ohne Anhörung der Betroffenen (Art. 551 ZGB).
11/22
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich PQ220063
Die Adoption einer erwachsenen Person kann gemäss Art. 269a ZGB angefochten werden, wenn sie an schwerwiegenden Mängeln leidet. Als schwerwiegende Mängel gelten beispielsweise die wesentliche Unterschreitung des Mindestaltersunterschiedes, das Fehlen eines echten Pflegeverhältnisses oder eine erbrechtliche Zurücksetzung der eigenen Nachkommen als Hauptzweck. Schwerwiegend ist ein Mangel nur, wenn mit ihm der Wesensgehalt der Adoption unterlaufen wird. Es müssen wesentliche Interessen der Beteiligten oder der Öffentlichkeit das Kindesinteresse an der Adoption überwiegen. Die Adoption hat dem Wohl resp. dem Interesse der zu adoptierenden Person Rechnung zu tragen.
Vorliegend schien die Adoption aufgrund der langen persönlichen Verbundenheit und gelebten familiären Beziehung primär ein emotionales Anliegen der Involvierten zu erfüllen. Die Vorwürfe, es würden mit der Adoption primär finanzielle oder erbrechtliche Aspekte verfolgt, überzeugten nicht. Die mit der Adoption einhergehende Schmälerung der zukünftigen gesetzlichen Erbansprüche am Nachlass sei entsprechend als notwendige Konsequenz der Adoption hinzunehmen und bedeutet an sich noch keine unzulässige Zurücksetzung. Selbst gewisse finanzielle oder erbrechtliche Motive wiegten die im Vordergrund stehenden achtenswerten Gründe für eine Adoption nicht auf.
10/22
Erbrecht | Urteil des Bundesgerichts 5A_103/2022 (BGE 149 III 34)
Ein Arrestgesuch kann (auch) gegen die ungeteilte Erbschaft gerichtet werden, wenn die in der Schweiz belegenen Vermögenswerte des Erblassers im Zeitpunkt des Todes mit Arrest belegt und damit ein Betreibungsort (Art. 52 SchKG) hätte geschaffen werden können. Art. 49 SchKG schliesst nicht aus, dass erst das Vorliegen der mit Art. 49 SchKG verbundenen beschränkten passiven Parteifähigkeit die Frage nach dem Betreibungsort nach sich zieht (und nicht umgekehrt), so dass der fehlende Arrestvollzug zu Lebzeiten des Erblassers die Arrestfähigkeit der Erbschaft nicht ausschliesst.
10/22
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF220075
Die Testamentseröffnung gemäss Art. 557 f. ZGB bedeutet, dass die Behörde vom Inhalt einer letztwilligen Verfügung Kenntnis nimmt und den Inhalt den Betroffenen zur Kenntnis gibt. Ihr Zweck ist die Information über das Vorhandensein sowie den Inhalt des Testaments und die Einräumung einer Kontrollmöglichkeit an die Erben. Das Einzelgericht hat im Rahmen der Testamentseröffnung nur eine vorläufige Prüfung und Auslegung des ihr eingelieferten Testaments vorzunehmen, soweit dies für die von ihm zu treffenden Anordnungen zur Sicherung des Erbganges erforderlich ist. So ist im Hinblick auf die nach Art. 559 ZGB auszustellende Erbbescheinigung insbesondere zu bestimmen, wer nach dem Wortlaut des Testaments als Erbe zu gelten hat. Diese Auslegung hat aber immer nur provisorischen Charakter, d.h. sie ist für die materielle Rechtslage unpräjudiziell. Über die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung und die definitive Ordnung der Rechtsverhältnisse befindet das Eröffnungsgericht nicht; dies bleibt im Streitfall dem anzurufenden ordentlichen Gericht vorbehalten. Auch die Berufungsinstanz prüft lediglich, ob das Eröffnungsgericht in diesem beschränkten Rahmen zutreffend verfahren ist. In dessen Rahmen betrifft die Ermittlungstätigkeit der Erbschaftsbehörde in erster Linie das Auffinden von Erben (sog. Erbenruf, Art. 555 ZGB), nicht dasjenige von allfälligen (neueren) letztwilligen Verfügungen des Erblassers. Es besteht eine Einlieferungspflicht von jeder Behörde, jedem Beamten sowie jeder anderen Person, die eine letztwillige Verfügung des Erblassers in Verwahrung hat oder unter dessen Sachen vorfindet (Art. 556 ZGB). Die Erbschaftsbehörde kann jedoch nur eröffnen, was ihr eingereicht wird. Auf dem Weg der vorliegenden Berufung kann die Vorinstanz nicht zur Vornahme von Abklärungen hinsichtlich der Existenz weiterer (zu eröffnender) Testamente des Erblassers verpflichtet werden.
10/22
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF220070
Gestützt auf Art. 576 ZGB kann die zuständige Behörde aus wichtigen Gründen den gesetzlichen Erben eine Fristverlängerung gewähren oder – sofern die Frist bereits verstrichen ist – eine neue Ausschlagungsfrist ansetzen. Dazu muss die gesuchstellende Partei dartun, dass ihr eine rechtzeitige Erklärung aus wichtigen Gründen nicht zuzumuten war. Die wichtigen Gründe müssen sich auf Umstände beziehen, die während des Laufes der Ausschlagungsfrist eine sachgemässe Entscheidung verhindert haben, nicht aber auf solche, die die nachträgliche Nützlichkeit der Ausschlagung betreffen. Der Begriff der wichtigen Gründe lässt dem richterlichen Ermessen einen weiten Spielraum. Als wichtige Gründe werden beispielsweise die Abwesenheit des Erben, Erbschaftsstreitigkeiten, komplizierte tatsächliche und rechtliche Verhältnisse, andauernde Krankheit des Erben, Vermögenslagen in verschiedenen Staaten, hängige Prozesse, von deren Ergebnis die Entscheidung abhängt, komplexe Rechtslagen (insb. internationalprivatrechtlicher Natur) oder vorgängige missverständliche Rechtsbelehrung durch die zuständige Behörde genannt. Eine Härtesituation kann auch bei einer erst nachträglich entdeckten massiven Überschuldung eines zuvor aktiven Nachlasses vorliegen. Ob ein die Fristwiederherstellung rechtfertigender Grund vorliegt, hängt davon ab, was der Betroffene innert der ordentlichen Frist unternommen hat bzw. vernünftigerweise hätte unternehmen können, um sich einen Überblick über den Stand des Nachlasses zu verschaffen. Von Belang sind auch die räumliche und persönliche Nähe der Erbin zum Erblasser sowie deren Alter, Gesundheitszustand und die Gewandtheit in geschäftlichen Angelegenheiten.
Das Protokoll im Sinne von Art. 570 Abs. 3 ZGB schafft zwar den Beweis für die Abgabe und den Zeitpunkt der Ausschlagungserklärung. Es hat aber keinerlei Rechtskraftwirkung zwischen den (ausschlagenden) Erben und den Gläubigern des Erblassers. Auf die zivilrechtliche Gültigkeit einer Ausschlagung hat das Protokoll keinen Einfluss. Selbst wenn die Ausschlagungserklärung eines Erben zurückgewiesen wurde, bleibt es dem betroffenen Erben somit unbenommen, sich auf die erklärte Ausschlagung zu berufen, sollte er für Erbschaftsschulden belangt werden. Umgekehrt steht den Gläubigern des Erblassers ungeachtet der Protokollierung der Ausschlagungserklärung die Möglichkeit offen, gegen einen ausschlagenden Erben vorzugehen, indem sie auf dem ordentlichen Prozessweg eine ungültige Ausschlagung beseitigen (sei es als selbständige Feststellungsklage, sei es als Vorfrage im Rahmen einer Leistungsklage gegen den Erben). M.a.W. kann aus der Protokollierung oder Nichtprotokollierung einer Ausschlagungserklärung nicht darauf geschlossen werden, ob diese rechtsbeständig ist oder nicht. Die definitive Prüfung der Verhältnisse bleibt dem ordentlichen Richter vorbehalten.
10/22
Erbrecht | Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich LF220072
Das Protokoll über Ausschlagungen im Sinne von Art. 570 Abs. 3 ZGB schafft zwar den Beweis für die Abgabe und den Zeitpunkt der Ausschlagungserklärung. Es hat aber keinerlei Rechtskraftwirkung zwischen den (ausschlagenden) Erben und den Gläubigern des Erblassers. Auf die zivilrechtliche Gültigkeit einer Ausschlagung hat das Protokoll keinen Einfluss. Selbst wenn die Ausschlagungserklärung eines Erben – wie im vorliegenden Fall – zurückgewiesen wurde, bleibt es dem betroffenen Erben unbenommen, sich auf die erklärte Ausschlagung zu berufen, sollte er für Erbschaftsschulden belangt werden. Umgekehrt steht den Gläubigern des Erblassers ungeachtet der Protokollierung der Ausschlagungserklärung die Möglichkeit offen, gegen einen ausschlagenden Erben vorzugehen, indem sie auf dem ordentlichen Prozessweg eine ungültige Ausschlagung beseitigen (sei es als selbständige Feststellungsklage, sei es als Vorfrage im Rahmen einer Leistungsklage gegen den Erben). Mit anderen Worten kann aus der Protokollierung oder Nichtprotokollierung einer Ausschlagungserklärung nicht darauf geschlossen werden, ob diese rechtsbeständig ist oder nicht. Die definitive Prüfung der Verhältnisse bleibt dem ordentlichen Richter vorbehalten.